Alois Leuninger


1873 - 1973
Hundert Jahre
Mengerskirchen


Dokumente - Gespräche - Erfahrungen

Das 1976 Im Eigenverlag veröffentlichte Buch wurde zum 100. Geburtstag von Alois (25.12.2002) und Elisabeth (13.12.2003) Leuninger ins Internet eingestellt
Inhalt - Mengerskirchen - - Anmerkungen

MEINEM HEIMATORT
ZUR BEVORSTEHENDEN 700-JAHRFEIER
GEWIDMET
Der Verfasser

VORWORT

Im Rahmen einer Verwaltungsreform ist der Flecken Mengerskirchen zu Beginn der 70er Jahre dieses Jahrhunderts in die Großgemeinde Mengerskirchen einbezogen worden. Damit beginnt für diesen Ort ein neuer geschichtlicher Abschnitt.

Für die letzten hundert Jahre kommunaler Selbständigkeit fehlte bisher ein chronistischer Aufriß. Er soll mit dieser Arbeit versucht werden. Für viele der berichteten Ereignisse standen schriftliche Unterlagen nicht zur Verfügung. An ihre Stelle mußten persönliche Erfahrungen des Verfassers und zahlreicher Mengerskirchener Bürger treten.

Diese Chronik ist eine Geschichte der kleinen Leute, der Landwirte, Handwerker, Hausfrauen und Arbeiter. Sie spielt sich am Rande der großen Geschichte ab, spiegelt diese aber auf vielfältige Weise wider. Manches dürfte sogar geschichtlichen Rang haben wegen der menschlichen Größe, die sich hierin offenbart.

Mengerskirchen, den 4. Oktober 1976
Alois Leuninger

LAND AM KNOTEN

Die Landwirtschaft

Die karge Knotenlandschaft hat schon in alter Zeit Menschen Nahrung gegeben. Das beweisen noch heute erkennbare uralte Ackerraine in einigen Gemarkungen. Mit zunehmender Besiedelung und Bevölkerung erhielt der Raum um den Knoten (604 m) im Laufe der Jahrhunderte sein Gepräge durch die Landwirtschaft, obwohl Klima und Bodenbeschaffenheit keine günstigen Voraussetzungen hierfür boten.

Die Gemarkung des Fleckens erstreckt sich von Norden nach Süden in ihrer größten Ausdehnung über 6, 5 km und von Westen nach Osten über 4, 5 km bei einer Gemarkungsfläche von 1.029 ha. Hiervon waren im Jahre 1949 621 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe lag zu jener Zeit bei 180. Es handelt sich überwiegend um Kleinbetriebe. Im Schnitt entfielen auf jeden von ihnen etwa 3, 4 ha. Die Nutzfläche war aber nicht gleichmäßig verteilt, so daß eine große Anzahl Betriebe darunter blieben und andere höher lagen. Übrigens hat es zu keiner Zeit in Mengerskirchen so viele landwirtschaftliche Betriebe gegeben wie in jenen Jahren. Die Ursache ist in dem Krieg von 1939 bis 1945 und dem starken Nahrungsmittelmangel zu sehen. Das veranlaßte eine Anzahl Bürger zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes. Im Jahre 1939 zählte man nurmehr 161 Betriebe bis zu 5 ha und weniger; sie bestanden nicht nur aus Eigentumsländereien, sondern auch aus Pachtland von der Domäne und der Pfarrei, sowie aus Privatbesitz.

Ausschlaggebend für die Entwicklung zum Kleinbetrieb in der Mengerskirchener Landwirtschaft war die im 18. Jahrhundert einsetzende starke Bevölkerungsvermehrung, die in Nassau noch durch die Realerbteilung gefördert wurde und zu einer unrentablen Zersplitterung der landwirtschaftlich genutzten Fläche führte. Viele Betriebe waren kein Vollerwerb, manchmal deckten sie nicht einmal den eigenen Bedarf. Diesem Mißstand suchte man im Flecken schon zeitig durch Zusammenlegungsverfahren zu begegnen. Ebenso bemühten sich die Männer um andere Erwerbsmöglichkeiten. Solche boten sich vor allem in dem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeführten Nagelschmiedegewerbe. Günstig war auch der Umstand, daß mit dem industriellen Aufschwung nach dem Krieg 187071 viele männliche Personen im Baugewerbe der Industriegebiete Arbeit fanden. Auch die unverheirateten jungen Frauen suchten Erwerb, vor allem in städtischen Haushaltungen.

Die kleinbäuerlichen Betriebe stellten in der Regel einen mühsamen Broterwerb dar. Schon das aus zwei Kühen bestehende Gespann, mit dem die Betriebe ausgestattet waren, man sprach deshalb auch von Kuhbauern, war eine unzulängliche Einrichtung. Nur langsam bewegte sich der mit Ernteerzeugnissen oder Stalldünger beladene Wegen über Wege und Felder. Die Feldbestellung mit Pflug und Egge erforderte vor allem bei den zahlreichen steinigen Böden viel Zeit und Kraft. Die Kühe waren in ihrer Leistungsfähigkeit beschränkt. So konnte ein mit Kühen bespannter Wagen nur mit einer viertel Klafter = 1 Raummeter Brennholz, das im Wald zu holen war, beladen werden. Ein Pferdefuhrwerk belud man mit der doppelten Menge. Manche landwirtschaftlichen Kleinstbetriebe waren ohne ein Gespann, so daß andere Kleinbauern mit ihrem Kuhgespann für diese gegen ein geringes Entgelt Arbeit verrichteten. Man nannte diese Kleinbauern "Ackermänner" . Die Erntearbeiten erfolgten vorwiegend von Hand; das Gras wurde mit der Sense gemäht und mit einfachsten Geräten bearbeitet.

Die Bedeutung, welche die Kartoffel bei der Ernährung spielte, führte auch zu einem entsprechend umfangreichen Anbau, der weniger risikoreich und doch ertragreich war. Das Jäten, Ausgraben und Versacken erfolgte bis vor wenigen Jahrzehnten von Hand. Größere Familien kellerten je nach Ernteertrag 50 bis 60 und mehr Sack Kartoffeln ein, wovon nur ein geringer Teil als Viehfutter verwertet wurde. Wesentlich war die Möglichkeit des Einsatzes von Frauen- und Kinderarbeit. Wie sehr die Kinderarbeit in der Landwirtschaft gewertet wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, daß die Schulferien in die Zeit der Ernte gelegt wurden. Das bezieht sich nicht nur auf die Kartoffel-, sondern auch auf die Heuernte.

Die Landwirte waren bemüht, ihren Eigenbedarf an Brot- und Futtergetreide zu decken. Die Bearbeitung und Ernte dieser Produkte war nicht ganz so mühsam wie bei der Kartoffel. Allerdings erfolgte das Abernten des Getreides bis weit in das 20.Jahrhundert von Hand mit einfachen Geräten. Vereinzelte gab es noch die "Schnitterin" im wörtlichen Sinne, welche mit der Sichel das Getreide schnitt. In selteneren Fällen wurde die Gerste auch gerupft, wenn wegen des niedrigen Wuchses die Wurzeln am Halm bleiben mußten. Der Getreideausdrusch geschah mit dem Dreschflegel. Diese Methode wurde in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende durch den Maschinendrusch ersetzt, den Privatunternehmer ausführten. In 1928 kaufte aber die Gemeinde eine Dreschmaschine mit Presse und errichtete eine große Dreschhalle, so daß der Drusch bei jeder Witterung vorgenommen werden konnte. Trotz dieser Einrichtung wurde der Dreschflegel, zumindest bis zum Jahre 1914, benutzt, und zwar aus Sparsamkeitsgründen. So hat beispielsweise die erwachsene Tochter eines Kleinbauern mit dem noch schulpflichtigen Bruder zusammen die Gerste und den Hafer mit dem Handflegel gedroschen und dafür aufgrund des ersparten Maschinendruschs ein Kostüm erhalten. Mitunter wurden für den Drusch auch mit Hand betriebene Maschinen benutzt. Dabei bedurfte es allerdings des Einsatzes von drei bis vier starken Männern. Die Reinigung der Körner vom Spreu erfolgte in früherer Zeit durch eine Spezialholzschaufel, mit der der Ausdrusch in der Tenne durch die Luft geschleudert wurde. Dabei trennten sich die Körner von der Spreu. Später gab es für diese Arbeit von Hand betriebene Maschinen, Fegmühlen genannt.

Das für das Mehl im eigenen Haushalt geerntete Getreide wurde jeweils von einem Müller abgeholt und gemahlen. Die Abgeltung dieser Leistung erfolgte in früherer Zeit durch "moltern", d. h. der Müller hielt einen Teil des zur Vermahlung bestimmten Getreides als Entlohnung für sich zurück. Später wurden die Müller mit Geld entlohnt. Dennoch stand der eine oder andere in dem Verdacht, heimlich auf seine Weise weiter zu moltern. Die kleinen Bauern waren diesbezüglich sehr mißtrauisch, denn jedes Pfund Mehl oder "Kleie" war für sie kostbar. An Waagen zur Gewichtskontrolle fehlte es ihnen in der Regel.

Der Rindviehbestand erreichte im Flecken in 1948 mit 513 Tieren seinen Höchststand. Er ging zu Beginn der 70er Jahre auf 200 Rinder zurück. An Ziegen gab es im Flecken mitunter mehr als 50, Sie wurden zum großen Teil mit dem Rindvieh auf die Knotenweide getrieben. Ihre Besitzer waren meist Bürger ohne anderen Viehbestand. Die Ziegen deckten ihren Milchbedarf. Diese Tiergattung wird in Mengerskirchen jetzt nicht mehr gehalten.

