Herbert Leuninger ARCHIV ASYL
1986

FRANKFURTER RUNDSCHAU
15. Juli 1986

Ein Pfarrer, der nicht nur aufs Gebet setzt
Wenn's um Asylanten geht, läßt Herbert Leuninger bei Behörden nicht locker

HOFHEIM. Ein politischer Flüchtling aus Iran bat im Sozialamt des Main-Taunus-Kreises um einen Koffer. Sein Wunsch wurde von den Beamten mit der Begründung abgelehnt, daß das Sozialministerium Kosten dafür nicht erstatte. Der Iraner erzählte dies dem Hofheimer Asylpfarrer Herbert Leuninger, der sich sofort direkt an das Sozialministerium wandte. Die erfreuliche Nachricht kam Wochen später. Das Ministerium hatte die Kreisverwaltung angewiesen, den Koffer im Wert von 40 Mark zu bezahlen - eines der vielen Beispiele für den unermüdlichen Einsatz des Geistlichen, der vor einem Jahr vom Bistum Limburg zum Asylpfarrer im Main-Taunus-Kreis berufen wurde. "Mit ungeheurer Hartnäckigkeit", erzählt Herbert Leuninger, "kann man einiges erreichen."

Ständige Interventionen bei Behörden, aktenfüllende Korrespondenzen, unzählige Telefonate sind notwendig, um den Alltag der rund 450 Asylbewerber zu erleichtern, die im Kreis fast ausschließlich in Gemeinschaftsunterkünften ein monate-, oft jahrelanges tristes Dasein fristen. Pfarrer Leuninger arbeitet eng mit der Hofheimer Pax-Christi-Gruppe zusammen. Denn Solidarität mit den Flüchtlingen betrachten die engagierten Katholiken als Teil ihrer Friedensarbeit.

Gemeinsam bitten sie um Renovierung völlig heruntergekommener Wohnheime, in denen die Ausländer zusammengepfercht leben müssen, sie führen seitenlangen Briefwechsel mit den zuständigen Stellen um ein paar Möbelstücke, sie helfen bei Einkäufen und Behördengängen und bei der - fast aussichtslosen - Suche nach Arbeitsplatz und Wohnung für anerkannte Asylberechtigte. Ihrer unablässigen Initiative ist es zu verdanken, daß die politischen Flüchtlinge im Main-Taunus-Kreis anstelle der Gutscheine wieder Bargeld erhalten.

Immer mehr Menschen, berichtet Pfarrer Leuninger, öffnen sich den Problemen der Flüchtlinge, eine mittlerweile "beachtliche Minderheit" unterstütze seine Arbeit. Er sieht in dieser wachsenden Bereitschaft, Zusammengehörigkeitsgefühl zu demonstrieren, einen "Aufbruch in eine neue Zeit". Die in der Vergangenheit sehr harten Auseinandersetzungen mit führenden Kreispolitikern seien größerer Sachlichkeit gewichen, "bedenkliche Äußerungen" sind unterblieben. "Im Main-Taunus-Kreis ist ein besseres Klima zu bemerken."

"Beachtlich" nennt Pfarrer Leuninger beispielsweise die Tatsache, daß sich das Hofheimer Stadtparlament intensiv mit der Frage beschäftigt hat, wie das Leben der politischen Flüchtlinge in Hofheim erleichtert werden kann. "Die Asylfrage wird hier nicht mehr so hemdsärmelig behandelt."

Rückschläge fürchtet der Asylpfarrer indessen nach der jüngsten Diskussion über die Beschränkung des Asylrechts, in der die Ausländer zu einer "verhaßten Minderheit" abgestempelt würden, der man "Schmarotzertum, Kriminalität und Illegalität" anhänge. Herbert Leuninger: "Diese Auseinandersetzung wird ohne Menschlichkeit geführt und trägt wahnhafte Züge." Er habe große Sorge, daß sich damit das Klima wieder erheblich verschlechtern werde. Auf die politischen Flüchtlinge in der Bundesrepublik werde inzwischen wieder ein solch großer Druck ausgeübt wie der, der sie veranlaßt habe, ihre Heimat zu verlassen.

Über die praktische Lebenshilfe hinaus ist Pfarrer Leuninger auch seelsorgerisch tätig. Er hält regelmäßig Gottesdienste im Diedenberger Flüchtlingsheim, die vor allem von armenischen Christen aus Iran und orthodoxen Katholiken aus Eritrea besucht werden und überdies allen Angehörigen anderer Konfessionen offenstehen, und er arrangiert alle zwei Wochen ökumenische Gottesdienste in der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft in Schwalbach. Hierzu werden immer wieder andere Pfarrer eingeladen, so daß sich "Christen im Lager einfinden, die sonst nie hierhergekommen wären". Diese ökumenische "Initiative demonstrieren gemeinsame Präsenz und gemeinsame Verantwortung der Kirchen.

Die Basisarbeit im Main-Taunus-Kreis verbindet Pfarrer Leuninger, seit 1972 Ausländerreferent im Bischöflichen Ordinariat Limburg, mit "übergreifenden Reflexionen": Er publiziert seine Erfahrungen, arbeitet sie auf und versucht, sie anderen interessierten Gruppen zu vermitteln.

Herbert Leuninger und seine Gefährten von Pax Christi wollen nicht als „Über-Mütter" oder „Über-Väter" mit Dankbarkeit überschüttet werden, weil sie "als die großen Helfer" agieren. Sie suchen die Freundschaft mit den Flüchtlingen: Der Hofheimer Asylpfarrer wünscht, daß nicht Abhängigkeit, sondern Partnerschaft das Miteinander mit den Exilisten bestimmt. "Ich schätze mich glücklich, diese Menschen zu Freunden zu haben. Sie haben mein Leben bereichert."

MARGIT FEHLINGER