ARCHIV KIRCHE 1967 | |||
Meditation
zum Gründonnerstag
im Hessischen Rundfunk Frankfurt/M. 1. Hörfunkprogramm am 23. März 1967 Redaktion: Norbert Kutschki Das Mahl
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Wer mit einem Menschen nichts zu schaffen haben will, der schlage seine Einladung zu einem gemeinsamen Essen aus. Empfindlicher kann er denjenigen, der die Einladung ergehen ließ, nicht treffen. Weist er doch damit das Angebot besonderer Freundschaft zurück; denn ein Mahl ist mehr als eine mehr oder weniger festliche Gelegenheit sich zu sättigen. Es rührt vielmehr an das Grundverhältnis der Menschen zueinander. Ein Mahl gewährt und verpflichtet. Miteinander essen verbindet. Das ist nicht damit erklärt, daß beim Essen und Trinken Gespräche eher möglich sind und Mißverständnisse leichter ausgeräumt werden können; auch damit nicht, daß der Gastgeber durch seine Großzügigkeit sein Gegenüber zu Dank und Gegenleistung verpflichtet. Grundlegenderes geschieht: Es ist, als ob man nicht nur die Speise in sich aufnähme, sondern irgendwie mit der Speise auch den Anderen. Da, wo sich mein Gegenüber in Liebe zu mir verzehrt, wird die Tiefe des Vorganges offenbar. Ich brauche dieses Wort nur ein wenig zu wandeln: Der Andere läßt sich in Liebe verzehren. Nur von daher können wir uns an das Verstehen dessen herantasten, was uns für den Vorabend des Todes Christi überliefert ist.
Mit Sehnsucht, so weiß es Lukas, hat Jesus danach verlangt, dieses Mahl mit seinen Freunden zu einzunehmen, bevor er sich ans Kreuz schlagen ließ. Hätte seine verzehrende Liebe einen besseren Ausdruck finden können als dadurch, daß er sich verzehren läßt? Mag es dem Karfreitag vorbehalten sein, die Hingabe Christi zu erwägen. Für uns soll heute Abend die Frage im Vordergrund stehen wie der sich zu verhalten hat, dem dieses Geschenk gemacht wird. Das eucharistische Mahl gewährt und verpflichtet. Wie von selbst ruft die Gabe die Gegengabe auf. Wer bereit war zu verzehren, muß bereit sein, sich verzehren zu lassen. Diese Konsequenz ist unübertrefflich von Martin Luther in Worte gefaßt worden.
Es ist erschreckend, diesen Gedanken gegenübergestellt zu werden. Wir spüren indes genau, daß wir uns ihnen, wenn wir das Mahl Christi halten wollen, nicht entziehen dürfen. Dennoch ist es zweierlei, die Gedanken bejahen und sie in die Wirklichkeit umsetzen. Mancherlei Gründe stehen der Verwirklichung im Wege. Einer dieser widrigen Gründe ist zu bekannt, als daß man ihr noch eigens zu erwähnen braucht Das große Hindernis für das christliche Leber, der ungebrochen starke Egoismus. Es gibt aber noch andere Gründe, die den Gedanken vom sich Verzehrenlassen verdunkeln. Diese Gründe liegen auf der Ebene des Vollzugs und können deswegen leicht als harmlos abgetan werden. Dennoch spielen sie eine entscheidende Rolle. Vieles, was für das christliche Leben von Belang sein muß, kommt deswegen nicht in den Blick, weil ein natürliches Wertempfinden verkümmert ist und wichtige Verhaltensformen ungenügend gepflegt werden. Die Kritik betrifft in diesem Fall unsere Tischsitten. Die Mentalität des Schnellimbisses wirkt sich aus. Man holt sich seinen Schlag Verpflegung ab, begibt sich auf seinen Hocker, ohne die schon eifrig speisenden Nachbarn eines Grußes zu würdigen, und löffelt das Essen in sich hinein, gegebenenfalls mit dem Gesicht zur Wand. Vermutlich ist das auf die Dauer eine ungesunde Ernährungsweise. Ganz sicher aber verliert sich dabei der mitmenschliche Bezug, der allem Essen unter Menschen seine Würde verleiht. Dieser Trend muß, da man ihn aus der heutigen Zeit nicht mehr ganz eliminieren kann, wenigstens gedämpft werden, indem man sich um eine neue Kultur des Essens bemüht. Steht es mit unseren liturgischen Tischsitten besser? So, wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, sind sie kaum noch eine Hilfe, die Gottesdienstbesucher einander näher zu bringen. Die heutige kultische Form, in der das Abendmahl des Herrn erneuert wird, ist im Gegenteil dazu angetan, im Alltag bestehende Nähe noch zu verfremden. Um vom Tisch des Herrn leben zu können, müssen wir zu sehr einfachen, aber auch vornehmen Formen finden. Sie zeichnen sich bereits ab, nicht zuletzt in den vielfach mit Skepsis betrachteten Hausmessen. Es besteht zweifellos die Gefahr, daß mit neuen Formen ein bedeutender theologischer Überbau beeinträchtigt wird, dafür besteht aber die einmalige Möglichkeit, daß sehr schlichte, und doch kostbare Wahrheiten ans Licht kommen, die der Herzmitte unseres Glaubens zugehören. Man wird diese Wahrheiten nicht andemonstrieren müssen. Sie werden sich sehr deutlich geradezu aufdrängen. Wer dann mit Christus "die Hand in dieselbe Schüssel taucht", ihn in sich aufnimmt, ohne sich dem Tischnachbarn zum Verzehr anzubieten, der erfährt sich als Verräter wie Judas. |