Herbert Leuninger ARCHIV BIOGRAFIE
1994

Katholische Nachrichtenagentur (KNA)
27. August 1994

PORTRAIT

"Flucht ist niemals illegal"

Acht Jahre sprach Herbert Leuninger für "Pro Asyl"


Im örtlichen Telefonbuch sucht man vergeblich nach seiner Rufnummer, die Telefonauskunft gibt keine Auskunft. Aber natürlich hat Herbert Leuninger (61), seit acht Jahren Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge "Pro Asyl", Telefon. Schon deshalb, weil das für seine Arbeit unabdingbar ist. Als "Pro Asyl"-Sprecher nämlich formulierte Leuninger, der diese Aufgabe zum 1. September abgibt, für die Öffentlichkeit Positionen, Forderungen und Proteste der in Frankfurt ansässigen Arbeitsgemeinschaft, war er Ansprechpartner gerade auch für Journalisten. Künftig wird er für "Pro Asyl" als Europa-Referent tätig sein, sich für eine europäische Vernetzung der Asylarbeit einsetzen.

Was Leuninger zu sagen hatte, war nicht unbedingt geeignet, sich überall Freunde zu machen. Er wandte sich beispielsweise immer wieder gegen jede Einschränkung des Asylrechts, rief zur Aufnahme von Flüchtlingen auf und erklärte: "Flucht ist niemals illegal, sondern ihre Verhinderung durch Grenzbehörden." Da fehlte es dann nicht an Kritikern, die ihn einen "krankhaften Asylantenfreund" oder auch schlicht einen "Verräter" nannten. Leuninger hat so seine Erfahrungen machen müssen mit Beschimpfungen, tätlichen Angriffen. Eben deshalb ist seine Telefonnummer nicht so leicht in Erfahrung zu bringen, deshalb auch fehlt an der Haustür das Namensschild. Wer teilt oder doch respektiert, was Leuninger vertritt, sieht in ihm eine "Stimme der Machtlosen", einen "Anwalt der Flüchtlinge". Das Land Hessen verlieh ihm die höchste Auszeichnung, die es zu vergeben hat: die Wilhelm-Leuschner-Medaille, die an den gleichnamigen sozialdemokratischen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus erinnert. Leuninger, so sagte bei der Ehrung der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD), zeige Zivilcourage, stelle sich schützend vor Ausländer und Flüchtlinge.

Wenn Leuninger für "Pro Asyl" sprach, dann tat er das nach eigenem Bekunden für einen Zusammenschluß "von Experten und Mitarbeitern von Flüchtlingsräten, Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen", der "in enger Verbindung mit dem Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in der Bundesrepublik arbeitet". Leuninger ist katholischer Geistlicher, Priester des Bistums Limburg. Aber: "Was ich für 'Pro Asyl' mache, mache ich ehrenamtlich und in eigener Verantwortung, nicht im Auftrag des Bistums." Er weiß jedoch, daß "ohne den Limburger Bischof Franz Kamphaus und seine Einstellung meine Arbeit in den letzten Jahren nicht möglich gewesen wäre".

"Nur unterschiedliche Pigmente"

Der bisherige "Pro Asyl"-Sprecher - die Arbeitsgemeinschaft wurde von ihm mitgegründet - ist davon überzeugt, daß jeder Mensch dorthin nicht nur gehen darf, sondern gehen muß, "wo er glaubt, für sich und seine Familie eine ausreichende Existenzgrundlage zu haben", Mit Begriffen wie Rasse oder Nation vermag Leuninger nichts oder fast nichts anzufangen. Er kennt keine Rassen, sondern nur "unterschiedliche Pigmente, die aber mit der Substanz dessen, was einen Menschen ausmacht, so gut wie nichts zu tun haben". Und was das Wort Nation angeht, so läßt Leuninger es als "Kulturbegriff" gelten, will aber nichts wissen von Nation im Sinne eines "politisch-wirtschaftlich und von der Zusammensetzung her autarken Raums".

Warum er jetzt als "Pro Asyl"-Sprecher aufhört. "Ich gebe diese Aufgabe in einer sehr guten Atmosphäre bei 'Pro Asyl' ab", sagt Leuninger. Es sei nötig, daß es da mal "andere Töne, ein anderes Gesicht" gebe. Und: "Man soll aufhören, wenn man den Zeitpunkt noch selbst bestimmen kann."

Peter de Groot (KNA)