ARCHIV KIRCHE 1969 | ||
Katholische Morgenfeier
im Hessischen Rundfunk Frankfurt/M. 1. Hörfunkprogramm am 28. Mai 1970 Fronleichnam ökumenisch?
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Lied (Orgel
und Chor): Ansprache: Meine verehrten Hörer! Dreihundert Jahre bevor die Reformation die westliche Christenheit trennte, entstand das Fronleichnamsfest. Damals gab es intensive Reformationsbestrebungen, die unter anderem zu einem Fest führten, das der besonderen Verehrung Christi im Sakrament des Altares dienen sollte. Man sah den Glauben an die wirkliche Gegenwart Christi durch neue Theorien in`s Wanken geraten, vor allem zeigte man sich bestürzt über die Lauheit, mit der die Christen dieser Feier gegenüberstanden. Nicht zuletzt aber sollte ein Ausgleich gefunden werden für das Verhalten unsittlicher und geldsüchtiger Priester, deren Lebensweise ihrer leitenden Stellung in der Kirche Hohn sprach. Der Tag selbst wurde anfänglich mit einer festlichen Messe begangen. Die Christen wurden aufgefordert, zahlreich am Mahl teilzunehmen. Bald darauf wurde das Fest mit einer Prozession bereichert, die dann siebenhundert Jahre als das Charakteristische der Fronleichnamsfeier betrachtet wurde. Katholische und nichtkatholische Christen sehen in ihr ein typisch katholisches Fest, an dem der ganze Glanz des katholischen Kultes entfaltet wird und wo das Unterscheidende der Konfessionen besonders deutlich hervortritt. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, daß sich katholische Pfarrer etwas darauf zugutehielten, wenn sie nach dem Krieg in überwiegend protestantischen Gegenden eine Fronleichnamsprozession abhielten und verkündeten, dies sei die erste derartige Veranstaltung nach der Reformation. Daß die protestantische Reaktion auf diese katholische Demonstration nicht besonders wohlwollend ausfiel, ist vollauf verständlich. Die Versuche, dem Fronleichnamsfest eine zeitgemäße Form zu geben und die Bemühungen um die Einheit der Christen lassen aber erwarten, daß dieser Tag keine trennende, sondern sogar eine verbindende Rolle spielen kann. Dafür empfiehlt es sich für uns Katholiken, hinzuhören auf das, was die anderen Christen vom Abendmahl des Herrn denken. Martin Luther hat im Jahre 1519 eine Predigt gehalten "von dem", so wörtlich, "Hochwürdigen Sakrament des Heiligen wahren Leichnams Christi." Aus dieser Predigt verdienen die Gedanken unser besonderes Interesse, die sich mit der Haltung eines Christen befassen, der dieses Sakrament genießt. Für Luther verbindet die Teilnahme an diesem Mahl mit der Not der anderen. Er sagt: Sprecher:
Die Einsetzungsworte "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird, das ist mein Blut, das für euch vergossen wird" und der Satz, "so oft ihr das tut, gedenkt meiner dabei", versteht Luther so, als spräche Jesus Sprecher:
Mehrmals in seiner Predigt kommt Luther darauf zu sprechen, wie diese Solidarität mit Christus und den Mitmenschen auszusehen hat: den Armen helfen, für die Elenden sorgen, die Besserung der Kirche und aller Christen suchen, das eigene Vermögen bereitstellen, als gehöre es den andern, die Sünder ertragen und schließlich Zwietracht und Uneinigkeit überwinden. All das folgert er aus der tiefen Gemeinschaft, in die der Mensch durch die Kommunion mit Christen eintritt. Nur zu deutlich empfindet er den krassen Widerspruch, dass zwar viele Messen gehalten werden, aber die geforderte christliche Gemeinschaft nicht entsteht oder sogar zerstört wird. Daher hält er nicht viel davon, täglich zur Messe zu gehen, wenn die Betreffenden sich nicht ändern, ja sogar schlimmer werden. Im Grunde ist es der gleiche Widerspruch, den Paulus bei den Christen von Korinth feststellt und den er mit folgenden Sätzen kritisiert: Lesung: (1 Kor11,20-26)
Paulus spricht hier von der Übung der ersten Christen, mit der Feier des Abendmahles ein gemeinsames Essen zu verbinden, zu dem jeder nach Kräften beisteuerte. Auf diese Weise unterstützten die Reichen die Ärmeren. Sprecher:
Lied (Orgel und Chor): Verehrte Hörer! Die Kritik, die Paulus schon zu seiner Zeit anzubringen hat, ebenso die eindringlichen Worte von Martin Luther über die Gemeinschaft mit den Notleidenden zeigen, wie sehr die Christenheit um die echte Feier des Abendmahles zu ringen hat. Das sind in erster Linie keine dogmatischen Probleme, auch keine Sorgen um liturgische Zeremonien, die es in diesem Zusammenhang zu bewältigen gilt, sondern die ständigen Versuche, vor der harten Konsequenz, die sich aus der Mitfeier des Herrenmahles ergibt, auszuweichen. In einer modernen Version - einem Gedicht von Hermann Hesse - ist es kraß formuliert: (Jesus und die Armen) Sprecher:
