Herbert Leuninger ARCHIV ASYL
1995

KÖLNER STADT-ANZEIGER
Nr. 178 - Donnerstag, 3. August 1995

WAS IST DAS? PRO ASYL

Engagierte Anwälte der Menschlichkeit

Für Pro Asyl ist es keine Frage, ob die Bundesrepublik weitere Flüchtlinge aus Bosnien aufnehmen soll, wenn Menschen aus dem geschundenen Land hier Zuflucht suchen. Für Überlegungen, daß es ein falsches Signal an die Nachbarn in der Europäischen Union sein könnte, wenn Deutschland vorauseilend —schon vor einem neuen Flüchtlingstreck — seine Bereitschaft zur Aufnahme bekundet, für solche Gedanken hat Pro Asyl kein Verständnis.

Menschen in Not müssen aufgenommen werden, ohne das Ergebnis mühsamer Verhandlungen darüber abzuwarten, wer in Europa wie vielen Flüchtlingen Schutz bietet. Pro Asyl protestiert auch energisch, wenn Gesundheitsminister Horst Seehofer Leistungen für Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber kürzen will. Fazit: Diese Gruppe ergreift Partei, und dies unüberhörbar.

Vor zehn Jahren traf sich der damalige Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in der Bundesrepublik, Rene van Rooyen, mit Jürgen Micksch von der Evangelischen Akademie Tutzing. Sie bereiteten die Bildung einer Organisation vor, die die Rechte von politisch, rassisch oder religiös Verfolgten wirkungsvoll vertreten sollte. 1986 wird in Frankfurt die Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl gegründet. Beteiligt sind beide große Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen. Von Anfang an ist der Vertreter des Flüchtlingskommissars der UN als Berater dabei. Zwei Jahre später bildet sich ein Förderverein mit dem Ziel unabhängiger Finanzierung. Heute zählt Pro Asyl knapp 4000 Mitglieder. Dazu kommt Unterstützung von etwa 6000 privaten Spendern.

Vehement stemmte sich die Gruppe gegen die Einschränkung des Asyl-Artikels 16 im Grundgesetz. Sie ist auch heute überzeugt, daß „zentrale Elemente des neuen Rechts nicht mit der Verfassung übereinstimmen". Entsprechend vernichtend fällt die Zwischenbilanz der Asylrechtsänderung von vor zwei Jahren aus.

Heiko Kauffmann, Sprecher der Organisation, erinnert mit seiner Sprache an die massiven Auseinandersetzungen um das neue Asylrecht. Er kommt zu dem Schluß: „Die neuen Gesetze mit ihrem ausgefeilten System der Be- und Verhinderung der Inanspruchnahme des Asylrechts durch bedrohte und gefährdete Menschen sind ein Ausdruck der Abwehr- und Abschreckungsstrategie des Staates gegen Flüchtlinge, der organisierten Verantwortungslosigkeit und einer Krise des demokratischen Rechtsstaates."

Ganz ähnlich formulierte sein Vorgänger als Sprecher von Pro Asyl und immer noch Motor der Vereinigung, der katholische Geistliche Herbert Leuninger, seine Kritik an der von Union, SPD und FDP betriebenen Aufgabe des alten, weitgefaßten Asylrechts. Leuninger, der aus einer in der Gewerkschaftsarbeit verwurzelten hessischen Familie stammt, zu der Widerstandskämpfer gegen die Nazis gehören, wurde wegen seines kompromißlosen Engagements für die Zufluchtsuchenden als Fanatiker oder zumindest Eiferer kritisiert. Der 63 Jahre alte Pfarrer, heute Europa-Referent der Vereinigung, ist in seiner Unnachgiebigkeit so etwas wie ein Fundamentalist. Zumindest hat er Pro Asyl damit eine klare Linie gegeben.

Zwei Ziele hat sich die Gruppe heute gesetzt. Sie unterstützt einzelne Flüchtlinge vor Gericht, um mit exemplarischen Klagen Asylsuchenden zum Aufenthaltsrecht zu verhelfen. Und sie bekämpft in der Öffentlichkeit das neue Asylrecht. Ihre große Hoffnung ist Karlsruhe. Die Verfassungsrichter mögen, so der Wunsch, das Machwerk der Bonner Politik wieder kassieren.

Michael Brandt