Herbert Leuninger

ARCHIV MIGRATION
1977

Fremdenfeindlichkeit
Leserbrief

Initiativausschuss
"Ausländische Mitbürger in Hessen"
Geschäftsstelle Hofheim

An
Stuttgarter Zeitung
Chefredaktion
7000 Stuttgart

5.10.1977

Betr.: Ihr Artikel v. 1.10.1977

"Die Landesregierung denkt erneut über Rückkehrhilfen für Gastarbeiter nach"

Sehr geehrter Herr Chefredakteur!

Der Initiativausschuss "Ausländische Mitbürger in Hessen", der Ihre Zeitung ständig für seinen Materialdienst auswertet, hat als einen besonders charakteristischen ausländerpolitischen Beitrag den o.g. Artikel über die Pressekonferenz mit Ministerialdirigent Reinhold Staib vom Sozialministerium Baden-Württemberg in seinen Dienst übernommen.

Charakteristisch und enthüllend ist in diesem Fall nicht die sattsam bekannte und oft kritisierte Ausländerpolitik von Baden-Württemberg, sondern die Sprache, in der sie von einem zuständigen Ministerialdirigenten vorgetragen wird. Herr Staib spricht - und hier müssen wir uns auf die Korrektheit der journalistischen Berichterstattung Ihrer Zeitung verlassen - von den Erfahrungen bei den Audi-NSU-Werken, "wo wir das Ding mit 16 Millionen Mark gemacht und etwa 2000 Leute mit durchschnittlich 8.000,- Mark rausgeschafft haben." Ein "Ding machen" bzw. "ein Ding drehen" ist ja wohl der Ganovensprache entlehnt?

Zwei andere Formulierungen sind typische Beispiele für die Sprache des Vorurteils. Einmal ist hinsichtlich der Türken davon die Rede, "wenn die über uns hereinströmen, so eine oder zwei Millionen...." oder "da liegt es ja in der Tat nahe, daß ich mir sage, warum habe ich 1,9 Millionen Ausländer hier".

Es ist wichtig, daß die mehr als saloppe Redeweise nicht auf die Ausländer beschränkt bleibt. Auch der Deutsche, der "unqualifizierte" wird hier miteinbezogen, insofern er durch eine Unterschichtung durch Gastarbeiter "zwei Stufen höher gedrückt wurde".

Schließlich weist der Redestil des Ministerialdirigenten auch auf ein gestörtes Verhältnis zur Gewaltenteilung in der Demokratie hin, in dem er die Verwaltungsgerichte kritisiert, und sagt: Das ist ja gerade das bedauerliche an unserer Gerichtsbarkeit, daß sie große Probleme anderen Leuten überlässt".

Politik, die in dieser Sprache der Öffentlichkeit vermittelt wird, richtet sich wohl selbst und unterstreicht die Berechtigung der Kritik, die an ihr besonders im Ausländerbereich geübt wird.

Mit freundlichen Grüßen
i.A.
Herbert Leuninger