Herbert Leuninger | ARCHIV KIRCHE 1988 | ||
KOMMUNALWAHLRECHT FÜR AUSLÄNDER
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Die Position des Europäischen. Parlamentes
Diese Äußerungen stammen von dem parlamentarischen Berichterstatter des Europäischen Parlaments
Heinz Oskar Vetter vom 14.12.1987. Einen Tag später hat das Parlament eine Entschließung zum Wahlrecht
der Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bei Kommunalwahlen mit 132 gegen
90 Stimmen bei 7 Enthaltungen beschlossen und die EG-Kommission beauftragt, im ersten Halbjahr
1988 einen Richtlinienvorschlag über das Kommunalwahlrecht für Staatsangehörige aus anderen Mitgliedsstaaten
vorzulegen. Die Zustimmung wäre vermutlich noch höher ausgefallen, wenn in diese Entschließung
nicht noch die Empfehlung über das Stimmrecht für Staatsangehörige von Drittstaaten mit aufgenommen
worden wäre. Interessant ist, daß sich die Sprecherin der christdemokratischen Fraktion für das Kommunalwahlrecht
- allerdings nur - der EG-Staatsangehörigen mit den Worten ausgesprochen hatte:
Damit wäre an sich das Desiderat des CDU-Konzepts zur Ausländerpolitik von 1977 erfüllt, wonach
die CDU dafür eintritt,
Nach wie vor beharrt aber die CDU/CSU darauf, statt der Gewährung des Kommunalwahlrechtes die
Einbürgerung zu erleichtern. So nur ist es auch zu verstehen, daß sich ihre Europa-Abgeordneten
um Graf Stauffenberg und von Habsburg in einer Erklärung zur Abstimmung im EG-Parlament noch einmal
grundsätzlich gegen die Gewährung eines Kommunalwahlrechtes an Ausländer aussprachen. Zur Position der Katholischen Kirche
Im Unterschied zur Haltung gegenüber der Familienzusammen-führung, wo seit Anfang der 40er Jahre
eine Fülle römischer Lehräußerungen über die Familie in der Emigration und ihr Recht auf Einheit
und Zusammenführung vorliegt, gibt es nach meiner Kenntnis keine Stellungnahme Roms zu einem irgendwie
gearteten Wahlrecht für Immigranten. Für die Bundesrepublik sind mir neben der einschlägigen Erklärung
des Zentralrates des Deutschen Caritasverbandes von 1971 nur zwei relevante kirchliche Äußerungen
bekannt. Die eine - die unterhalb der Ebene des magisterium ordinarium anzusiedeln ist - nämlich
die für das Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen und der Konferenz der Caritasverbände
in Hessen abgegebene, relativ vorsichtige Erklärung bei einer Anhörung des Hessischen Landtags
im Jahre 1980. Dann die Forderung nach einem Kommunalwahlrecht für Ausländer, die Bischof Moser
von Stuttgart-Rottenburg anlässlich der vorletzten Woche der ausländischen Mitbürger erhoben hat.
Er bezog sich dabei allerdings auf die Würzburger Synode, die sich für die Einführung des Kommunalwahlrechts
für Ausländer ausgesprochen habe. Vermutlich ist dem Bischof aber nicht bewußt gewesen, daß es
sich hierbei um eine Stelle aus dem Begründungs- nicht aber aus dem Beschlußtext handelt. Das
dürfte den Aussagewert verändern. Insgesamt ist das Thema "Kommunales Wahlrecht für Ausländer“ für die Kirche kein Thema gewesen.
Von der Sache her und angesichts der Funktion, die die Kirche gegenüber den ausländischen Arbeitnehmern
und ihrer Familien eingenommen hat, ist dies an sich nicht verständlich. Auch wenn die Frage nach
dem Kommunalwahlrecht in der Synode unentschieden blieb, hatte diese in ihrem Beschlußtext immerhin
gesellschaftliche Strukturen gefordert,
Die Kirche hat ihre bedeutende Anwaltsfunktion auf den für den modernen Menschen so zentralen
Bereich der politischen Mitbestimmung nicht ausgedehnt und damit ihre gesellschaftspolitische
Stellvertretung perpetuiert. Dies ist im Grunde eine Form von Paternalismus. Zu verstehen ist
das damit gegebene Defizit nur aus der Spannung zwischen der Entwicklung einer Gesellschaft, die
sich im 20. Jahrhundert letztlich nur demokratisch legitimieren kann, und einer Kirche, deren
Autoritätsstrukturen höchstens vordemokratisch zu nennen sind. Die Kirche kann hier offensichtlich kein Zeichen setzen. Ich selbst bin seit Konzil und Synode
immer von einer Zeichenhaftigkeit der Kirche ausgegangen, bei der es um das Heil des ganzen Menschen
in seinem individuellen und gesellschaftlichen Kontext geht. Dies habe ich 1975 bei einem Interview
für die Hessenschau im Zusammenhang mit der ersten Wahl von Gemeinderäten in den Gemeinden von Katholiken
anderer Muttersprache zum Ausdruck bringen wollen. Ich habe die Wahlen damals als einen ersten
Schritt bezeichnet, um die Selbstvertretung der Ausländer nicht nur in der Kirche, sondern in
der gesamten Öffentlichkeit voranzutreiben, bis hin zu einem Kommunalwahlrecht. Die politischen OptionenDie Gegner des Kommunalwahlrechts - lange waren es auch Gewerkschaften und SPD - argumentieren
überwiegend juristisch und zwar aus einem ethnischen Nationalstaatsdenken heraus. Die Befürworter
dieses Wahlrechtes bevorzugen in ihrem Denken einen eher universalen Horizont und ordnen das Wahlrecht
für Ausländer dem Menschenrechtskanon zu. Daran wird deutlich, daß es nicht so sehr um rechtliche
Fragen geht, sondern um politische Optionen. Welche die der Kirche gemäßere ist, muß nicht eigens
erwähnt werden. Als Alternative für das Kommunalwahlrecht wird die erleichterte Einbürgerung gerade von denen vorgeschlagen, die bislang diese im Rahmen eines Einwanderungsprozesses selbstverständliche Forderung zurückgewiesen haben. Auch dies entsprang einem engen nationalstaatlichen Denken, das die Bundesrepublik nicht als Einwanderungsland ansah. Jetzt die Einbürgerung zu forcieren, um politische Mitwirkungsrechte nationalstaatlich zu kanalisieren, wenn es längst um ein europäisches Bürgerrecht geht und die EG Schritt für Schritt das Rechtsinstrument des Indigenates durchsetzt, d.h. einer Angleichung der Rechte der Fremden an die der Einheimischen, ist da schon eher ein Anachronismus. Da die Kirche in diesen Fragen aber keine eigenen Perspektiven entwickelt, scheint sie sich auf Argumentationshilfen verlassen zu wollen, die ihrer universalen Aufgabe in Europa und in der Welt kaum entsprechen dürften. |