Vorwiegend der Selbstversorgung diente die Schweinemast. In manchen Fällen wurde auch für den Markt gemästet. Besonders gepflegt wurde diese Mast in und nach dem z. Weltkrieg, vor allem wegen des Speisefettmangels. Die Zahl der zu mästenden Schweine erhöhte sich in jener Zeit um das Dreifache, nämlich auf 378 Stück in 1951. Hausschlachtungen sind nach dieser Zeit fast ganz weggefallen, denn Fett war nun nicht mehr rar und auch preiswert.

Hühner, die in früherer Zeit zu jedem Haus gehörten, sind nur noch vereinzelt zu sehen; 1959 zählte man davon noch 1.261 Stück. Die Pferde als Helfer in der Landwirtschaft und beim Gütertransport - es waren 1948 noch 12 - haben alsbald dem Traktor Platz gemacht. Nur einige Tierliebhaber sehen in der Pferdezucht ein Hobby.

Eine Ausnahme in der vorauf gezeichneten Entwicklung macht die Schafhaltung. Es sind wohl zu aller Zeit Schafherden über die Knotenlandschaft gegangen. Ihre Stückzahl reichte aber nicht an die der späteren Jahre heran; in 1963 zählte man 775 Tiere.

Nach 1950 hat die Selbstversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln weithin aufgehört. Aus den ehemaligen Kleinbauern sind Arbeiter, Angestellte und Gewerbetreibende geworden, die nur noch von dem Entgelt ihrer Arbeit leben.

Ein Opfer der Zeit wurden auch die vier Seemühlen unterhalb des Seeweihers, die ihre Tätigkeit bis zur Mitte des Jahrhunderts eingestellt haben.

Die moderne Technik, die später Eingang in die Landwirtschaft des Fleckens fand, ist den Kleinbauern von Mengerskirchen nur geringfügig zugute gekommen, abgesehen von Traktoren und Mähmaschinen, die in den letzten Jahrzehnten des Kleinbauerntums in einigen dieser Betriebe verwendet wurden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Anzahl der Kleinbetriebe bis 5 ha nach 1971 noch 19 betrug. Gleichzeitig mit dieser Entwicklung kam es zur Bildung von größeren landwirtschaftlichen Betrieben durch Hinzukauf und Pachtung landwirtschaftlicher Nutzfläche. Von den verbleibenden weiteren 16 Betrieben bewirtschafteten 12 zwischen 5 ha und 15 ha und 4 bis 20 ha und mehr.

Nur letztere werden heute als Vollerwerbsstellen angesehen, da sie von der Größe her eine rentable Ausnutzung der landwirtschaftlichen Technik ermöglichen.

Der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe führte zwangsläufig zur Bildung von Brachland, das bereits 1967 ein Drittel der einstmals bewirtschafteten Fläche ausmachte. Manche Gemarkungsteile veröden regelrecht. Hiervon sind Wiesenflächen, auf denen das Vieh in Koppeln weidet, nicht betroffen.

Das Gewerbe

Nach der Zahl und den Bedürfnissen der ansässigen Bewohner entwickelte sich, wie überall, auch in Mengerskirchen das Gewerbe. Nach Aufzeichnungen aus dem Jahre 1861 gab es damals 28 Nagelschmiede, 6 Schuhmacher, 5 Bäcker, 3 Fleischer, 2 Grobschmiede bzw. Schlosser, je zwei Wagner und Maurer, je einen Zimmermann, Schornsteinfeger, Gerber, Färber und Barbier, dazu vier umherziehende Musikanten. Auffällig ist, daß diese Aufzählung keine Schneider enthält, von denen es sicherlich einige gab.

Nach dem z. Weltkrieg setzte mit der sich ausweitenden Industrialisierung und der Verbesserung der Verkehrsverbindungen ein Wandel ein. Schmiede, Wagner und Müller - vier Mühlen standen unterhalb des Seeweihers - waren zum Aufgeben verurteilt, neue Berufe waren erforderlich, wie z. B. Elektriker, Installateure, Kraftfahrzeugmeister. Die örtlichen Lebensmittelgeschäfte haben sich an große Handelsgruppen angeschlossen ( REWE, SPAR, KOMA, VIVO ), um konkurrenzfähig zu sein. Die Bäckereien bieten nicht nur mehr Brot allein an, sondern auch Feingebäck. Die Fleischer haben ihre Umsätze erheblich erhöhen können.

In der Neuordnung der Raumstruktur fällt Mengerskirchen die Bedeutung eines zentralen Ortes zu. Sie wird betont durch den Sitz eines praktischen Arztes, eines Zahnarztes, einer Apotheke (seit 1875), eines praktischen Tierarztes und einer Hebamme. Ein Spiegelbild des modernen Verkehrs sind zwei große Omnibusreiseunternehmen und eine Autoreparaturwerkstätte mit Neuwagenverkauf und Tankstelle. Zu nennen sind auch noch eine Fahrschule und die Geschäftsstelle eines Versicherungsunternehmens. Hauptamtlich besetzte Zweigstellen der Kreissparkasse Weilburg und der Volksbank Weilburg-Wetzlar unterstreichen diese zentrale Bedeutung.

Ton und Basalt waren Grundlage einer bescheidenen Industrie. Die in der Gemarkung gegrabenen Tone sind teilweise hochwertig und für die Herstellung keramischer Produkte geeignet. Rund die Hälfte des gewonnenen Tones geht ins europäische Ausland, teils wird der heimische Ton auch nach Übersee verfrachtet. Basalt, der vor dem ersten Weltkrieg schon zum Bau von Dämmen und Deichen, Hafenanlagen und Molen vor allem in Holland für die Trockenlegung der Zuidersee begehrt war, hat nach einer kurzen Blütezeit in den 50er Jahren seine Bedeutung eingebüßt. Heimatvertriebene Mitbürger gründeten unter schwierigen Umständen eine mechanische Strickerei und ein auswärtiger Unternehmer eine Büromöbelfabrik. Mit diesen Unternehmen, so bedeutsam sie für den Flecken sein mögen, ist das Auspendlerproblem, als eine Eigenart des wirtschaftlich schwach strukturierten Westerwaldes, allerdings noch nicht gelöst.

In den Jahren nach 1950 entwickelte sich der Fremdenverkehr recht günstig. Fünf Häuser im Flecken beherbergten zeitweilig mindestens 50 Feriengäste. Obwohl die Voraussetzungen für dieses Gewerbe gut erscheinen, hat es sich wieder rückläufig entwickelt. Die guten Verkehrsmöglichkeiten, das Klima, die saubere Luft, die Landschaft am Knoten und die ausgedehnten Wälder, wenn diese auch nicht unmittelbar an den Ort heranreichen, bieten vorzügliche Erholungsmöglichkeiten. Auch der nahegelegene Seeweiher ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. ( 1 )

DIE BEVÖLKERUNGSBEWEGUNG

Gemessen an den Orten der näheren Umgebung hatte Mengerskirchen seit langer Zeit eine relativ hohe Bevölkerungszahl. Bereits im Jahre 1825 zählte der Flecken 930 Einwohner. Indessen trat von da an eine gewisse Stagnation ein. Während im Jahre 1875 die Zahl der Einwohner noch bei 976 lag, war in 1885 die Tausendergrenze mit 1020 überschritten. Sie bewegte sich von da an bis 1915 zwischen Tausend und Elfhundert, ging auf 922 in 1925 zurück und stieg bis zum ersten Kriegsjahr 1939 auf 1212 an. Der Anstieg setzte sich in den darauffolgenden Jahren fort, so daß Mengerskirchen in 1967 eine Bevölkerungszahl von 1554 zu verzeichnen hatte. ( 2 ) Diese Entwicklung, die mit Beginn des Krieges einsetzte, hatte spezifische Ursachen. Viele Großstädter gaben damals infolge der Kriegsgeschehnisse, vor allem der Bombenangriffe, ihre Wohnungen auf und zogen auf das Land. Viel größere Bedeutung hatte aber der Zuzug heimatvertriebener Bürger aus dem Sudetenland in 1945. Mengerskirchen hatte 350 von ihnen wohnungsmäßig unterzubringen, was nicht selten mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Wohnungs- und Arbeitsmangel im Flecken veranlaßte viele Neubürger, ihren neuen Wohnsitz wieder zu verlassen und sich anderwärts, vor allem in Bayern, niederzulassen. Es ist noch zu vermerken, daß dem Kriegsgeschehen mehr als 100 Bürger aus Mengerskirchen zum Opfer gefallen waren.

