Herbert Leuninger ARCHIV MIGRATION
1974

Landtagswahl in Hessen


BISCHÖFLICHES ORDINARIAT LIMBURG
Dezernat Kirchliche Dienste
Referent für kirchliche Ausländerarbeit

7.8.1974

An das
Diözesansynodalamt
zu Hd. Herrn Dieter Döhne

625 Limburg Postfach 308


Betr.: Erklärung der LAG der Diözesanräte in Hessen zur Landtagswahl
hier: Problemkreis Ausländische Arbeitnehmer


1. Wahlprogramme

Alle drei Parteien gehen davon aus, daß auch in Zukunft die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in der BRD erforderlich ist.

Die SPD stellt sich darauf ein, daß eine erhebliche Anzahl dieser Arbeiter für eine längere Zeit, oder auch für immer, hier bleibt. Daher ist sie für verstärkte Bemühungen zu einer besseren Eingliederung.

Die CDU bezieht sich im wesentlichen auf für die deutsche Bevölkerung negativen Folgen der starken Ausländerbeschäftigung. Für sie bestehen - bei der Masse der ausländischen Arbeitnehmer - größte Schwierigkeiten für eine Eingliederung (Integration). Die geforderten Maßnahmen dienen vornehmlich der Rückkehr der Ausländer in ihre Heimat. Der Tenor der Ausführungen ist n i c h t ausländerfreundlich.

Die FDP will erreichen, daß die rechtliche Gleichstellung der ausländischen Arbeitnehmer voll verwirklicht wird. Eindeutig lehnt sie ein Rotationsprinzip ab.

2. Hintergrund

Die Verbesserungsvorschläge der Parteien sind so allgemein gehalten, daß sie zu keinen konkreten gesetzgeberischen Initiativen verpflichten.

Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, wie die große Anzahl der Ausländer in irgendeiner Weise an der politischen Willensbildung beteiligt werden könnte. Der Zustand, daß das Wohl und Wehe der Ausländer ganz dem Gutdünken der Parteien, der Regierungen und der Wirtschaft überlassen bleibt, ist auf Dauer unvertretbar. Die Ausländer haben derzeit keinerlei politische Möglichkeit, selbst zur Verbesserung ihrer Situation beizutragen. Sie sind politisch unmündig.

Gleichzeitig werden sie als Konjunkturpuffer betrachtet und behandelt, wie es sich auch bei dem augenblicklichen Konjunkturrückgang wieder zeigt. Das Ausländerrecht wird je nach Konjunkturlage angewendet.

Aus den genannten und manchen anderen Gründen lebt der größte Teil der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in einer ständigen Unsicherheit. Sie ist ein großes Hindernis für alle Integrationsbemühungen, nicht zuletzt auch auf dem schulischen Gebiet.

3. Forderungen

  1. Änderungen der Hessischen Gemeindeordnung, damit Ausländer in Deputationen bzw. Ausschüssen mitwirken können. (vergl. Rhld.-pfälz. Gemeindeordnung)
  2. Einführung des Kommunalwahlrechtes für Ausländer, die mehr als 5 Jahre in der Bundesrepublik leben.
  3. Wohnraumprogramme für ausländische Familien, die nicht durch das mangelnde Engagement der Arbeitgeber blockiert werden können. (bisherige spezielle Bauprogramme sind durch das Desinteresse der Arbeitgeberseite in den Ansätzen stecken geblieben)
  4. Stärkere finanzielle Förderung der freiwilligen Hausaufgabenhilfe für ausländische Schüler. Das Kultusministerium ist nicht mehr in der Lage, die sich ausweitende Arbeit auf diesem Gebiet voll zu finanzieren.

(H. Leuninger)