Botschafter
der Gerechtigkeit:
Herbert und Ernst Leuninger
Stefan Töpfer
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
vom 11. Mai 1997
und 50
Jahre ist es her: Da träumte der eine davon, Oberhaupt der katholischen
Kirche zu werden. Da wurde der andere in seiner vorwiegend von Protestanten
besuchten Schule ,,Papst" gerufen. Aber weder hat sich der Jugendtraum
von Herbert Leuninger erfüllt, noch ist aus dem Spitznamen seines
Bruders Ernst je ein richtiger Titel geworden. Besonders enttäuscht
scheinen die beiden Priester darüber aber nicht zu sein, und ihrem
Beruf haben sie auf ihre Weise ein unverwechselbares Profil verliehen.
Herbert
und Ernst Leuninger gehören einer Priestergeneration an, die durch
das Zweite Vatikanische Konzil und die mit ihm verbundene Aufbruchstimmung
in der katholischen Kirche geprägt wurde. Denken sie an die sechziger
Jahre und damit nicht zuletzt an ihre Kaplansjahre in Frankfurt zurück,
geraten sie ins Schwärmen: "Da ging
die Post ab", sagt Ernst Leuninger. Es sei
eine phantastische Zeit gewesen. Doch sind die Brüder bei aller damals
herrschenden Euphorie skeptisch geblieben. ,,Wir
hatten das Gefühl, daß sich trotz des Konzils nichts wirklich
Entscheidendes ändern würde", sagt
Herbert Leuninger. Sie wollten nach Südamerika gehen, wo sie vor allem
das hofften tun zu können, was ihnen in ihrer Arbeit in Deutschland
fehlte: sich sozial zu engagieren. Doch auch aus diesem Traum wurde nichts,
zunächst war der Bischof dagegen, später machten andere das Rennen.
Was aber blieb, war ihr Wunsch, sich in das gesellschaftliche Leben einzumischen,
"für ein Reich der Gerechtigkeit und
des Friedens zu arbeiten", wie Ernst Leuninger
sagt.
orbild
im Einsatz für eine gerechtere und friedlichere Welt waren den Brüdern
vor allem ihr Vater Alois und ihr Onkel Franz. Noch heute sprechen Herbert
und Ernst Leuninger mit großer Bewunderung von ihnen. Wie beispielsweise
der Vater, ein christlicher ,Gewerkschaftler, 1933 Hausierer wurde, weil
er sich nicht ,,gleichschalten" lassen wollte; wie er an einem Sonntag
dem Gottesdienst fernblieb, weil am Kirchturm die NS-Flagge hing, ,,die
Fahne des Satans", wie der Vater sie nannte; wie der Onkel in den Widerstand
gegen Hitler ging und dafür zwei Monate vor Kriegsende in Berlin-Plötzensee
hingerichtet wurde. Von Kindesbeinen an zuerst in ihrer Geburtsstadt Köln,
dann in Mengerskirchen im Westerwald, wohin die Familie 1942 ging, hat sie
beides geprägt, die Gegnerschaft gegen das NS-Regime und eine christlich-soziale
Grundhaltung.
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