Von besonderem Interesse ist die Tatsache, daß Mengerskirchen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein einen erheblichen Geburtenüberschuß zu verzeichnen hatte. Das kann nachstehende Statistik, welche den Zeitraum von 1875 bis 1965 umfaßt, erhärten. (3)

Jahr Geburten Sterbefälle Geburtensaldo
1885 33 15 + 18
1875 49 27 + 22
1895 31 23 + 8
1905 30 16 + 14
1915 27 13 + 14
1925 23 13 + 10
1935 14 14 ~ 0
1945 23 19 + 4
1955 10 17 - 7
1965 42 14 + 28

Allein in den ersten fünf der angeführten Jahre standen 170 Geburten 90 Sterbefälle gegenüber. Nach dem zweiten Weltkrieg gingen die Geburten allerdings stark zurück und erreichten bei weitem nicht mehr die Zahlen aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Gewiß werden die Zahlen in den Zeiträumen, die zwischen den aufgeführten Jahren liegen, mitunter von diesen abweichen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß in früherer Zeit ein unverhältnismäßig großer Geburtenüberschuß zu verzeichnen war, den der Flecken ernährungsmäßig nicht mehr versorgen konnte. Die Frage, wohin der Bevölkerungsüberschuß abwanderte, ist schon an anderer Stelle beantwortet worden, so daß es hier nur noch eines kurzen diesbezüglichen Hinweises bedarf. Die männliche Jugend ging in das Baugewerbe der industriellen Regionen und wurde dort in großer Zahl seßhaft. Vielfach heirateten sie Mädchen aus Mengerskirchen, die ihnen dann in die Fremde folgten. Auf diese Weise gaben aus einzelnen Familien mitunter drei, fünf und mehr Angehörige die alte Heimat auf. Daneben gingen auch Mädchen, die in städtischen Haushalten beschäftigt waren, in den jeweiligen Städten eine Heirat ein und kehrten nicht mehr in die Heimat zurück.

In anderen Westerwaldbereichen sind vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Familien und auch Einzelpersonen ausgewandert; vor allem nach Nordamerika. Auswanderer gab es in Mengerskirchen auch. Ihre Zahl ist aber, gemessen an der anderer Orte, gering gewesen.

MENGERSKIRCHEN UND DIE ZEIT DER GROSSEN NOT AUF DEM WESTERWALD

Über den Westerwald und seine Bewohner ist in der Vergangenheit recht viel geschrieben und veröffentlicht worden. Darunter findet sich Zutreffendes und manchmal recht Unzutreffendes, was zur Kritik herausfordert. Das bezieht sich vor allem auf ein Buch des Heimatschriftstellers W. H. Riehl, das im Jahre 1851 erschienen ist, in welchem dieser vom Westerwald als dem "nassauischen Sibirien" gesprochen hat. ( 4 )

Es kann zwar nicht bestritten werden, daß die Not in jener Zeit dort groß war. Es stellt sich aber die Frage, ob Riehl als Sohn eines herzoglichen Hofbeamten das rechte Augenmaß für die damalige Situation auf dem Westerwald besaß. Es ist nicht bekannt, daß er etwa die Probleme seinem Landesherren vorgetragen und Erwägungen darüber angestellt hat, was von dieser Seite für die nassauischen Landeskinder im Westerwald getan werden könnte, um der großen Not abzuhelfen. Die Geschichte weiß, daß der herzogliche Hof zu Wiesbaden in jener Zeit ein aufwendiges Leben führte.

Hierzu sagt Lerner: "Der Herzog und seine Familie aber bezogen aus den Erträgen des Domänenvermögens eine Rente, über die nie abgerechnet wurde. Sie dürfte damals jährlich eine halbe Million Gulden betragen haben, was gemessen an den Verhältnissen des Landes enorm genannt werden mußte. Sicherlich hätte man mit einem Teil dieses Geldes für die Entwicklung der nassauischen Wirtschaft vieles erreichen können. Doch schon der Gedanke, das Herzogliche Haus auf eine angemessene Apanage zu beschränken, galt damals als Ketzerei. " ( 5 )

Riehl war Schüler des Weilburger Gymnasiums ( 6 ) , was vermuten läßt, daß ihm eine relativ problemlose Jugend vergönnt war. Offenbar fehlte es ihm auch an Kenntnissen über die Tatsache, daß in jener Zeit als Folge der Industrialisierung und einer unerhörten Bevölkerungsvermehrung in vielen anderen Bereichen Deutschlands diese Not ebenso groß und manchmal vielleicht noch größer war. Kein geringerer als Gerhart Hauptmann berichtet beispielsweise über die Not und das Elend der Weber im schlesischen Eulengebirge in seinen weltberühmten Drama "Die Weber". Hier läßt er eine Webersfrau den Fabrikanten um einen Vorschuß bitten: "Bloß ein paar Groschen, daß wir Brot bekommen. Der Bauer borgt nicht mehr. Man hat ein Häuflein Kinder. " Und der Expedient sagt zu einem unzufriedenen Weber: "Wenn's Euch nicht paßt, Reimann, da braucht Ihr nur ein Wort zu sagen. Weber gibt’s genug, zumal solche, wie Ihr einer seid. " Erschütternd geradezu die Worte einer Webersfrau zu einer Nachbarin, die bei ihr um Brot bettelt: "Für unsereinen wär's am besten, der liebe Gott hätte ein Einsehen und nähm uns von dieser Welt. " Um ein Vielfaches ließen sich derartige Beispiele ergänzen, vor allem aus den Mittelgebirgslandschaften. Und zu diesen zählt der Westerwald.

Die Bevölkerungsvermehrung im 19. Jahrhundert zwang geradezu im Westerwald viele Menschen zur Auswanderung. Hauptziel derselben war Nordamerika. Zwei Beispiele mögen den Umfang dieser Bewegung zeigen. Die 60 Einwohner des Dorfes Sespenrod bei Heilberscheid wanderten im Jahre 1853 geschlossen aus. Etwa um die gleiche Zeit verließen 50 Bewohner von Gusternhain ihre Heimat. ( 7 ) Mengerskirchen war von dieser Bewegung offenbar nicht so stark erfaßt. .Jedenfalls sind keine Umstände bekannt, die darauf schließen lassen, daß von hier viele Menschen auswanderten. Ganz sicher weiß man, daß in den 80er und den späteren Jahren einige Familien und auch Einzelpersonen ihr Glück jenseits des großen Wassers zu machen suchten. So eng der Lebensraum für den einzelnen war, so bot die große Gemarkung fast jeder Familie die Möglichkeit zur Führung einer, wenn meist auch kleinen, Landwirtschaft. Es ist auf den Umstand zu verweisen, daß Mengerskirchen zu jener Zeit ein vielseitiges gewerbliches Leben zu verzeichnen hatte, woran es in den meisten anderen Westerwaldorten fehlte. Diese Umstände enthoben Mengerskirchen nicht jeglicher Not und Entbehrung, aber seine Bevölkerung hatte, gemessen an dem Schicksal der Bewohner anderer Westerwaldorte, im großen und ganzen ein erträgliches Dasein. Es blieb ihr manches von dem erspart, an was Orte schon in der nächsten Umgebung schwer zu tragen hatten. Es sei hier nur auf ein Beispiel im Zusammenhang mit dem sogenannten Landgängertum verwiesen, das an sich ein ehrbares Gewerbe war und von vielen Westerwäldern ausgeübt wurde. Dieses Beispiel bezieht sich auf den sogenannten "Bettelmannshandel" in Rußland. Welker sagt dazu: "Gewissenlose Unternehmer mieteten in armen Westerwalddörfern von noch ärmeren Eltern für billiges Geld 13 bis 14jährige Kinder gegen eine Vergütung von etwa 30 Gulden und ein Paar Schuhe im Jahr. " ( 8 ) Aus Nachbarorten gingen die ersten hungrigen Kinder mit nach Rußland. "Dort musizierten sie, sangen, boten billigen Flitter zum Kauf an und anderes, um so das Betteln zu vertuschen. Sie litten dazu noch unter Entbehrungen und Mißhandlungen der Unternehmer, denen sie verdingt waren. "

Im übrigen hat es in Mengerskirchen einige redliche Landgänger gegeben, welche ihr Gewerbe u. a. in der Schweiz ausübten. Ein Ehepaar hatte seinen geschäftlichen Sitz im schlesischen Hirschberg. Es übte sein Gewerbe dort bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts aus. Es verbrachte jeweils nur einige Wintermonate in der Heimat. Schließlich kehrte es aber für immer nach Mengerskirchen zurück. Der Bürger Grünweller handelte zeitweilig mit selbstgefertigten Holzgraswürfen und Heiligenbildern. Sein Weg führte ihn dabei bis nach Holland.

Indessen nahm in jener Notzeit, wie Dr. Johannes Plenge feststellt, Mengerskirchen durch das Nagelschmiedehandwerk eine Sonderstellung ein. Er sagt dazu: "Früher erklang fast in jedem Haus der kleine Hammer des Schmiedes und Mengerskirchen hatte durch den Verdienst einen Vorsprung vor den anderen Orten. " Letztere hatten teilweise auch Heimgewerbe, die aber nicht die Bedeutung hatten wie das Gewerbe der Nagelschmiede in Mengerskirchen. In Winkels fertigte man Drahtfruchtsiebe und Sensenwürfe; in Waldernbach Rechen, Leitern und Schaufeln. Dort war zeitweise auch die Mattenflechterei verbreitet, die in erheblichem Umfang zu Kinderarbeit führte.