Die in diesem Gedicht enthaltene Kritik an unseren Gottesdiensten geht nicht in`s Leere, weil sie auf viele unserer Gottesdienste zutrifft, mehr noch, weil sie unzählige Christen betroffen macht. Das Gespür für das Auseinanderklaffen von Liturgie und Leben ist stärker geworden und drängt auf ein neuartiges Ineinander. Der südamerikanische Priester und Sozialrevolutionär Camilo Torres sah für dieses Problem vorderhand nur eine Lösung; so bekennt er von sich: "Ich habe aufgehört, die Messe zu feiern, um besser diese Nächstenliebe im zeitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich verwirklichen zu können. Wenn mein Nächster nichts mehr gegen mich hat, wenn die Revolution verwirklicht wurde, will ich wieder Messen aufopfern, wenn es Gott erlaubt." Hier ist auf ein Schriftwort angespielt, welches dem Gläubigen verbietet, seine Gabe zum Altar zu bringen, bevor nicht alle Schwierigkeiten mit dem Bruder ausgeräumt sind. Torres ist davon überzeugt, daß die Menschen, die unter katastrophalen Verhältnissen leben müssen, allen Grund besitzen, etwas gegen die Christen zu haben, solange diese nicht alles daran setzen, die Verhältnisse in der Welt zu ändern. Um der Messe in ihrem Anspruch gerecht zu werden, ist Torres zum Revolutionär geworden. Er ist nicht mehr dazu gekommen, erneut die Messe zu feiern. Der Tod ereilte ihn, ohne daß sein Ziel nur annähernd erreicht wurde. Aber von diesen und anderen Menschen geht eine Unruhe auf die Christen über, die ihren eucharistischen Feiern ein neues Gepräge gibt. Vor kurzem traten in Paris fünf Ingenieure und Techniker in einen Hungerstreik, weil in ihrem Industriebetrieb über 90, zumeist ältere Putzfrauen entlassen werden sollten. Mit ihrem Streik wollten sie erreichen, daß den Frauen, die nicht in der Lage waren, sich selbst zu wehren, ein Arbeitsplatz gesichert wurde. Der einzige Platz, der sich für den Hungerstreik der Männer als geeignet erwies, war der Raum unter der Kirche. Für die Gemeinde ergab sich plötzlich eine neue Situation, als sie sich anschickte, das Abendmahl zu feiern. Denn sogleich tauchte die Frage auf, wie können wir hier Mahl halten, wenn unter unseren Füßen Menschen hungern? Die Überlegungen führten schließlich dahin, daß sich die Gemeinde mit der Aktion solidarisch erklärte. Dann erst fühlte sie sich imstande, am Mahl des Herrn teilzunehmen. Das ist in der Form natürlich ein Einzelfall, aber er ist kennzeichnend für das gewandelte Verständnis der christlichen Mahlfeier. Gerade, wer mit Aufmerksamkeit die Texte und Formen neuer Eucharistiefeiern verfolgt, stellt fest, daß das Herrenmahl immer stärker mit einem sozialen Engagement verknüpft wird; denn es geht ja längst nicht mehr nur um die Behebung individueller Not, sondern um eine weltweite Verbesserung der Verhältnisse. Die Angst vieler, das Christentum könne sich in sozialer Aktion verlieren, ist sicher weniger berechtigt als die Sorge, die Christen würden gemächlich zum Tisch des Hernn schreiten, ohne an die zu denken, die unter ihren Füßen hungers sterben. Bezeichnend für die neuen Eucharistiefeiern ist aber nicht nur der Umstand, daß sie zu aktivem Einsatz anleiten, sondern daß sie immer häufiger Christen verschiedener Konfession zusammenführen. Dabei hängt das eine wohl mit dem anderen zusammen; die Unruhe unter den Christen über die heutige Welt führt immer stärker zu gemeinsamer Überlegung und zu gemeinsamem Handeln. Hierbei spielen - wenigstens auf der geistigen und menschlichen Ebene - konfessionelle Unterschiede eine völlig untergeordnete Rolle; nicht deswegen, weil man sie verdrängt, sondern, weil sich das Bewußtsein verändert hat. Ganz andere Fragen, als die nach der Gegenwartsweise Christi oder das richtige Amtsverständnis sind in den Vordergrund getreten. Sie lassen Konfessionsunterschiede zu Spielarten des Christlichen werden. Darum finden sich immer selbstverständlicher Christen aus den verschiedenen Lagern am Tisch des Herrn ein. Die Mahlsituation, die im Neuen Testament für Jesus und seine Anliegen so zentral erscheint, ist auch ihnen für die gemeinsame Arbeit unerlässlich. Dabei sind die Kreise bei all ihrer Sorge schlecht beraten, die versuchen dieser neuen Lage mit den bisherigen dogmatischen Vorstellungen beizukommen. Die Theologie wird sich vielmehr beeilen müssen, den Lebensvollzug dieser christlichen Vorhut einzuholen. Das Fronleichnamsfest kann auf die Dauer kein katholisches Fest im konfessionellen Sinne mehr bleiben. Es ist kirchlichem Reformwillen entsprungen. Will es seinem Ursprung treu bleiben, wird es in Zukunft zu einem ökumenischen Tag werden müssen. Gebet:
Lied (Orchester und
Chor):
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