Herbert Leuninger

ARCHIV KIRCHE
1967

1967
Buchbesprechungen
kath. Theologie und Kirche

HESSISCHER RUNDFUNK
Frankfurt/Main
2. Hörfunkprogramm (HR2)
Redaktion: Norbert Kutschki

INHALT

  • Bernhard Stoeckle
    Ich glaube an die Schöpfung
    ('67)
  • Karl Rahner
    Glaube, der die Erde liebt
  • Herbert Haag/Adolf Haas/Johannes Hürzeler
    Evolution und Bibel
  • Johannes Beumer
    Die katholische Inspirationslehre zwischen Vatikanum I und II
  • Joachim Becker
    Israel deutet seine Psalmen
  • Dennis J. McCarthy
    Der Gottesbund im Alten Testament
  • Wilfried Joest u.a.
    Was heißt Auslegung der Heiligen Schrift?

  • Hermann Kirchhoff
    Der Katechet und das Wort
    ('67)
  • Allioli/Eleonore Beck/Gabriele Miller 
    Das Neue Testament
  • Magnus M. Beck
    Der neuen Schöpfung entgegen
  • Alfred Bengsch
    In Erwartung der Wiederkunft
  • Ambrosius K. Ruf
    Man sollte eigentlich
  • Homilien von Saint Séverin
  • Heinrich Fries (Hrsg.)
    Wort und Sakrament
  • Johannes B. Lotz
    Einübung ins Meditieren am Neuen Testament
    ('67)
  • Henri Daniel-Rops
    Das Leben Jesu Christi
  • Romano Guardini
    Johanneische Botschaft
  • Altfried Kassing
    Glauben in der Welt
  • Wilhelm Pesch
    Matthäus der Seelsorger
  • Ceslas Spicq
    Der Christ, wie Paulus ihn sieht
  • Erwin Hesse/Helmut Erharter (Hrsg.)
    Gottes Wort in unsererZeit
    ('67)
  • Franz Mußner
    Die Wunder Jesu
  • Heinrich Gross
    Kleine Bibelkunde zum Alten Testament
  • Rudolf Schnackenburg
  • Norbert Lohfink
    Bibelauslegung im Wandel
  • Othmar Schilling
    Geist und Materie in biblischer Sicht
  • Erwin Bosler
    Von Tarsus bis Rom
  • Jean Paillard
    Ringen mit Paulus
  • Karl Maly
    Mündige Gemeinde
 

Buchbesprechungen 18. Juli 1967 (A)

Bernhard Stoeckle
Ich glaube an die Schöpfung
Zürich/Einsiedeln 1966, 193 S.

Karl Rahner
Glaube, der die Erde liebt
Freiburg/Basel/Wien 1966, 174 S.

Herbert Haag/Adolf Haas/Johannes Hürzeler
Evolution und Bibel
Freiburg/Basel/Wien 1966, 124 S.

Johannes Beumer
Die katholische Inspirationslehre zwischen Vatikanum I und II Stuttgart 1966, 107 S.

Joachim Becker
Israel deutet seine Psalmen
Urform und Neuinterpretation in den Psalmen
Stuttgart 1966, 98 S.

Dennis J. McCarthy
Der Gottesbund im Alten Testament
Stuttgart1966, 94 S.

Wilfried Joest u.a.
Was heißt Auslegung der Heiligen Schrift?
Regensburg 1966, 210 S.

 

Die beiden Titel "Ich glaube an die Schöpfung" und "Glaube, der die Erde liebt" suggerieren Eintracht in der Hinwendung zur Welt. Diese Eintracht sieht der Autor des ersten Buches, das im Benziger-Verlag erscheint, der Benediktiner Bernhard Stoeckle, gegenüber dem Autoren des Zweitgenannten, dem Jesuiten Karl Rahner, nicht für gegeben an. Rahners Interpretation der heutigen Welt ist ihm zu optimistisch, und es scheint ihm, "daß es um die Auslegung von Metz und Rahner schlechter bestellt ist als etwa um die von Balthasar und Mirgeler (S. 59). Mit Mirgeler steht für ihn die "apersonale und infolgedessen areligiöse Struktur einer hominisierten (also unserer Welt) fest "(S.187f). Diese ist von der Technik und reinen Sachbezügen geprägt und will vor allem nicht mehr durchscheinend sein für den zentralen biblischen Begriff "Schöpfung".