Ein besonderes Kapitel waren die Erntewanderungen. In der Blütezeit derselben - es sind die Jahre nach 1870 - sollen aus Westernohe 30-36, aus Waldernbach 70 Personen ausgezogen sein, die Mädchen um Getreide zu schneiden, die Männer zum Dreschen. "Heute ( 1895 ) mögen aus Elsoff, Mittelhofen, Hundsangen usw. noch etwa 100 Personen, meist ältere Frauen, zur Ernte in die Dörfer bei Wiesbaden und Mainz gehen." (9)

Mengerskirchen hat schon frühzeitig an den Fortschritten der modernen Zivilisation teilgenommen, trotz einer erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Enge seiner Bewohner und einer hohen Bevölkerungszahl im Vergleich zu anderen Orten der Knotenlandschaft und darüber hinaus. Die bedeutendsten diesbezüglichen Maßnahmen wurden in der Zeit von der Jahrhundertwende an bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges in 1914 durchgeführt. An der Spitze steht der Bau einer Wasserleitung, der nach langjähriger Vorbereitung im Jahre 1908 beendet war. Spätere Generationen können nicht ermessen, was es bedeutete, in jedem Wohnhaus eine Wasserleitung zu haben und nicht mehr genötigt zu sein, für Menschen und Vieh das Wasser an einem der wenigen Brunnen des Ortes in Eimern und Kannen holen zu müssen. In einzelnen Häusern befand sich in den Kellern ein "Pitz", vermutlich eine ausgehobene Grube, in der sich das Grundwasser sammelte. Er lieferte etwas Wasser für den Hausbedarf, aber kein Trinkwasser. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß bei dem Bau der Wasserleitung italienische Arbeiter beschäftigt waren, die ihre quartiere bei Mengerskirchener Bürgern hatten. Die Bauarbeiter aus dem Ort gaben der Arbeit in der Fremde den Vorzug vor einer Beschäftigung an dem Bau der Wasserleitung, weil der Lohn draussen höher war und sie lieber Facharbeit als Tiefbauarbeit verrichteten. Im übrigen wurden in jenen Jahren einzelne der italienischen Arbeiter in hiesiger Gegend seßhaft und heirateten deutsche Frauen. Ihre Namen haben heute noch einen guten Klang.

In eine noch frühere Zeit fallen die ersten Meliorationsmaßnahmen (Drainage) in der Gemarkung. Diese beruhen allerdings auf einer Initiative des Landrats in Weilburg. Der Kreislandwirtschaftsinspektor richtete im Jahre 1900 an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden folgendes Schreiben: "Bei den zurückgebliebenen Verhältnissen in der Gemeinde, die weitab von der Bahn auf dem Westerwald liegt und durch schlechten Boden und klimatische Verhältnisse heimgesucht ist, wird die Melioration durch kräftige Unterstützung aus dem Hilfsfonds auf das dringendste empfohlen" (10). Interessant ist allerdings in diesem Zusammenhang, daß sich ein Teil der von der geplanten Melioration betroffenen Grundstückseigentümer gegen die geplante Maßnahme wehrte. Die kleinen Landwirte waren allzu mißtrauisch gegenüber allem, was von "oben" kam. Das wird man nicht zuletzt auf das damalige "Dreiklassenwahlrecht" zurückführen können, das die wirtschaftlich und sozial schwachen Schichten weitgehend von der Mitgestaltung und Mitverantwortung der Gemeinde ausschloß. Dieses Misstrauen war jedoch, soweit es in den vorgenannten Zeitraum geht, offenbar nicht gerechtfertigt, denn die fruchtbarste kommunalpolitische Ära in Mengerskirchen sind die einleitend genannten eineinhalb Jahrzehnte, also eine Zeit, da noch in drei Klassen gewählt wurde.

Im Jahre 1906 faßte die Gemeinde einen weiteren bedeutsamen Beschluß, und zwar hinsichtlich der Konsolidierung der Gemarkung. Auch hierin war Mengerskirchen den weitaus meisten Gemeinden im weiteren und engeren Bereich voraus, zumindest soweit es um den Westerwald geht. Bis zum Jahre 1914 war fast in der Hälfte aller Gemeinden in Hessen-Nassau noch keine Umlegung erfolgt. Allerdings stieß auch diese Planung auf den Widerstand der Kleinbauern, die sie fast geschlossen ablehnte. Die Gründe für dieses Verhalten sind bereits dargelegt. Gewiß konnten damals in einer Gemeinde Entscheidungen getroffen werden, die als ungerecht empfunden wurden. Aber die Konsolidierung war durch die geltende Erbteilung und die damit verbundene ständige Verkleinerung der Grundstücke dringend notwendig. Es sprachen aber auch andere gewichtige Gesichtspunkte dafür. Jedenfalls war sie, wie sich nach der Durchführung herausstellte, ein Segen für die Gemeinde.

Ein wichtiges Element im Rahmen der vorstehend aufgeführten Maßnahmen war aus Gründen der Hygiene die Kanalisation des Ortes. Der Anschluß an das Stromnetz der Main-Kraftwerke erfolgte im Jahre 1923, womit die Bevölkerung wieder einen Schritt weiter auf den Weg der modernen Technik und Zivilisation gebracht wurde. An die Stelle von Petroleum und Kerzenlicht trat das elektrische Licht. Maschinen und Geräte konnten mit Strom angetrieben werden.

DIE BÜRGER, WIE SIE WOHNTEN UND LEBTEN

Mengerskirchen war bis weit in das 17.Jahrhundert ein befestigter Ort mit Ringmauern und Wällen. Davor befanden sich Wassergräben, wie sie noch zu Anfang das 20. Jahrhunderts festgestellt werden konnten. Die Zugänge zum Ort bestanden aus drei mächtigen Toren. Die Wohnhäuser befanden sich innerhalb der Befestigungsanlagen, was naturgemäß zu einer Raumenge führte und die Anlage von Straßen und den Bau von Wohnhäusern und Wirtschaftsgebäuden beeinträchtigte. Dies dürfte sich insbesondere in der Zeit nach dem 30jährigen Krieg mit ihrem starken Bevölkerungszuwachs bemerkbar gemacht haben. So kam es zu der Anlage von engen und winkligen Gassen und Straßen und zum Bau von Wohnhäusern, deren Wohnraum für große Familien völlig unzureichend war. Trotzdem war es aber nicht so, wie Karl Löber nach H. W. Riehl über den Westerwald berichtet, " daß die langen moosbedeckten Strohdächer der 'Lehmhütten' eher für Indianer als für Deutsche bestimmt seien". (11 )

Der Raum um Schloß und Kirche und die Hauptstraße waren großzügiger gestaltet als der übrige Ortsteil. Die Häuser der "kleinen Leute" waren nicht nur als Wohnungen hergerichtet, sondern dienten in ihren Kellergeschossen der Unterbringung von Vieh, das zum jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieb gehörte. Die meisten dieser Häuser glichen sich in Architektur, Größe und Raumeinteilung; sie waren zweistöckig. Es handelte sich vielfach um Reihenhäuser, eng aneinander geschmiegt, vereinzelt getrennt durch einen "Alen" = Durchlaß. Im Erdgeschoß lag der lange schmale Hausflur, "Ern" genannt, der sich nach hinten verbreiterte und meistens als Küche diente, mitunter aber auch die Nagelschmiede beherbergte. Neben dem "Ern" lag die große Stube, die Wohnzwecken diente und in der Regel auch als Elternschlafzimmer, mit einem großen Bett versehen, benutzt wurde.

Zur weiteren Einrichtung gehörte ein Tisch, die lange Holzbank nebst einigen Stühlen, der Ofen, meist auch als Kochgelegenheit dienend und manchmal ein Lehnsessel für ein Großelternteil. An den Wänden hingen das Kruzifix, Heiligenbilder, manchmal auch Fotos. In der Stube wurden die Mahlzeiten eingenommen, dort machten die schulpflichtigen Kinder ihre Hausaufgaben und spielten. Hier stand auch die Wiege. Die Mutter verrichtete in der "Stoo" auch einen Teil ihrer Hausarbeiten, wie Flicken und Stricken. Sie war ein Allzweckraum für die Familie. Ein oder zwei Zimmer im Obergeschoß waren die Schlafräume für die übrigen Familienangehörigen. In der Regel mußten sich zwei Kinder ein Bett teilen, manchmal auch drei. Die Betten bestanden aus einem Holzrahmen mit Bretterboden. Als Bettunterlage diente ein großer, das Bett ausfüllender Strohsack aus grobem Leinen, dessen Inhalt im Laufe des Jahres einige Male erneuert wurde. Die Decken waren aus einem mit Federn gefüllten Stoff, Barchent genannt. Die Bettwäsche war aus käuflich erworbenem Leinen gefertigt, da, von den ersten Jahrzehnten der Berichtszeit abgesehen, in Mengerskirchen kein Flachs mehr angebaut wurde, aus dem die Bevölkerung in früherer Zeit selbst das Leinen herstellte.

In den Häusern, wie sie dargestellt wurden, lebten je nach Kinderzahl bis zu 10 und 12 Personen. Die sanitären Anlagen, soweit überhaupt vorhanden, waren dürftig. Es fehlten auch wegen der Raumenge meist Hausgärten. Als Ersatz für diese diente Gartenland am Ortsrand. Selten waren den Wohnhäusern auch Wirtschaftsgebäude angeschlossen. Deshalb mußten die benötigten 40 Scheunen am Ortsrand errichtet werden. Bis zu vier Kleinbauern teilten sich mitunter eine solche Scheune, die zum Teil schon vor Jahrhunderten erbaut worden waren.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dürfte es in Mengerskirchen nur eine geringe Bautätigkeit gegeben haben. Die Errichtung von Wohnhäusern außerhalb der Ringmauern erhielt, so scheint es, Impulse durch den Bau der sogenannten "Freiheitshäuschen" auf dem Damm. Hierzu soll es im Rahmen der Revolution in 184849 gekommen sein. Der Landesfürst habe, so heißt es, das Bauholz dazu geliefert. Diese Häuser waren meist einstöckig und besaßen neben dem "Ern" nur eine größere Stube und allenfalls noch ein Schlafgemach auf dem Speicher.

