Herbert Leuninger

ARCHIV MIGRATION
1990

az andere Zeitung
Frankfurter Stadt-Illustrierte

Man muss reden
az-Gespräch

zwischen
Rosi Wolf-Almanasreh
(Leiterin des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt),
Pfr. Herbert Leuninger
(Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL) und
Dr. Heiner Geißler
(ehemaliger Generalsekretär der CDU und CDU-Präsidiumsmitglied)
(Gespräch am 4. Juli 1990)

INHALT
Die Bundesrepublik als Einwanderungsland und multikulturelle Gesellschaft.


Herbert Leuninger:

Herr Dr. Geißler, Sie haben zwei gesellschaftspolitische Themen neu in die öffentliche Diskussion eingeführt: Zum einen 1975/76 als Sozialminister des Landes Rheinland-Pfalz die „Neue Soziale Frage" und 1988 die „Multikulturelle Gesellschaft". Aus meiner Sicht war die öffentliche Beschäftigung mit diesem Thema seit 10 Jahren überfällig, denn 1980 gaben die Kirchen das Motto von der multikulturellen Gesellschaft aus. Ich bezeichne es als „kollektive Lernhemmung", um zu erklären, warum es so lange gedauert hat, bis das Konzept der „multikulturellen Gesellschaft" in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Sie haben nun versucht dieser „Lernhemmung" ein Ende zu setzen. Damit haben Sie auch die Chance eröffnet, weiterbestehende Lernhemmungen aufzuheben, die sich mit den Schlagworten charakterisieren lassen: „Die BRD ist kein Einwanderungsland", „ethnischer Nationalstaat", „neues Verständnis einer Republik". Wie erklärt es sich, dass eine Realität, die schon seit über 10 Jahren besteht, erst jetzt zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion gemacht werden kann?

Heiner Geißler:

Ich glaube, dafür sind zwei Gründe ausschlaggebend. Ein Grund liegt für mich in der Auffassung: „Wir sind kein Einwanderungsland". Dieser Satz wurde von allen politischen Kräften, mit Ausnahme der GRÜNEN verwendet und stand in allen Regierungserklärungen. Die dahinterstehende Überlegung, daß wir bei einer derartig hohen Bevölkerungsdichte kein Einwanderungsland wie die USA sein konnten, klang plausibel. In Wahrheit waren wir aber ein Einwanderungsland und auch ich habe das erst im Laufe der Zeit verinnerlicht. Immerhin sind seit 1985 jedes Jahr ca. 100.000 „Einwanderer" zu uns gekommen. Als zweiter Grund kam Ende der 80er Jahre die Erstarkung des Rechtsradikalismus hinzu. Die Rechtsradikalen hatten das Ausländerthema sehr stark besetzt, und viele Menschen glaubten in der Folge, obwohl es gar nicht ihren inneren Überzeugungen entsprach, man müsse diesen Leuten „das Wasser abgraben". Daher haben die eine „härtere" Linie in die Diskussion um das Ausländerrecht hereingebracht und die Auseinandersetzung um die multikulturelle Gesellschaft weiter verzögert.

Rosi Wolf-Almanasreh:

Was ich nicht verstehen kann, ist wie mit Blick auf die Wiedererstarkung des Rechtsradikalismus, heutzutage in den politischen Parteien noch derartig verschlossene Meinungen gegenüber Ausländern vertreten werden können und das nicht nur in der CDU/CSU. In der Frankfurter Stadtpolitik merke ich, dass die Menschen hier in einem schizophrenen Zustand leben. Die meisten Politiker sagen immer noch: „ Die Einwanderung war ein Ausrutscher, das kriegen wir mit Hilfe des neuen Ausländergesetzes in den Griff." Aber tagtäglich erleben die Menschen in Frankfurt, daß Fremde kommen. Daher bezichtigen sie die offizielle Politik der Lüge. Die Folge ist ein Rechtsdruck in der Bevölkerung, d.h. sie lassen sich von irgendwelchen Rattenfängern mit Scheininformationen und Tröstungen einfangen. Ich verstehe nicht, und würde es auch nicht verstehen, wenn ich eine gestandene Konservative wäre, woher dieses Auseinanderklaffen von Realität und Illusion kommt. Ich bezeichne das als „kollektive Wahrnehmungsstörung". Mich interessiert, was ihrer Meinung nach Personen wie wir tun können, um die multikulturelle Gesellschaft umzusetzen?