Es ist von hohem Reiz, die verschiedenen Positionen heutiger Theologen zur Welt vornehm und tiefgründig gegeneinander abgehoben zu sehen. Ob indes die von Stoeckle vorgelegte Schriftbegründung des Schöpfungsglaubens die angedeutete Kritik an Rahner, Metz u n d Teilhard de Chardin stützt, erscheint fraglich.

"Glaube, der die Erde liebt" ist nun keine Replik Rahners auf Stoeckle, sondern eine Sammlung von Ansprachen und Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften mit einem unterschiedlichen Anspruchsniveau, erschienen im Rahmen der Herder-Bücherei. Neben den gewohnt abstrakt formulierten Gedankengängen finden sich immer wieder überraschende und konkrete Einfälle; von der Forderung nach religiösen Liedern, die man pfeifen könne, bis hin zu der Erwartung, daß der Glanz des Himmels aus dem dunklen Schoß der Erde selber brechen werde.

"Die biblische Schöpfungsgeschichte heute" ist der erste von drei Vorträgen, die ebenfalls in einem Bändchen der Herder-Bücherei unter dem Thema "Evolution und Bibel" herausgegeben wurden. Was die heutige Exegese dazu zu sagen weiß, ist von Herbert Haag auf kleinstem Raum umfassend und angenehm deutlich gesagt, Sein Resümée auf die Evolution hin besagt: Der Schöpfungsbericht bleibt offen für den Evolutionsbegriff. Daran sollte man die auch für einen Nicht-Fachmann spannende Lektüre des dritten Vortrages von Johannes Hürzeler anschließen. Er erläutert die pragmatische Sicherheit der Evolution u.a. an der Veränderung der Kaufläche eines Tierzahnes innerhalb von 20-30 Millionen Jahren, Adolf Haas schließlich erklärt die Evolution als Planverwirklichung, als die Realisierung des Schöpfungsplanes.

Wer sieht bei diesen Ergebnissen noch auf die theologische Auseinandersetzung, die all dem vorausging? Wie hart diese war, zeigt die Zusammenstellung von Johannes Beumer: "Die katholische Inspirationslehre zwischen Vatikanum I und II". Ein Kampf zwischen Theologie und Lehramt, der vom Lehramt oft in einem verzweifelten "Freistilringen" geführt wurde, doch mittlerweile den Charakter eines "fair play" angenommen hat, bei dem nicht so sehr verdammt, als vielmehr angeregt wird.

Wer konnte auch vor zwei, drei Generationen ahnen, daß sich die Ergebnisse der kritischen Forschung etwa dem Psalmenbeten dienlich erweisen würden? So, wie wir die Psalmen heute beten, sagt Joachim Becker in "Israel deutet seine Psalmen", entsprechen sie zumeist nicht mehr der Situation, in der sie entstanden sind. Uns begegnen sie bereits in einer "nachexilischen" Umdeutung. Damit bekommen sie erst den eschatologischen Einschlag, der sie für die Christenheit so ergiebig macht.

Die beiden letzten anzuzeigenden Studien kommen aus dem Verlag Katholisches Bibelwerk Stuttgart. Ihnen läßt sich leicht die Spezialstudie aus derselben Reihe "Der Gottesbund im Alten Testament" von Dennis J. McCarthy zugesellen und zwar unter dem besonderen Gesichtspunkt, wie auch in der biblischen Wissenschaft Theorien abgeklärt werden. Bei knapp hundert Seiten stellt der Verfasser acht Seiten Bibliographie an den Anfang, läßt alle diesbezüglichen Ansichten Revue passieren, um zum Schluß behutsam den Stand der Diskussion zusammenzufassen.

Hier wie bei allen einschlägigen Fragen ist das Bemühen um die Schrift eine interkonfessionelle Angelegenheit. So ist es folgerichtig und bedeutsam, wenn der Verlag Friedrich Pustet die grundsätzlichen Beiträge zur Hermeneutik von protestantischen und katholischen Theologen in dem Buch "Was heißt Auslegung der Heiligen Schrift" vorlegt. Von protestantischer Seite schreiben Wilfried Joest und Ulrich Wilckens, von katholischer Franz Mußner, Leo Scheffczyk und Anton Vögtle. Manches ergänzt sich von sehr verschiedener Position aus überraschend, manches scheint sich zu widersprechen: Für Scheffczyk etwa ist die Schrift eine besondere Weise der Inkarnation (S.140), während Joest wörtlich sagt: "Der Kanon ist nicht eine zweite Inkarnation" (S.185). Auf's Ganze gesehen trifft zu, was Mußner in seinem Aufsatz sagt (S.28): "Gottes Wort nimmt teil an der unerschöpflichen Fülle Gottes; darum stehen wir. in der Auslegung der Bibel je immer erst am Anfang und niemals am Ende" (S.185).