Im Rahmen der Konsolidierung während der letzten Jahre vor dem ersten Weltkrieg kam es zu einer entscheidenden Ausdehnung des Wohngebietes infolge von elf neuen "Durchlässen" durch den Ring, der den Ortskern umschloß. Allerdings waren Wohnhäuser außerhalb der Ringmauern schon in früherer Zeit gebaut worden. Diese Bautätigkeit beschränkte sich aber in der Hauptsache auf die Bebauung der Hauptstraße in Richtung Waldernbach.

Der mit der Industrialisierung verbundene wirtschaftliche und soziale Aufstieg brachte auch für die Bevölkerung des Fleckens eine Verbesserung ihrer Lage, die sich auch auf das Wohnen auswirkte. Gerade auf diesem Gebiet war nach dem Jahre 1945 eine erstaunliche Entwicklung zu verzeichnen. In etwa 20 Jahren kam es im Flecken zu einer umfangreichen Neubautätigkeit. Neue Wohnviertel entstanden mit modernen großräumigen Häusern und mit entsprechenden sanitären Anlagen und Zentralheizung. Diese Entwicklung wurde einmal bestimmt durch die guten Einkommensverhältnisse der Arbeitnehmer in jener Zeit und zum anderen durch die Tatsache, daß Baugebiete in der Gemeinde erschlossen wurden, deren Eigentümer die Domäne war. Noch stärker ins Gewicht fiel die Tatsache, daß, wie auch schon in früherer Zeit, die Mehrheit der Arbeitnehmer von Mengerskirchen im Baugewerbe beschäftigt war. Die gegenüber der Vergangenheit stark verkürzte Arbeitszeit und die tägliche Heimkehr der Bauarbeiter vom Arbeitsplatz ermöglichte es ihnen, die Wohnhäuser im wesentlichen Umfang durch Selbsthilfe zu errichten. Das galt in der Regel für die Erstellung des Rohbaus. Zur Selbsthilfe kam noch die Unterstützung der Verwandten und Kollegen. Zur Verfügung stehende öffentliche Mittel für den Wohnungsbau wurden in jener Zeit bei weitem nicht von allen in Anspruch genommen.

Der Umfang des Wohnungsbaus jener Zeit ist statistisch nicht erfaßt. Man wird aber davon ausgehen können, daß sich das Wohnvolumen gegenüber früher mindestens verdreifacht hat.

Wichtigstes Nahrungsmittel war die Kartoffel. Sie wurde im Haushalt vielseitig verwendet; als Salz-, Brat- und Pellkartoffel, zum Kartoffelsalat und Gemüse, zu Suppen, Reibe- und Topfkuchen, für Klöße u. a. Bei den Mittag- und Abendmahlzeiten wurden in der Regel Kartoffeln verwandt, soweit Gemüse vorhanden war, mit einer Gemüsezugabe. Nicht oft gab es Fleisch oder Wurst dazu. Mit diesen Lebensmitteln ging man selbst nach einer Hausschlachtung sparsam um, denn das Fleisch eines Schweines reichte kaum über eine längere Zeit. Äußerste Sparsamkeit übten die Mütter beim Fett- und Schinkenverbrauch, um bis ins Frühjahr oder gar in den Frühsommer noch etwas von diesen Kostbarkeiten zu erhalten. Der magere geräucherte Speck war besonders wertvoll, wenn im Frühjahr in den großen Pfannen frische Eier aus dem eigenen Hühnerstall gebacken wurden; übrigens eine Westerwälder Spezialität. Es wurde Speck vorgeröstet, Eier mit Milch und Mehl verrührt zugegeben. Vier oder auch drei Eier mußten mitunter für acht oder auch mehr "Tischgenossen" reichen. Abends gab es Pellkartoffeln mit Mager- oder entrahmter Sauermilch, auch mal "Quetschehoink" (Latwerge) oder zwei Heringe, die zerkleinert mit einer Soße zubereitet wurden. Die Pellkartoffeln, in einem großen gußeisernen Topf gekocht, wurden über den Tisch ausgeschüttet und von den einzelnen gepellt. Meist blieb eine kleinere oder auch größere Anzahl der Kartoffeln übrig, die am anderen Morgen entweder in einer Bratpfanne mit Fett oder auf der Herdplatte geröstet und zum Frühstück gegessen wurden.

Das Brot backte man selbst. Hierfür stand ein großer Holztrog (Mouhl) zur Verfügung, der den Teig von 70 bis 80 Pfund Mehl faßte. Zum Anrühren des Teiges gehörte der Sauerteig, der von Haus zu Haus ausgeliehen wurde. Das Backen erfolgte im Backhaus (Backes), von denen drei zur Verfügung standen. Der Backofen war ein großflächiger gewölbter Hohlraum aus Sandstein von niedriger Höhe, der durch eine Eisentür verschlossen wurde. Der Backvorgang wurde mit dem Erhitzen des Ofens eingeleitet. Das Holz hierzu, das zumeist von Kindern im Wald gesammelt wurde, stellte jeweils der Haushalt, der backen wollte. Die Teiglaibe wurden zu einem vereinbarten Termin auf großen Holztafeln (Boith) von den Frauen auf dem Kopf in das Backhaus getragen. In der Regel gehörten zu den 20 bis 25 großen Brotlaiben auch noch aus Teigresten hergestellte dünne Brote, die man "Dinne Kouche" nannte und mit Vorliebe in frischem Zustand verzehrte. Der Bäcker erhielt für seine Mühewaltung 25 Pfennig. Ein "Geback" reichte, je nach Familienzahl, für 10 bis 14 Tage. Die letzten Stücke aßen die Kinder infolge der langen Lagerung höchst ungern. War das Brot einmal vorzeitig ausgegangen, so mußte solches zur Freude der Kinder beim Bäcker gekauft werden. Sorge bereitete manchem Kleinbauern mitunter die Frage, ob das Getreide auch bis zur nächsten Ernte reicht.

Bis auf die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hat die Eigenversorgung mit Kleidung und Wäsche kaum noch eine Rolle gespielt. Allenfalls erfolgte in Kriegszeiten das Spinnen von Wolle. Die Versorgung in diesem Bereich erfolgte über den Handel. Hierbei galt natürlich große Sparsamkeit, denn Bargeld war rar. Das fing beim Kleinkind an, dessen Windeln meist aus zerschlissener Wäsche bestanden. Deshalb nannte man die Windeln auch "Lumpen". Kinderwäsche schneiderte man nach Möglichkeit selbst, Unterwäsche, außer Hemden, wurde nur im Winter zum Schutz gegen die Kälte getragen. Zeitweilig liefen die kleinen Jungen, wenn sie in der "Hygiene" noch nicht perfekt waren, in Röckchen herum, weil dies arbeitssparend war. Später trugen sie Hosen aus festem groben Stoff, die, ebenso wie die Jacken, vom Dorfschneider angefertigt waren. Die Bekleidung der Mädchen schneiderte man entweder selbst, ließ sie von einer der Ortsnäherinnen anfertigen oder erstand sie käuflich. Die Kinder trugen selbstgestrickte lange Wollstrümpfe. Kindermäntel kannte man bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts nicht; im Winter wurden sie durch wollene Unterkleidung ersetzt. Das Schuhwerk bestand noch bis in die Zeit des ersten Weltkrieges hinein aus rindsledernen, vom Schuhmacher angefertigten und mit Nägeln beschlagenen Schuhen. Die ersten "Sonntagsschuhe" und den ersten kompletten Anzug gab es in der Regel zur Erstkommunion, die in früherer Zeit im 13. oder 14. Lebensjahr gefeiert wurde.

Die Kleider der Erwachsenen hatten einen ähnlich bescheidenen Charakter wie die der Kinder und waren meist Produkte der örtlichen Schneider und Näherinnen. Die in früherer Zeit üblichen Westerwälder Trachten wurden nur noch in vereinfachter Form von den Frauen getragen. Dazu gehörten Rock, Jacke und ein Kopftuch. Am längsten hielt sich bei den Männern der blaue Leinenkittel, der vereinzelt noch zu Beginn dieses Jahrhunderts bei dem Besuch von Märkten getragen wurde. Im Laufe der Zeit änderten sich die Verhältnisse in bezug auf die Kleidung durch den Einfluß derjenigen, die in den Städten arbeiteten und städtische Kleidungssitten in ihren Heimatort brachten.

Das Leben der Bürger von Mengerskirchen war geprägt von den beschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich besonders auf diejenigen auswirkten, welche in Armut und Not gerieten. Zwei Vorgänge aus der länger zurückliegenden Zeit mögen dies verdeutlichen. Im ersten handelt es sich um die zu unterstützenden Armen der Gemeinde. Aus den "Auszahlungslisten für die unterstützten Armen der Gemeinde Mengerskirchen aus dem Jahre 1868" ( 12) ergibt sich, daß die Unterstützung für die einzelnen Empfänger zwischen einem und drei Gulden monatlich lag. Vermutlich richtete sich die Höhe nach dem Familienstand des Unterstützungsempfängers. Aufschlußreich ist auch die Tatsache, daß von den 18 Empfangsbestätigungen vier mit drei Kreuzzeichen versehen waren. Dabei handelt es sich um schreibunkundige ältere Analphabeten, die keine Schule besucht hatten. Das läßt darauf schließen, daß es in ihrer Jugend noch keine Schulpflicht gab. Unter den 18 Armen befanden sich 14 Frauen, davon 5 Witwen. Als Vergleichsmaßstab für die Höhe der Unterstützung mag das damalige Gehalt eines Lehrers dienen, das vierteljährlich 85 Gulden betrug und gewiß nicht als unangemessen hoch bezeichnet werden kann.

