Ernst Leuninger

 

16.07.2004

Aus Gewissen im Widerstand


Limburg-Lindenholzhausen. «Wenn ein Bischof den Mund aufmachte, mussten viele Pfarrer dran glauben», schilderte Professor Dr. Ernst Leuninger (Foto) im Pfarrheim von Lindenholzhausen die Situation im «Dritten Reich». Thema seines Vortrags: «Wir können nicht schweigen . . . – Katholische Arbeiter-Bewegung im Widerstand im 3. Reich». Leuninger, Ordinariatsrat im Ruhestand, ist Neffe des wegen Widerstandes hingerichteten Franz Leuninger aus Mengerskirchen und führt die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) im Bistum.

Dass dieses Gewalt-Regime nur Lug und Trug war, so Leuninger, witterte die KAB recht früh. Widerstand sei daher aus Gewissensgründen unumgänglich gewesen. Schon 1923 habe Joseph Joos in der Westdeutschen Arbeiterzeitung vor der NSDAP gewarnt. Sie sei «eine Sammelbewegung sozial Entwurzelter und Unzufriedener». In der gleichen Zeitung distanzierten sich dann 1930 die katholischen Arbeiter vom Nationalsozialismus. Er sei mit ihrer religiösen und kulturellen Haltung nicht vereinbar, hieß es dort. Diese Zeitung wurde 1938 verboten.

«Die Frauen trugen eigentlich die größte Last, wenn ihre Männer im Widerstand waren" sagte Leuninger in Lindenholzhausen. Ihnen sei bewusst gewesen, dass sie die sieben oder neun Kinder wohl alleine durch bringen müssten, dass Widerstand Tod bedeute. Die Frauen kamen aber nicht gegen das Gewissen ihrer Männer an, sagte Leuninger. Es sei ein Widerstand aus dem Gewissen gewesen.

Hitler, kaum an der Macht, habe Kardinal Bertram mit dem Druckmittel «Konkordat» (Vertrag zwischen Staat und Vatikan) zu einer Kursänderung gezwungen. Mutige KAB-Männer wie Prälat Dr. Otto Müller, Verbandsredakteur Nikolaus Groß und Verbandssekretär Bernhard Letterhaus hätte dies jedoch nicht davon abgehalten, weiterhin gegen das Regime zu sein. Dies habe allerdings zu Konflikten in dem Verband geführt. Hinzu kam nach Angaben von Leuninger noch, dass die KAB fortan «auf dem Kieker» war. Ständige Schikanen und behördliche Einschränkungen sollten die KAB im Keim ersticken. Pfarrer fürchteten um die religiöse Freiheit, entfernten sich zusehends vom Verband.

Wie Leuninger berichtete, blieb die KAB hartnäckig. Es sei ihr gelungen, ein aktives Verbandsleben aufrecht zu erhalten, in dem sie Wallfahrten kurzerhand als «Glaubensfahrten des katholischen Werkvolkes» ausgab. An diesen Glaubensfahrten nahmen 1934 mehr als 160 000 Mitglieder teil. Immer wieder seien Gebete und Sprechchöre mit politischen Aussagen gespickt worden, so dass die NSDAP glaubte, es mit einer politischen Aktion zu tun zu haben.

«Der KAB traute man im Dritten Reich alle Schandtaten zu», sagte Leuninger. Viele Verbände seien deshalb 1939 zwangsaufgelöst worden. Nur der Westdeutsche Verband mit Sitz in Köln blieb nach Angaben Leuningers übrig. In dessen Leitung saßen Müller, Letterhaus und Groß, die von Anfang an der Widerstandsbewegung angehörten. Regimebeseitigung, Kriegsverhinderung oder -beendigung seien ihre Ziele gewesen, zudem habe es Pläne für die Zeit danach gegeben. «Die katholische Arbeiter-Bewegung wurde von ihrer innerlichen, geistigen Kraft getragen, so war sie nicht zu zerschlagen», resümierte Leuninger. Der Widerstand wurde mit vielen Leben bezahlt. Müller starb qualvoll in Haft. Letterhaus und Groß wurden hingerichtet. (bwe)