Buchbesprechung 18. Juli 1967 (B)

Hermann Kirchhoff
Der Katechet und das Wort
Düsseldorf 1966, 111 Seiten

Allioli/Eleonore Beck/Gabriele Miller 
Das Neue Testament
Kevelar/Stuttgart 1965, 768 Seiten

Magnus M. Beck Der neuen Schöpfung entgegen
Das österliche Mysterium im Kirchenjahr
Frankfurt a.M. 1966, 284 Seiten

Alfred Bengsch
In Erwartung der Wiederkunft
Berlin 1966. 143 Seiten

Ambrosius K. Ruf
Man sollte eigentlich
Regensburg 1966, 159 Seiten

Homilien von Saint Séverin
Paderborn 1967

Heinrich Fries (Hrsg.)
Wort und Sakrament
München 1966 247 Seiten

"Es gibt nicht zweierlei Wort", ist Ausgangspunkt des im Patmos-Verlag herausgekommenen Buches von Hermann Kirchhoff "Der Katechet und das Wort." Danach kann nur der das Wort Gottes verkünden, der das menschliche Wort in seinem Leben ernst nimmt. Mit eindrücklichen Zitaten plädiert er für einen höchst respektvollen Umgang mit dem Wort. Wenn schon das alltägliche Wort unter dem Gericht der Sprache steht, wie erst das Wort, das in der christlichen Unterweisung Verwendung findet. Kirchhoff warnt vor der "Unzucht mit dem Wort".

Ausführlich befasst sich der Autor mit der Frage, wie das Wort der Bibel in unsere Sprache zu übertragen ist. Zum ersten ist in der deutschen Sprache das Wort zu suchen, in dem die Bedeutungsfülle des Schriftwortes aufgehoben ist. Aber es geht nicht nur um das einzelne Wort. Jeder Text hat eine innere Sprachbewegung.

Ihr muß sich der Übersetzer einfügen, um zur jeweiligen Herzmitte einer Perikope vorzustoßen. Was damit gemeint ist, wird deutlich, wenn der Verfasser verschiedene Bibelübersetzungen mit dem Urtext vergleicht. Die gestellten Anforderungen sind so hoch, daß man sich fragen muß, ob sie überhaupt zu erfüllen sind. Es sei denn, von einem Theologen, der zugleich Dichter ist oder von einem Dichter, der zugleich Theologe ist.

Macht man unter diesen Voraussetzungen Stichproben in einer jüngst herausgegebenen Übersetzung des Neuen Testamentes, so schneidet diese nicht schlecht ab. Die Theologinnen Eleonore Beck und Gabriele Miller haben alle Mühe darauf verwandt, den bekannten Allioli-Text nach den heutigen sprachlichen und theologischen Erfordernissen zu überarbeiten. Besonders deutlich wird dies Bemühen in der Anmerkungen. Ob allerdings die sprachlichen Verfremdungen, die gelegentlich in der Übersetzung auftauchen, um der Texttreue und des theologischen Gehaltes willen notwendig sind, läßt sich nicht leicht entscheiden. Die besprochene Bibelausgabe erscheint gleichzeitig in dem Verlag Butzon & Bercker, in dem Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart und im Walter-Verlag Olten.

Was einer Bibelübersetzung nicht gut ansteht, ist für die Predigt unumgänglich. Gemeint ist eine Verfremdung der Gedanken und Sprache, wie sie in der heutigen Dichtung üblich ist. Prediger, die auf diese Weise ihre Hörer aus den gewohnten Denkbahnen werfen, sagen unter Umständen nichts Neues. Wie könnten sie auch! Aber sie sagen es auf neue Weise. Dieser schöpferischen Möglichkeit bedient sich Magnus N. Beck in seinem bei Knecht erschienenen Jahreszyklus von Sonntagspredigten "Der neuen Schöpfung entgegen" kaum. Vermutlich riskiert er damit, daß viel Wahres und Wichtiges in diesem Buch einfach überlesen wird.