Die Gemeinde trug auch für Arme, die in ein Krankenhaus eingewiesen werden mußten, die Kosten für den Aufenthalt und die Arzthonorare. Der zweite Vorgang betrifft die Versorgung von Waisenkindern. Ihr liegt folgender Vertrag zugrunde:

Vertrag zwischen dem „Gemeinderath“ von Mengerskirchen und dem Uhrmacher Joseph Broghammer von Dillhausen vom 24. November 1884

  1. Joseph Broghammer übernimmt die drei Kinder des verstorbenen Johann Joseph Simon von Mengerskirchen in Kost und Pflege.
  2. Derselbe verpflichtet sich, die Kinder mit den nöthigen Nahrungsmitteln zu versorgen, die nötigen Kleider zu stellen, für ein gutes Nachtlager zu sorgen, überhaupt für eine gute Verpflegung Sorge zu tragen.
  3. Der Vertrag beginnt mit dem 1. Dezember 1884 und dauert auf unbestimmte Zeit.
  4. Dagegen verpflichtet sich der "Gemeinderath" dem Verpfleger Joseph Broghammer eine jährliche Summe von 80 Mark als Entschädigung aus der Gemeindekasse zu zahlen. (13)

Durch die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, gerade nach dem ersten Weltkrieg, trat, wenn man von der Wirtschaftskrise um die 30er Jahre und den noch lange spürbaren Kriegsfolgen absieht, eine entscheidende Wende ein. Insbesondere hob sich das wirtschaftliche und soziale Niveau vom Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an in bemerkenswertem Umfang. Mit dem Übergang vieler Kleinbauern in die gewerbliche Wirtschaft änderten sich deren Einkommensverhältnisse. Durch die Sozialgesetzgebung, die nun für die meisten Bürger galt, trat auch eine soziale Absicherung des einzelnen für die Wechselfälle des Lebens ein.

KRIEGSZEITEN

I. Weltkrieg

Zweimal stand Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Krieg mit Nachbarländern und vielen Ländern in der ganzen Welt. Bei diesen Weltkriegen handelt es sich um Ereignisse, wie sie die Menschheit bis dahin nicht erlebt hatte. Auch Mengerskirchen und seine Bevölkerung wurden von dem Kriegsgeschehen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Als der erste dieser Kriege Anfang August des Jahres 1914 begann, mußten sich viele Mitbürger dem Kriegsdienst stellen. Andere waren noch in der militärischen Ausbildung und kamen von dort direkt an die Front. Insgesamt waren bis zu 200 Männer aus Mengerskirchen im Alter von 17 bis annähernd 50 Jahren während des mehr als vier Jahre währenden Krieges Soldat gewesen. 56 von ihnen sahen die Heimat und ihre Angehörigen nicht wieder. Unter ihnen waren Familienväter und einzige Söhne von Familien. So auch Josef Schüßler, der Frau und sechs Kinder hinterließ und dessen einziger verheirateter Bruder ebenfalls fiel. Tragisch war auch der Tod eines Soldaten, der kurz vor Ausbruch des Krieges zwei Brüder durch einen Arbeitsunfall beim Absturz an einem Kaminbau verloren hatte. Mancher der Soldaten geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er erst spät nach Kriegsende entlassen wurde. Andere erlitten durch Verwundung schwere Körperschäden und trugen das ganze Leben daran.

Vor diesem Hintergrund des Krieges verblaßten Not und Entbehrung in der Heimat. Andererseits dient es der Vollständigkeit, auch andere Vorgänge, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Krieg standen, hier in Kürze darzulegen. Deutschland war auf diesen Krieg nicht vorbereitet, wie sich bald herausstellen sollte. Das bezieht sich vor allem auf die Lebensmittelversorgung. Nach kaum einem Kriegsjahr trat schon eine Verknappung der Nahrungsmittel ein, was nicht nur zu ihrer Rationierung, sondern auch zu erheblichen Preissteigerungen führte. Dasselbe zeigte sich auch in anderen Bereichen des täglichen Bedarfs, wie bei Schuhen und Bekleidung. Um eine einigermaßen geordnete, wenngleich auch unzulängliche Versorgung der Bevölkerung zu sichern, wurden im März des Jahres 1915 Brotkarten eingeführt mit einem Bezugsrecht von 2 kg Brot in der Woche mit Zusatzrationen für Schwerstarbeiter und Jugendliche. Die Milchkarten im Oberlahnkreis für Dezember 1917 berechtigten zu dem Bezug von 1/4 l Vollmilch täglich für Erwachsene. Jugendliche erhielten 1/2 und Kleinstkinder 3/4 Liter. Die Zuckerration betrug für alle monatlich 750 Gramm. Die Zuteilungsrationen änderten sich im Laufe der Kriegsjahre mehrmals. So wurde im April 1917 die tägliche Brotration von 200 auf 170 Gr herabgesetzt. Die Kartoffelration betrug 5 Pfund und die des Fleisches 500 Gr in der Woche. Im August erhöhte sich die Brotration wieder auf 200 Gr täglich und die des Fleisches sank auf 250 Gr wöchentlich. (14 ) Mit der Brotkarte kam auch ein Kuchenbackverbot, an das sich die Erstkommunikanten des Jahres 1915 noch lange erinnerten. Die Menge der zugeteilten Lebensmittel reichte für einen Normalverbraucher nicht aus. Daher bemühte sich die Bevölkerung, auf gesetzlich unzulässige Weise zusätzlich Lebensmittel zu erlangen. Dies hinwiederum hatte Preissteigerungen zur Folge, der man durch die Festsetzung von Höchstpreisen zu begegnen suchte.

Preise für Lebens- und Bedarfsmittel (in Mark)

Marktpreise 1914 

Markt- bzw. Höchstpreise 1916/17

Rindfleisch

- , 90

2, 20

Schweinefleisch

- , 80

2,-

Schmalz

- , 80

3, 30

Butter

1,10

2,70

Salatöl

1,20

16, - bis 20,-

Petroleum

- , 22

- , 32

Eier

- , 06

- , 40

Roggen, Ztr.

8,-

14,-

Weizenmehl

- , 17

- , 30

Milch

- , 14

- , 28

Wolle (Strang)

3,-

20,-

Bohnenkaffee und Seife
nicht mehr erhältlich

   

Herrenschuhsohlen

3,-

6, 50
In Leder kaum mehr erhältlich

Diese Höchstpreise lagen bereits wesentlich höher als die Preise vor Kriegsausbruch. Besonders schlimm war die Entwicklung bei nicht gebundenen Preisen. Ein Zeitgenosse weiß noch, daß ein Pfund Wagenschmiere erheblich mehr kostete als ein Pfund Butter.

Die Versorgung der Bevölkerung mit Kleidern und Schuhwerk, die ebenfalls bewirtschaftet waren, war ebenso unzureichend. Das Leder wurde knapp und vielfach traten Holzsohlen an die Stelle von Ledersohlen. Vereinzelt wurden auch die sogenannten "Holzpantinen" getragen. Es gab damals auch Kleidungsstücke und andere Gegenstände, die aus Papiergewebe hergestellt waren. Manche Waren gab es überhaupt nicht mehr oder ganz selten. Die Raucher litten besonders unter dem Tabakmangel. Eine Sorte gab es unter der Bezeichnung "Eigenbau". Man beschaffte sich Tabakpflanzen und pflanzte sie in den Garten. Nach der Ernte wurden Stiele und Blätter getrocknet und in die Pfeife gestopft. Der Rauch war eine Qual für die Umgebung und ein zweifelhafter Genuß für die Raucher. Ein weiterer Ersatz für das kostbare "Kraut" waren getrockneter Waldmeister, Huflattich, Himbeer- und Brombeerblätter und ähnliches.

Die Bürger von Mengerskirchen waren nicht in dem Umfang von der Lebensmittelknappheit betroffen wie die Menschen in den Städten, weil die meisten Haushaltungen mit einer kleineren oder größeren Landwirtschaft verbunden waren. Aber nicht immer reichte das, was ein kleiner Betrieb hergab, für die meist großen Familien aus. Hinzu kam noch die Ablieferungspflicht von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die den eigenen Versorgungsspielraum einengte. Das Getreide wurde nur auf Mahlschein zu Mehl gemahlen, und zwar galt das nur für Selbstversorger. Für jedes Haushaltsmitglied waren monatlich 9 kg Roggen zur Vermahlung freigegeben. Mitunter versuchten vor allem die Kleinbauern sich der Ablieferungspflicht zu entziehen, um eine ausreichende Versorgung der eigenen Familie zu sichern. Bei Viehzählungen wurde Vieh im Wald und sogar in der Wohnung versteckt. Man vergrub Kartoffeln und lagerte Getreide in Verstecken. Verstöße gegen die Rationierungsvorschriften wurden streng geahndet. So wurde beispielsweise der Vater einer großen Familie, darunter einige Söhne mit gutem Appetit, zu drei Tagen Gefängnis verurteilt, weil er versucht hatte, Getreide ohne Mahlschein mahlen zu lassen. Die Haftstrafe verbüßte er im damaligen Gerichtsgefängnis in Weilburg.

