Herbert Leuninger | ARCHIV
KIRCHE 1973 | |
Gottesdienstvorlage
INTERNATIONALE GEMEINDE
in:
Arbeitsmaterial zur Vorbereitung des Heiligen
Jahres 1974, herausgegeben vom Bischöflichen
Ordinariat
der Diözese Limburg - Dezernat Grundseelsorge | ||
EINFÜHRUNG:
BUSSAKT: Wenn wir, die mit Menschen aus den verschiedensten Nationen zusammenleben, nicht gegenseitig besser verstehen, ist das unser Versagen. (kurze Pause) ORATIONEN (zur Auswahl): Gott aller Menschen und Völker, deine Herrschaft ist dann vollkommen verwirklicht, wenn alle Völker unter deinem Willen geeint sind. Lass in unserer Gemeinde die trennenden Unterschiede zwischen den Menschen verschiedener Nationalitäten verschwinden. Dann kann die Kirche bereits jetzt das Zeichen für die Neue Welt sein, die angebrochen ist in Jesus Christus, deinem Sohn. Gütiger Gott, Millionen Menschen haben ihre Heimat verlassen, um in ein Land zu kommen, das ihnen in der Ferne wie das "Gelobte Land" vorkam. Laß sie hier nicht nur ihr tägliches Brot finden, sondern auch Anerkennung und Gemeinschaft durch Christus unsern Herrn. Großer und guter Gott, du hast uns an deinen Tisch geladen. Besonders willkommen sind dir alle, die von den Menschen zurückgesetzt werden. Gib uns Kraft und Mut, daß wir uns für die Gleichberechtigung der Ausländer in unserer Mitte einsetzen, und sie bereits in unserem Gemeindeleben verwirklichen. Darum bitten wir dich, durch Christus unsern Herrn. FÜRBITTEN:
Denn in deiner Welt, Gott, ist die Einheit aller Menschen das große Zeugnis deiner Güte, in Christus unsern Herrn. PREDIGT: In einer Taunus-Gemeinde wird zweimal monatlich eine "Internationale Messe" gefeiert, an der neben den deutschen Gemeindegliedern auch italienische, kroatische, portugiesische und spanische Pfarrangehörige teilnehmen. Ein afrikanischer Priester, der kürzlich bei einem solchen Gottesdienst konzelebrierte, zeigte sich erstaunt darüber, daß diese Eucharistiefeier als "Internationale Messe" bezeichnet wurde. "Wieso ist sie international?" fragte er auf Englisch, "wenn an ihr doch nur Europäer teilnehmen?" Aus seiner Sicht ist eine Versammlung erst dann international, wenn sie Menschen aus verschiedenen Rassen oder Kontinenten zusammenführt. Es kann sehr hilfreich sein, die Tatsache, daß viele Christen gerade aus europäischen Ländern unter uns leben, aus der Sicht eines Afrikaners zu betrachten; denn dann stellt es sich heraus, daß die Gemeinsamkeiten - von der Sprache vielleicht einmal abgesehen - so groß sind, daß sie für den Angehörigen einer anderen Rasse etwaige Unterschiede fast völlig überdecken. Das heißt dann aber auch, daß das Gemeinsame tatsächlich in starkem Maße überwiegt. Wer sich dieser Betrachtungsweise anschließt, für den verliert jedwede Andersartigkeit, wie sie natürlicherweise mit verschiedenen Nationalitäten gegeben ist, sehr an Bedeutung. Daher gibt es auch bereits viele Menschen bei uns, denen nationale Grenzen nicht mehr bedeuten, als die Landesgrenzen zwischen Hessen und Rheinland/Pfalz. Damit sind natürlich nicht die Schwierigkeiten beseitigt, die sich aus dem Umgang mit Menschen anderer Sprache ergeben; nur behalten diese Schwierigkeiten nicht mehr den bisherigen Rang, da die gefühlsbetonte Abwehr des Fremden erheblich herabgemindert ist. Das internationale Bewußtsein eines Christen wird aber noch auf eine entscheidendere Weise geprägt. "Ihr alle seid ja in Christus Jesus Söhne und Töchter Gottes", schreibt Paulus. Daher gibt es auch in der Gemeinde keine Trennung mehr, wie etwa die zwischen Juden und Griechen. Paulus, selbst als Jude in der Diaspora Kleinasiens groß geworden, kennt den befruchtenden Austausch verschiedener Kulturen. Daher ist er auch der berufene Mann, die Kirche in eine Völkerumfassende Weite zu führen. Das hat er selbstverständlich nicht auf eigene Verantwortung hin getan, sondern auf dem Hintergrund, daß Christus den universalen Auftrag des Volkes Israel eingelöst hat, Vermittler des Heils für alle Völker und Nationen zu sein. Unter der Herrschaft Gottes entsteht eine neue Einheit aller Menschen jenseits aller sozialen, psychologischen und nationalen Barrieren, wie sie Menschen normalerweise voneinander trennen. Das Pfingstereignis mit dem Sprachenwunder ist dafür das eindrückliche Symbol. Der übergreifende Zusammenhalt in einer Gemeinde schafft unter den Menschen Beziehungen, wie sie in der Familie gelten. Sie entstehen dann, wie Jesus sagt: "Wenn jemand den Willen Gottes tut". Er ist zum Dienst am anderen bereit und hört damit auf, sich selbst in einem nationalen Bewusstsein zu behaupten. Im Dienen findet er sich und den anderen. Die gefühlsbetonten Bindungen - wie sie zwischen Blutsverwandten bestehen - können nur auf diese Weise auf das Verhältnis von Menschen übertragen werden, die sich vordem als Fremde oder als Feinde gegenüber standen. So gehört ein verfemter Samariter genauso zur Familie Gottes, wie ein Offizier der verhaßten römischen Besatzungstruppe. Internationalität ist für eine Gemeinde, die sich der Herrschaft Gottes gebeugt hat, eine der großen - wenn auch noch immer ungewohnten - Selbstverständlichkeiten. Sie kann sogar als Maßstab dafür genommen werden, wie es um die Annahme des Willens Gottes in der Gemeinde bestellt ist. Die Internationalität der Kirche wurde von ungezählten Christen in Rom erfahren, wenn sie etwa zu vielen Tausenden auf dem Petersplatz standen und begeistert zuhörten, wie der Papst die Osterwünsche in den verschiedensten Sprachen ausrichtete. Rom war und ist ein Zentrum des christlichen Internationalismus. Wir brauchen heute nicht mehr eigens nach Rom zu fahren, um die weltumspannende universale Kirche zu erleben. Entsprechende, nicht minder tief gehende Erfahrungen können wir auf dem Boden unserer Gemeinde machen. Es ist eine faszinierende Aufgabe, auf diese Weise ein Zeichen für die neue Welt Gottes zu setzen. Die Fremdheit unserer ausländischen Mitchristen und Mitbürger bietet uns die einmalige Möglichkeit, die Vertrautheit Gottes zu erfahren, wenn wir unsere engen Grenzen auf die anderen hin zu überschreiten wagen. Die vielen Sorgen, die die ausländischen Arbeiter und ihre Angehörigen, die in unserer Mitte leben, haben, sind Anlaß genug dazu.
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