Mit überraschenden Wendungen und Bildern sind dafür die Betrachtungen von Alfred Bengsch gespickt. Das sei gesagt auch auf die Gefahr hin, daß der Eindruck entsteht, man habe ein amüsantes Buch vor sich. Das ist nicht der Fall; denn das, was den Leser erwartet, sind Überraschungen, die seine Lebensweise "In Erwartung der Wiederkunft", so der Titel aus dem Morus-Verlag, betreffen. Angenehm ist nur die Überraschung, daß es ein Erzbischof ist, der so unkonventionell schreibt.

Unkonventionell muß der Redner sein, der Morgenansprachen im Rundfunk hält. Hier heißt es vom Wetterbericht und Frühstücksei, vom Rückspiegel und Blutdruck, auf Gott zu kommen. Diese Aufgabe hat Ambrosius K. Ruf gemeistert, wie seine bei Friedrich Pustet verlegten Kurzpredigten "Man sollte eigentlich" zeigen. Sie sind auf Augenblicke gemünzt, in denen man theologischen Strapazen abhold, dennoch für eine Sinngebung des Tages dankbar ist.

Ganz anders ist der Ansatz für die Homilien, die die Pariser Priestergemeinschaft von Saint Severin im Rahmen ihrer Sonntagsgottesdienste gehalten hat. Sie erscheinen in dem Verlag Bonifacius-Druckerei. In diesen klar formulierten Ansprachen wird jeweils ein Satz aus Lesung oder Evangelium biblisch und theologisch interpretiert. Sie sprechen an, nicht nur wegen ihrer durchwegs eingehaltenen Kürze, sondern auch wegen einer schlichten Unmittelbarkeit, die in der Übersetzung von Gertrud Zellekens erhalten blieb.

Das Wort Verkündigung steht in tiefem Zusammenhang mit dem Sakrament. Nach einer Formel von Augustinus ist das Wort ein hörbares Sakrament und das Sakrament ein sichtbares Wort. Um diese innere Zuordnung erkennen zu lassen, hat Heinrich Fries im Kösel-Verlag sein Werk herausgegeben "Wort und Sakrament". Es handelt sich hier um eine gesonderte Veröffentlichung aus dem "Handbuch theologischer Grundbegriffe". Das Wort der Verkündigung ist nicht bloße Information, sondern schafft im Sinne des Wortes Gottes Realität. Gerade am Sakrament wird deutlich, daß es beim Wort in der Kirche um das wirksame Wort geht. Mit diesen von Fries an den Anfang gestellten Gedanken wollen die übrigen Beiträge gelesen werden. Die Aufsätze über die einzelnen Sakramente sind verständlicher- aber auch bedauerlicherweise in der üblichen sakral-liturgischen Fachsprache abgefaßt. Nur Metz und Auer bedienen sich bei ihren Ausführungen heutiger Denk- und Sprachvorstellungen. Damit leisten sie zusätzlich der Theologie und der Verkündigung einen nicht unerheblichen Dienst. Denn: "Es gibt nicht zweierlei Wort".


Buchbesprechungen 18. Juli 1967 (C)

Johannes B. Lotz
Einübung ins Meditieren am Neuen Testament
Frankfurt a.M. 19652,278 S.

Henri Daniel-Rops
Das Leben Jesu Christi
München 1966, 269 S.

Romano Guardini
Johanneische Botschaft
Meditationen über Worte aus den Abschiedsreden
u. dem 1. Johannesbrief
Freiburg/Basel/Wien 1966, 125 S.

Altfried Kassing
Glauben in der Welt. Biblische Auslegungen
Mainz 1966, 163 S.

Wilhelm Pesch
Matthäus der Seelsorger Stuttgart
1966, 80 S.

Ceslas Spicq
Der Christ, wie Paulus ihn sieht Luzern 1966, 127 S.

Der Boom in streng- und populärwissenschaftlicher Bibelliteratur birgt die Gefahr in sich, daß sich die Beschäftigung mit der Schrift in theoretischen Überlegungen erschöpft. Damit gerät man wohl an die Schrift, aber nicht - wenn ich so sagen darf - in die Schrift. Daher sind Bücher notwendig, die aus dem innerlichen Umgang mit der Schrift kommen und zu einem solchen Umgang anleiten. Dieser Art Anleitung will die "Einübung ins Meditieren am Neuen Testament" 'aus dem Josef Knecht-Verlag dienen. Johannes B. Lotz legt darin Meditationsübungen vor, die alle in ihrer Art am Neuen Testament orientiert sind. Besonderes Interesse verdient dabei der Versuch, auch die Bildmeditation in diesen Kreis miteinzubeziehen. Den Übungen, die in der Tradition des Exerzitienbüchleins von Ignatius von Loyola stehen, geht eine Hinführung voraus, die die Hälfte des Buches ausmacht. Ihr Gehalt läßt sich zusammenfassen in dem Augustinus-Wort: "Kehren wir zurück zum Herzen und läßt uns IHN finden". Lotz hebt besonders den Unterschied zwischen der östlich-asiatischen und christlichen Meditation hervor. Letztere trifft im Grunde des Seins auf ein personales Wesen, auf Jesus Christus, der der entscheidende Inhalt und Zielpunkt der Meditation ist.