Ein großer Mangel bestand im Flecken an Speiseöl und Fett. Es war deshalb die gute Bucheckernernte im Jahre 1917 ein wahrer Segen. Fast alle, die Zeit und Gelegenheit hatten, sammelten damals die kostbaren Kerne, um Öl daraus schlagen zu lassen. Das Sammeln war eine mühsame Arbeit, denn es sollen auf ein Pfund mehr als 1500 Kerne gegangen sein. Etwa zehn Pfund ergaben einen Liter wertvolles Öl. Durch Rapsanbau suchte man auch der Ölnot zu entgehen. Öl war vielseitig verwendbar, man brauchte es damals sogar für die Öllampen, die wegen des Mangels an Petroleum im Gebrauch waren wie die Karbidlampen.

Der Mangel an Textilien und Wolle führte zum Anbau von Flachs. Wolle, die von den Schafen der Mengerskirchener Herde stammte, wurde an Spinnrädern längst vergangener Zeiten gesponnen.

Mängel und Mißstände zeigten sich unter diesen Umständen auch auf vielen anderen Gebieten. Es entwickelte sich der Schwarzhandel und damit Wucherpreise für Gegenstände des täglichen Bedarfs. Im Jahre 1917 kostete auf dem Schwarzmarkt ein Pfund Butter 5,-  bis 8,-  Mark, der Zentner Kartoffeln 10,-  Mark und mehr und das Pfund Schweinefleisch 5,-  bis 6,-  Mark. Dem Mangel an Pferdefutter suchte man damit zu begegnen, daß man die Schulkinder Grünlaub sammeln ließ, das getrocknet, gemahlen und mit Zugabe anderer Nährstoffe zu Futterkuchen gepreßt wurde. Für diesen Zweck hatte man in Mengerskirchen eigens eine Preßanlage aufgestellt, die auch für die umliegenden Orte eingesetzt war.

Das Pferdefutter wurde schon 1915 rationiert. So erhielt ein Pferd bei der Limburger Post, die damals Postgut noch mit Pferdegespann beförderte, laut Verordnung täglich 1/2 kg Hafer, 1/2 kg Zuckerfutter (Zucker mit Torfmehl vergällt), 1/2 kg Mais und bis zu 312 kg Stroh (Häcksel) und getrocknete Zuckerrübenschnitzel. Als organischer Nährstoff wurden 50 Gr Kalk zugeführt. (15 )

Auch das Schulwesen litt unter den Kriegsereignissen, da zwei Lehrer zum Kriegsdienst eingezogen wurden und der Unterricht nicht mehr in vollem Umfang durchzuführen war. Außerdem wurden Schulkinder in größerem Umfang als früher zu Feld- und Erntearbeiten herangezogen. Hier hinzu kam noch das Sammeln von Altmaterial, Brennesseln, Eicheln und Bucheckern durch die älteren schulpflichtigen Kinder. Die Eicheln galten zudem als beliebtes Schweinefutter.

Während der Kriegsjahre waren auch französische Kriegsgefangene unter Aufsicht eines Wachmannes in Mengerskirchen untergebracht, die bei Bauern in der Landwirtschaft arbeiteten. Als Unterkunft diente der kleine Saal einer Gastwirtschaft, vor deren Fenster Stacheldraht angebracht war, der die Gefangenen an einer Flucht hindern sollte. Während die Franzosen kaum die Kirche besuchten, kamen damals irische Kriegsgefangene aus Arborn regelmäßig zum sonntäglichen Gottesdienst und nahmen sogar an der Fronleichnamsprozession teil. Spannungen zwischen Kriegsgefangenen und der Bevölkerung von Mengerskirchen sind nicht bekanntgeworden.

Im November 1918 endete der Krieg. Die Soldaten kehrten in die Heimat zurück, soweit sie nicht in der Gefangenschaft zurückgehalten wurden.

Die materielle Not in bezug auf die Ernährung, Bekleidung usw., die auch nach Kriegsende noch bestand, wurde hingenommen, wenn sie auch noch so sehr drückte. Aus den Uniformen der zurückgekehrten Soldaten fertigte man Zivilkleidung und aus Wolldecken Mäntel für Frauen und Mädchen. Die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten waren zunächst gering, so daß sich die Nagelschmiede wieder ihrem Gewerbe zuwandten und sich damit über Wasser halten konnten. Die in dieser Zeit einsetzende Inflation ließ die Menschen jedoch nicht zur Ruhe kommen. Allenthalben blühte der Schwarzhandel, der zu unerschwinglichen Preisen in allen Bereichen führte. Der Geldwert sank von Tag zu Tag. Es setzte eine Inflation ein, wie sie die zivilisierte Welt bis dahin noch nicht erlebt hatte. Während die Reichsbank am 2. Dezember 1922 noch Geldscheine über 5. 000,-  Mark ausgab, erschien am 2. Mai 1923 eine Reichsbanknote über 50. 000,-  Mark und am 1. September 1923 eine solche über 500 Millionen Mark und kurz darauf erschienen Billionen Markscheine. Für die Herstellung des Papiergeldes arbeiteten im Sommer 1923 33 Druckereien und 30 Papierfabriken. Diese Entwicklung führte zu einer vollständigen Entwertung des Geldes. Welche Auswirkungen die Inflation hatte, mögen folgende Angaben verdeutlichen: Vor der Währungsreform im November 1923 kostete ein Pfund Brot 260 Milliarden, ein Pfund Butter 6 Billionen, ein Ei 80 Milliarden, ein Pfund Bohnenkaffee 5 Billionen Mark.

"Gleichzeitig begann die Flucht in den Naturalaustausch. Bauern ließen sich Kartoffeln mit Wäschegarnituren bezahlen, Zahnärzte Prothesen mit Brücken und Teppichen, Kohlehändler Briketts mit Autoreifen.“ (16) Am 15. November wurde die alte Reichsmark durch die Rentenmark ersetzt, was wieder zu geordneten Verhältnissen im Geldwesen führte. Nach der Währungsreform betrug der Preis für ein Pfund Brot 22 Pfennige und für ein Pfund Butter 2, 20 Rentenmark. ( 17 )

Durch die Inflation hatten vor allem die Sparer Schaden genommen. Die Zahl derselben wird in Mengerskirchen nicht allzu groß gewesen sein. Andererseits werden auch eine Anzahl Nutzen aus der Inflation gezogen haben, und zwar diejenigen, die größere Geldschulden aus der Zeit vor dem Krieg hatten und diese mit dem entwerteten Geld begleichen konnten. Vereinzelt suchten auch Bürger, welche die Entwicklung rechtzeitig erkannten, sich in den Besitz von Sachwerten zu bringen. So kaufte ein Nichtlandwirt Grundstücke jeglicher Qualität und in jeder erreichbaren Menge auf. Aus dieser Handlungsweise profitierten seine Nachkommen noch im Jahre 1973 in beachtlichem Umfang, als sie eines dieser Grundstücke, das beim Erwerb keinen besonderen Wert besaß, als Baugelände zu hohem Preis verkauften.

II. Weltkrieg

Im September 1939 begann der zweite Weltkrieg, den die Partei Adolf Hitlers entfacht hatte. Das Kriegsgeschehen übertraf an Not und Grausamkeit bei weitem das des ersten Weltkrieges. Zahlreicher als in diesem mußten Bürger aus Mengerskirchen Soldat werden, darunter viele, die am ersten Weltkrieg aktiv teilgenommen hatten, über 50jährige und Jugendliche. Über hundert von ihnen sind gefallen. Viele wurden schwer verwundet oder gerieten in Kriegsgefangenschaft, aus der sie teilweise erst nach Jahren zurückkehrten. Ein besonderer Vorgang war der, daß gegen Ende des Krieges, als sich der militärische Zusammenbruch Deutschlands schon deutlich abzeichnete, Männer im Albis zu 60 Jahren auch in Mengerskirchen noch zum Einsatz an die Front, die bereits auf deutschem Boden war, gebracht werden sollten. Weiter als bis Weilburg kamen sie jedoch nicht; dort entfernten sie sich von ihrem Truppenteil und kamen auf Feld- und Waldwegen wohlbehalten nach Mengerskirchen zurück. Drei über 50 Jahre alte Männer, und zwar Karl Schüssler, Wilhelm Seck und Christian Strieder, mußten als Soldaten fern der Heimat sterben.

Der zweite Weltkrieg war ebenso wie der erste durch Mangel an lebensnotwendigen Gütern gekennzeichnet. Gleich nach seinem Ausbruch wurde die Lebensmittelrationierung und das Bezugsscheinwesen für Kleider, Schuhe und andere Bedarfsgegenstände eingeführt. Man war auf den Krieg besser vorbereitet als 1914. Alsbald setzte, wenn auch zunächst nicht in großem Umfang, der Bombenkrieg ein, was Bewohner der Großstädte veranlaßte, sich in ländlichen Gebieten, und so auch in Mengerskirchen, einzuquartieren. Es waren vorwiegend Verwandte und Bekannte, ältere Leute oder alleinstehende Frauen mit Kindern. In den letzten Kriegsjahren erreichten die feindlichen Bomber auch den Westerwald. Wenn sie auch dort keine großangelegten Bombenangriffe ausführten, so verursachten sie doch Angst und Schrecken. Vereinzelt fielen in der näheren Umgebung von Mengerskirchen auch Bomben, so eine Luftmine im Wald in der Nähe der früheren Viehtränke. Sie zerstörte an der Stelle, an der sie niederging, den Baumbestand. Der Luftdruck, der bei der Explosion entstand, zertrümmerte in Mengerskirchen Fensterscheiben. Über ein gräßliches Geschehnis, das sich Ende November 1943 ereignete, berichtete ein Zeitgenosse: "Von einem von der Flak (Flugabwehrkanonen) in Brand geschossenen englischen Bomber, der wie eine grausige Fackel über unsere Dörfer hinwegrauschte, fielen, ehe er zwischen Mengerskirchen und Winkels zu Boden stürzte, mehrere Bomben auf den Ortsrand von Winkels, die drei Einwohner töteten und viel materiellen Schaden im Dorf verursachten. Zwei Kanadier von der Flugzeugbesatzung, die sich durch Absprung mit dem Fallschirm retten wollten, kamen bei Probbach zu Tode, weil sich der Fallschirm nicht mehr rechtzeitig öffnete. " Sie wurden auf dem Ortsfriedhof beigesetzt. Die Leichname dieser Soldaten überführte man nach dem Krieg auf einen Soldatenfriedhof.

Unmittelbare Opfer des Bombenkrieges wurden auch zwei Frauen aus Mengerskirchen. Magdalena Baum, die in einem Limburger Haushalt beschäftigt war, kam bei einem Fliegerangriff ums Leben. In Hamburg starb durch Bomben die dort lebende und ein Kind erwartende Margareta Wicharz, geb. Schermuly und ihr dreijähriger Sohn. Ihr Mann, der ebenfalls aus Mengerskirchen stammte, war in dieser Zeit als Frontsoldat auf der Krim. Im Wald von Waldernbach, in der Nähe des Hildegardishofes, damals für die Unterbringung einer Frankfurter Schule beschlagnahmt, stürzte ein amerikanisches Flugzeug ab und im "Roth" fielen Bomben, die vermutlich der nahegelegenen Festhalle galten, die durch die Unterbringung der Unteroffiziersschule ein militärisches Ziel war.

Vereinzelt kam es in dieser Zeit zu Störungen des Gottesdienstes und des Schulunterrichtes bei Fliegeralarm und durch herannahende feindliche Flugzeuge. Besonders gefürchtet waren die sogenannten Jabos (Jagdbomber), die in den letzten Kriegstagen auch im Bereich von Mengerskirchen erschienen und im Tiefflug einzelne Personen und Fahrzeuge unter Beschuß nahmen. Die Kinder, die im Freien spielten, und die auf dem Feld arbeitenden Menschen flüchteten vor ihnen und suchten Schutz unter Bäumen und Hecken, um nicht von der Besatzung der Flugzeuge gesehen zu werden. Brennende und ausgebrannte Militärfahrzeuge standen auf den Zugangsstraßen von Mengerskirchen.

Schnell neigte sich der Krieg nun seinem Ende zu. Im Februar/März 1945 kamen die ersten Einheiten der deutschen Armee, die sich auf dem Rückzug befand, durch Mengerskirchen oder quartierten sich hier ein. Ihnen folgten mit Beginn der Karwoche flüchtige oder versprengte deutsche Soldaten - hungrig und müde, mit zerfetzter Kleidung. Gleichzeitig sah man auch "Helden" in brauner Uniform, die als erste das Weite vor den heranrückenden Amerikanern suchten, deren Panzer und Lastwagen, letztere zum Teil mit deutschen Kriegsgefangenen beladen, dann am 26. März von Elsoff kommend in den Ort in Richtung Arborn rollten. Viele sahen darin neben dem Kriegsende auch einen Akt der Befreiung von Willkür und Zwangsherrschaft. Die Häuser waren zum großen Teil mit weißen Fahnen und Tüchern versehen, womit vor allein zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die Menschen die Fortführung des Krieges nicht mehr wollten. Die amerikanische Besatzung, die vorübergehend in Mengerskirchen stationiert war, zeigte sich gegenüber der Bevölkerung sehr mißtrauisch. Offenbar waren für sie alle Deutschen "Nazis". Die Amerikaner führten Haussuchungen nach Waffen und flüchtigen Soldaten durch und erließen Ausgehverbote.

Ein einheimischer Soldat, der sich in diesen Tagen in seinem Elternhaus aufhielt, entzog sich der Gefangennahme dadurch, daß er sich während einer Haussuchung in der Futterkrippe im Viehstall versteckte. Auffällig und fast spaßhaft war der Bedarf der Besatzungssoldaten an frischen Hühnereiern. Sie gingen jedem Hühnergegacker nach, um in den Besitz von Eiern zu kommen. Andere deutsche Lebensmittelverschmähten sie und bei Entnahme von Trinkwasser mußte erst ein Deutscher davon trinken, um sicher zu sein, daß es nicht vergiftet war. Eine Besatzungsanordnung forderte die Abgabe aller Waffen und optischer Geräte, wie Fotoapparate und Ferngläser.

Das Ausgehverbot kostete zwei älteren Mengerskirchener Männern das Leben. Der Landwirt Josef Schaaf wurde bei der Feldarbeit angeschossen und starb einige Tage später im Krankenhaus und Ferdinand Becker erhielt auf dem Weg von der Haustüre bis zur nahegelegenen Stallung einen tödlichen Schuß. Die Sicherheit der amerikanischen Soldaten erforderte sicherlich nicht die Erschießung der beiden Männer. Andererseits haben diese das Ausgehverbot bedauerlicherweise nicht genügend ernst genommen. Wie dem auch sei, der tragische Tod der beiden Mitbürger war noch ein Tribut an die von den Machthabern nach 1933 heraufbeschworene Zeit.

In der ehemaligen Festhalle in Mengerskirchen befand sich bis in die Kriegszeit hinein das Reichsarbeitsdienstlager, das auch einer später hierher verlegten Unteroffiziersschule zu Lagerzwecken diente. Hier befanden sich erhebliche Vorräte an Lebensmitteln, Kleidungsstücken, Schuhwerk und der verschiedensten Gebrauchsgegenstände. Die Unteroffiziersschule hatte ihren Standort in Mengerskirchen schon Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen aufgegeben. Auch in einzelnen Scheunen lagerten Lebensmittel und andere Versorgungsgüter, die von den deutschen Truppenteilen zurückgelassen worden waren. Die Bürger betrachteten das vorbezeichnete Gut als herrenlos und eigneten es sich an. In normalen Zeiten hätte man ein solches Tun als Plünderung bezeichnet. Dieser Gedanke ist aber keinem der Beteiligten, und dazu gehörten wohl die meisten Mengerskirchener, gekommen. Jeder konnte in der damaligen Notzeit alles gebrauchen. Allerdings schnitten bei der "Aktion" die wenigen in Mengerskirchen anwesenden Männer am besten ab. Einer, der seine "Beute" in Säcken nach Hause schleppte, soll gesagt haben, er besitze so viel, daß es ihm für sein Leben reiche. Das war allerdings, wie sich schnell herausstellte, mehr als übertrieben. An der Festhalle erfolgte kurze Zeit später eine Brandstiftung durch Fremdarbeiter. Bei diesen handelte es sich um Personen vorwiegend aus osteuropäischen von deutschen Truppen besetzten Gebieten, die zwangsweise zur Arbeit nach Deutschland gebracht worden waren,

Mit dem B. Mai 1945 war der zweite Weltkrieg zwar beendet, aber die Folgen desselben lagen schwer auf der Bevölkerung. Der Mangel an Lebensmitteln und den Dingen des täglichen Bedarfs steigerte sich unvorstellbar. Trotz des Waldreichtums in der Gemarkung fehlte es auch in Mengerskirchen an Holz, insbesondere, als die Holzfällung im Gemeindewald eingestellt wurde und an die Bürger die Aufforderung erging, sich das Brennholz selbst zu fällen. Diese Arbeit, die natürlich unter behördlicher Aufsicht erfolgte, mußte vielfach von Frauen ausgeführt werden, deren Männer Soldat waren.

Nach Kriegsende fiel auch der elektrische Strom aus, so daß vereinzelt amerikanische Soldaten mit Kerzen aushalfen - der Schulunterricht war von März bis November unterbrochen. Die Lebensmittelzuteilung in Frankfurt sah noch in 1947 für die Zeit vom 15. September bis 12. Oktober für Erwachsene 100 Gr Fett und 400 Gr Fleisch vor. (18 Kein Wunder, daß der Schwarzhandel wie auch nach dem 1. Weltkrieg wieder blühte und Inflation sich entwickelte. So segensreich auch die amerikanische Hilfe in Form von Lebensmittelsendungen und Schulspeisungen war, die Not für die große Masse des Volkes konnte damit nicht beseitigt werden. Das Geld blieb zwar in seiner Form erhalten, d. h. der Nennbetrag der Geldstücke erhöhte sich nicht wie bei der Inflation nach dem 1. Weltkrieg, aber es war kein Warenangebot vorhanden. Mit der Währungsreform im Juni 1948, bei deren Durchführung jedem Bürger für 60,-  Mark alter Währung 60,-  Mark neuer Währung ausbezahlt wurden, änderten sich die Verhältnisse. Auch auf verschiedene andere Weise wurde das neue Geld in Umlauf gebracht. Damit kehrten auch in Mengerskirchen normale Verhältnisse ein; man konnte mit Geld wieder kaufen.

Es sei aber an dieser Stelle nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die in diesem Abschnitt geschilderte Notzeit für die Bürger von Mengerskirchen doch leichter zu bewältigen war, als in den Städten und Gegenden ohne Landwirtschaft. Gewiß bestand damals in Mengerskirchen noch die Landwirtschaft aus Kleinbetrieben, die kaum den Eigenbedarf deckten. Aber sie sicherten doch in den harten Kriegs- und Nachkriegszeiten in jedem Falle das tägliche, wenn auch mitunter kärgliche Brot.