Die Meditation über Jesus Christus gehört so sehr zum christlichen Glauben, daß es verständlich wird, wenn immer wieder der Versuch gemacht wird, ein Leben Jesu zu schreiben. Dieser letztlich unlösbaren Aufgabe hat sich der französische Theologe und Schriftsteller Henri Daniel-Rops in "Das Leben Jesu Christi" unterzogen. Der Pattloch-Verlag bringt die deutsche Übersetzung in einem sorgfältig aufgemachten und mit mittelalterlichen Holzschnitten versehenen Buch heraus. Somit ist es als Betrachtungsbuch ausgewiesen, auch wenn eine Fülle geschichtlichen und exegetischen Materials ausgebreitet wird. Das ist im übrigen der Reiz, andererseits aber auch die Gefahr dieses Buches. Einem kritischen Leser wird störend auffallen, daß immer wieder der Versuch gemacht wird, an der Geschichtlichkeit von im Neuen Testament berichteten Ereignissen nicht nur festzuhalten, sondern sie in unnötiger Weise zu konkretisieren.

In der Schwebe beläßt Romano Guardini all diese sicher interessanten Fragen der Geschichtlichkeit in seinen Meditationen über Worte aus den Abschiedsreden Jesu und dem ersten Johannesbrief mit dem Titel "Johanneische Botschaft, Nr, 244" in der Herder-Bücherei. Hier sagt er vom Sinn der Meditation über Christus: "Es ist Geheimnis und kein Denken löst das Geheimnis auf. Aber wir werden mit ihm vertraut". Auf Schritt und Tritt verfolgt man diese Vertrautheit des Autors mit dem Geheimnis Christi. So lassen sich auf seine Meditationen die Worte anwenden, die er selbst über den alternden Johannes schreibt: "Wenn wir sie aufmerksam lesen, sehen wir denn auch, daß die Weise, wie er die Gestalt seines Meisters zeichnet und dessen Botschaft wiedergibt, durch einen Rückblick aus weitem Abstand, durch langen inneren Umgang und tief eindringende Meditation bestimmt ist."

Die bisherigen Ausführungen sollen nicht den Eindruck erwecken, als sei die Rolle der exakten Bibelforschung gering zu veranschlagen. Jeder, der diesem Mißverständnis zu erliegen droht, kann eines Besseren belehrt werden, wenn er die biblischen Auslegungen "Glauben in der Welt" von Altfrid Kassing liest. Was hier im Matthias Grünewald-Verlag herausgegeben wird, ist einmal mehr ein Beweis dafür, daß exakte und moderne Exegese die Meditation nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern in erstaunlicher Weise befruchtet.

Für diese, dem inneren Schriftverständnis dienende Funktion der biblischen Forschung ist Wilhelm Pesch's Studie "Matthäus der Seelsorger" ein weiteres gutes Beispiel. Der Reihe Stuttgarter Bibel-Studien zugehörig, will sie das neue Verständnis der Evangelien am Beispiel von Matthäus 18 dartun. Um den schon in den frühen Gemeinden auftretenden Nöten und Problemen zu steuern, habe Matthäus in seiner pastoralen Einstellung Antwort gegeben mit Hilfe von Jesus-Worten. Dahinter stehe die Überzeugung, daß der HERR immer gegenwärtig ist, und seine Worte wirkmächtig bleiben. Von den sehr konkreten Fragen, wie die Kinder und die Kleinen, vor allem auch der sündige Bruder zu bewerten sei komme der Seelsorger Matthäus - so Pesch - zu allgemeinen und immer geltenden Antworten.

Mit dieser Überzeugung, daß die Aktualität der biblischen Weisungen bestehen bleibt, geht Ceslas Spicq an die Darstellung einer paulinischen Moral: "Der Christ, wie Paulus ihn sieht" aus dem Rex-Verlag. Die Lebensregel des Paulus ist auch noch die Lebensregel des heutigen Christen: Für Gesinnung und Verhalten ist Christus vollendetes Vorbild. Wer immer mehr zu einem anderen, zweiten Christus wird, steht im Spannungsfeld des dreifaltigen Gottes. Damit wird seine Moral zu einer Moral der Kindschaft, einer Moral der Freiheit und einer Moral der Liebe. Eine Religion, die sich dieser Moral Christi verschrieben hat, ist für Spicq eine Moral des Glanzes und der Schönheit. Die Erfahrung der Schönheit ist nur dem Schauenden, dem Meditierenden vergönnt.


Buchbesprechungen 1967 (A)

Erwin Hesse/Helmut Erharter (Hrsg.)
Gottes Wort in unsererZeit
Freiburg/Basel/Wien 1967, 144 S.

Franz Mußner
Die Wunder Jesu
eine Hinführung
München 1967, 90 S.

Heinrich Gross
Kleine Bibelkunde zum Alten Testament
München 1967, 131 S.

Rudolf Schnackenburg
Christliche Existenz nach dem Neuen Testament Bd. 1
München 1967, 195 S.

Norbert Lohfink
Bibelauslegung im Wandel
Frankfurt 1967, 239 S.

Othmar Schilling
Geist und Materie in biblischer Sicht
Ein exegetischer Beitrag zur Diskussion um Teilhard de Chardin
Stuttgart 1967, 75 S.

 

Als die Bischöfe von Rom zurückkamen, wo sich die Sitze der Konzilsaula oft in Schulbänke verwandelt hatten, beseelte sie der Wunsch, auch ihre Gehilfen im Amt wieder in die Schule zu schicken, und die Pfarrer erwiesen sich als nicht minder eifrige Schüler. Über 600 Priester versammelten sich z.B. zu einer Seelsorgertagung Ende 1966 in Wien. Die aus diesem Anlaß gehaltenen Vorträge haben Erwin Hesse und Helmut Erharter gesammelt und im Herder-Verlag herausgegeben. Das Thema der Tagung und des Buches lautet: "Gottes Wort in unsere Zeit". Wenn Gottes Wort in unsere Zeit kommen soll, bedarf es größter Anstrengungen auf Seiten derer, die es zu verkündigen haben. Sie müssen das Wort Gottes in der Bibel mit den Augen der kritischen Schriftauslegung. lesen lernen. Das wäre eine relativ leichte Aufgabe, wenn nicht eine unterschwellige Angst die Beschäftigung mit der modernen Exegese beeinträchtigte. Die Beiträge könnten helfen eine neue Unbefangenheit gegenüber der Bibel zu gewinnen, die sich in der Überzeugung eines der Referenten dahingehend ausdrückt, "daß der Prediger in den Erkenntnissen der kritischen Schriftauslegung die größte Hilfe erfährt".

Die Schwierigkeit der Glaubensverkündigung ist aber für den Katecheten nicht geringer als für den Prediger. Speziell auf ihn ist die Reihe "Schriften zur Katechetik" aus dem Kösel-Verlag zugeschnitten. Zwei der kleinen Bändchen stehen heute zur Besprechung an. Einmal Franz Mußners: "Die Wunder Jesu". Gerade die Wunder sind ein Testfall für die Behauptung, kritische Bibelforschung vertiefe den Glauben, statt ihn zu beeinträchtigen. Mußner stellt die Frage: "Hat Jesus von Nazareth überhaupt 'Wunder' gewirkt"? Seine Antwort lautet: "Ohne Wunder ist Jesus nicht der Christus".

Zu dieser Antwort sieht sich der Autor berechtigt nicht trotz der formgeschichtlichen Untersuchung, sondern im Gegensatz zu Bultmann, gerade wegen ihr. Bei der Behandlung von Jesu Seewunder wird deutlich, wie weit Mußner den Kreis der Geschichtlichkeit der Wunder ziehen will. Man kann seine These grundsätzlich anerkennen ohne ihm darin folgen zu müssen.

Seinen Studenten, die einmal in der Glaubensunterweisung stehen werden, hat Heinrich Gross seine "Kleine Bibelkunde zum Alten Testament" als Band 9 in der Reihe der Schriften zur Katechetik gewidmet. Nicht nur der Aufbau, sondern auch die anfängliche Trockenheit weisen es als Lehrbuch aus. Für entsprechend Interessierte, und hierzu würde ich alle Leser des Alten Testamentes zählen, werden die einzelnen Bücher und Texteinheiten des Alten Testamentes in ihrem theologischen Gehalt knapp charakterisiert. Was so trocken anhebt, wirkt in dem Maße frischer, wie sich die theologische Konzeption des Alten Testamentes herauskristallisiert.

Die Abhandlungen und Vorträge in dem Buch von Rudolf Schnackenburg "Christliche Existenz nach dem Neuen Testament" sind ursprünglich für ein unterschiedliches Publikum gedacht gewesen. Ihre Zusammenstellung, wie sie der Kösel-Verlag vorlegt, ist aber, sowohl von den Themen, als auch von ihrer Behandlung her gerechtfertigt. Professor Schnackenburg will nämlich, wie er bei der Überprüfung des Begriffes "Nachfolge Christi" sagt, versuchen die blind gewordenen Münzen, d.h. die abgenützten Begriffe des christlichen Sprachgebrauchs, mit den Texten des Neuen Testamentes wieder blankscheuern; aus dem alten Instrument christlicher Verkündigung wieder die reinen, vollen und herben Töne hervorlocken, die uns im Neuen Testament entgegenklingen. Dieser heilsamen Kur unterzieht er die weiteren Begriffe, wie "Umkehr", "Glaube","Bergpredigt", "Vollkommenheit des Christen" und schließlich " Welt". Ihre Untersuchung ergibt, daß sie sich im Laufe der Zeit nicht nur abgenützt haben, sondern auch eine einseitige Deutung erfuhren, sehr zum Unterschied zu ihrer differenzierten Verwendung in der Bibel.

Mit einer neuartigen, theologisch aber relevanten Begründung sucht Norbert Lohfink einen breiten Leserkreis für sein neues Buch, in dem er als Exeget seine Wissenschaft orten will. Für diese Reflexion erscheint ihm die Kommunikation mit möglichst vielen Menschen unerläßlich zu sein. Denn schließlich ist Theologie Auslegung des Glaubens der Kirche und damit Auslegung des Glaubens aller Gläubigen. Es geht ihm nicht um die Vulgarisation seiner Ideen, sondern um ein Stück Theologietreiben selbst. "Bibelauslegung im Wandel" heißt sein Buch im Josef Knecht Verlag. Auch hier ist es eine Veröffentlichung von Vorträgen, diesmal über die Methode der Bibelauslegung im Alten Testament. Unter anderem befaßt er sich mit der Religion der Patriarchen und den Konsequenzen für eine Theologie der nicht-christlichen Religionen, mit den Zehn Geboten ohne den Berg Sinai und mit dem Methodenproblem zu einem christlichen Traktat über die Juden.

Er legt Wert auf die Feststellung, daß es nicht um die veränderte Auslegung dieser oder jener Bibelstelle geht, sondern um die grundsätzliche Frage, wie die "christliche" Auslegung, d.h. die Auslegung vom Glauben her, vereinbar ist mit der "historischen" Auslegung. Hier meint er, daß die katholische Religionspädagogik sich den wirklichen Fragen, die die moderne Bibelwissenschaft stellt, noch nicht geöffnet habe. Unbestreitbar bringt Lohfink für die Lösung dieser Frage Beachtliches bei. Dies geschieht mit einem unter neueren Exegeten seltenen Respekt vor der Tradition.

Othmar Schilling z.B. reitet eine schneidige Attacke gegen die Tradition. Auf der Strecke bleiben - was ihre Auffassung von Geist und Materie angeht - Plato, Aristoteles, Augustinus und Thomas von Aquin. Dies widerfährt ihnen in einem exegetischen Beitrag zur Diskussion um Teilhard de Chardin mit dem Thema Geist und Materie in biblischer Sicht. Dieser Beitrag erscheint als Nummer 25 der Stuttgarter Bibelstudien aus dem Verlag Katholisches Bibelwerk Stuttgart. Für Teilhard de Chardin sind Geist und Materie nicht substantiell voneinander verschieden. Es ist ein erfreuliches Ergebnis der Studie, daß diese Auffassung sich mit der Bibel vorzüglich vereinbaren läßt. Die bibeltheologische Überprüfung der einschlägigen Begriffe kann nachweisen, daß die Theologen bisweilen philosophische Gehalte in sie hineingelesen haben, die der Bibel fremd sind. Hier ist eine Korrektur unumgänglich, wenngleich die philosophische und theologische Auseinandersetzung um Geist und Materie damit noch lange nicht erledigt ist.


Buchbesprechungen 1967 (B)

Erwin Bosler
Von Tarsus bis Rom
Riederich 1966, 151 S.

Jean Paillard
Ringen mit Paulus
Frankfurt 1967, 391 S.

Karl Maly
Mündige Gemeinde
Stuttgart 1967, 272 S.

Expeditionen sind heute nicht mehr die ausschließliche Domäne der Wissenschaftler, sondern gehören bereits in das Programm von Touristen. Daher ist eine Reise auf den Spuren des Apostels Paulus, die Erwin Bosler in seinem Buch "Von Tarsus bis Rom" vorschlägt - eine Veröffentlichung des Sternberg-Verlages - gar nicht mehr so utopisch, wie man zuerst denken möchte; d.h. der Verfasser empfiehlt, die Reise in verschiedenen Etappen zu unternehmen.

Der Leitfaden, nach dem das Buch sich richtet, ist die Apostelgeschichte. Bosler hat die dort erwähnten Städte und Landschaften besucht und gibt von ihnen eine lebendige Schilderung hinsichtlich der Geographie, Kultur und Geschichte. Auch für den Leser, der niemals in die Lage kommt, diese Orte zu besuchen, ist dieses Buch gedacht.

Von einer Expedition ganz anderer Art, aber auch Paulus betreffend, berichtet der in Stockholm lebende französische Dominikaner Jean Paillard. Er hat uns sein "Ringen mit Paulus" - so der Titel seines Buches aus dem Knecht-Verlag - in unnachahmlicher Weise aufgezeichnet. Wir nehmen auf diese Weise teil an Paillard's Auseinandersetzung um diesen so schwer faßbaren Mann Paulus. Paillard ist zwar von Paulus fasziniert, aber noch lange nicht überzeugt. Es geht ihm wie Jakob in seinem nächtlichen Kampf mit dem Engel: "Ich lasse dich nicht, du segnetest mich denn!"

Dennoch ist das Buch nicht das Ergebnis dramatischer Erfahrungen, sondern einer zähen Auseinandersetzung, die von unserer geistigen Verfassung aus bei Paulus nachfragt, ob er uns wirklich etwas zu sagen hat. "In Ermangelung irgendeines umwälzenden Erlebnisses", heißt es auf Seite 79, "schicke ich mich zu einer langsamen Vertiefung an, indem ich Paulus gehorsam und bedächtig lese, und so unmittelbar wie möglich die Reaktion, die er auslöst, aufschreibe." Dabei läßt sich der Autor nicht in erster Linie von subjektiven Empfindungen leiten, sondern von gründlichen Studien, die er gemacht hat. Von ihnen her ist er auch der Überzeugung, daß wir heute größere Voraussetzungen haben, Paulus näherzukommen.

Der gemeinverständlichste Brief von Paulus soll der 1. Korintherbrief sein. Das erscheint aber fraglich, wenn man über das Buch von Karl Maly: "Mündige Gemeinde" an diesen Brief herangeht. In dieser wissenschaftlichen Arbeit, die der Verlag Katholisches Bibelwerk vorlegt, wirken die drei Themenkreise, die in dem Brief bis einschließlich Kapitel 14 verhandelt werden, alles andere als gemeinverständlich. Sowohl bei dem Mißverständnis des Evangeliums als Weisheitslehre, als auch bei der Frage, ob ein Christ das Fleisch von Götzenopfern essen dürfe, bis hin zu dem Phänomen der Glossolalie und Prophetie, stehen wir vor einer uns fremden Problematik.

Maly versucht jeweils das Problem zu umreißen, es exegetisch zu analysieren und schließlich einer theologischen Auswertung zuzuführen, mit der wir heute etwas anfangen können. Paulus kommt ihm darin insofern entgegen, als für ihn die konkreten Situationen in Korinth Anlaß sind, Grundsätzliches zu erörtern. Das führt zu wichtigen Aussagen über die Gemeinde, den zentralen Gehalt der Verkündigung, die Funktion des Verkündigers, die gemeindebildende Aufgabe der Eucharistiefeier und die Notwendigkeit der verschiedenen Geistesgaben für jede Gemeinde. Bei aller Gegenwartsnähe dieser Aussagen bleibt eine gewisse Fremdheit bestehen; sie liegt begründet, wie Maly immer wieder herausstellt, in der "Torheit des Kreuzes Christi", die uns in die "Krisis" führt.