Heiner Geißler:

Ich glaube, daß man viel mehr Aufklärung braucht. Der Begriff der multikulturellen Gesellschaft ist noch vor eineinhalb Jahren auf Riesenwiderstand gestoßen. Dieser Widerstand geht heute zurück und man diskutiert jetzt über das Thema, weil die Fakten nicht widerlegt werden können. Für viele Menschen wird dabei in der Diskussion das Nebenargument, daß wir ohne Bevölkerungszuwachs von außen unseren Lebensstandard, unser Bruttosozialprodukt und in zwanzig oder dreißig Jahren unsere Renten nicht mehr finanzieren können, zum Hauptargument. Ich benutze es nur hilfsweise, denn wo moralische Kategorien versagen, muß man mit einem anderen Knüppel kommen.

Rosi Wolf-Almanasreh:

Das neue Ausländergesetz hält immer noch den Grundgedanken aufrecht: „Das sind Fremde, die müssen raus." In einer Zeit, in der sich die DDR öffnet, in der wir noch einmal neu denken müssen, weil sich so vieles ändert, wirkt das Gesetz auf mich vollkommen anachronistisch.

Heiner Geißler:

Sehr richtig, das Ausländerrecht steht auf einer Schiene, die auf einem Sackbahnhof mündet. Mit dem neuen Ausländergesetz hat man den Wagen noch ein bisschen weiter vorgeschoben, anstatt ihn zurückzuziehen und auf ein anderes Gleis zu stellen.

Herbert Leuninger:

Sie haben schon am Vorabend der Verabschiedung des neuen Ausländergesetzes ein grundsätzlich anderes Ausländerrecht gefordert. Das Ausländergesetz akzeptiert die Freizügigkeit und die damit verbundenen Einwanderungen nur aus der europäischen Gemeinschaft. Sie gehen weit darüber hinaus und fordern ausdrücklich, daß wir auch eine Zuwanderung aus Drittländern akzeptieren müssen. Damit steht das Ausländergesetz Ihrem Ansatz nach diametral gegenüber. Können Sie in Ihrer Partei für den besseren Ansatz sorgen?

Heiner Geißler:

Der Bundestag hat dem Bundesinnenminister aufgetragen – und die CDU-Fraktion hat mitgestimmt – in zwei Jahren einen Bericht über die Auswirkungen des neuen Ausländerrechts zu geben. Das bedeutet, dass das Thema auf der Tagesordnung bleibt. Damit wird eine lange Debatte fortgesetzt, denn in der Zeit, in der ich an der Koalition beteiligt war, hat uns dieses neue Ausländerrecht begleitet wie eine schwärende Wunde. Zwischen FDP und CSU war aber damals keine Einigung zu kriegen. Das lag sicherlich auch an Bundesinnenminister Zimmermann, der in einer besonders harten Form gegenüber den anderen seinen Standpunkt vertreten hat. Nach acht Jahren Verhandlungsdauer haben alle Beteiligten gesagt: Also jetzt bringt das Ding vom Tisch, Hauptsache wir verabschieden das jetzt, beinahe egal wie. Im Grunde ist das eine unmögliche Geschichte.

Herbert Leuninger:

Das hängt natürlich auch mit dem Schengener Abkommen zusammen, dessen Vorgaben von der nationalen Gesetzgebung abgedeckt werden müssen. Dann kam noch das Problem hinzu, dass der Geltungsbereich des Schengener Abkommens auf die DDR ausgedehnt wird. So stand man offenbar bei der Verabschiedung des Gesetzes unter einem Leistungsdruck, der der Sache absolut nicht gedient hat.

Heiner Geißler:

Der eigentliche Grund für das Versagen des Ausländergesetzes liegt im Ausländerrecht selber, denn es ist im Kern ein rassistisches Recht. Es bestimmt, dass nur diejenige Person deutscher Staatsbürger bzw. deutsche Staatsbürgerin werden kann, die deutsche Ahnen hat. In dieser Gesetzgebung ist ein Stück Rassismus übriggeblieben, das wir nach 1945 nicht aus diesem Ausländerrecht herausbekommen haben. Das hat aber auch über zehn, zwanzig, ja dreißig Jahre politisch gar keine Rolle gespielt. Ganz im Gegenteil, denn man hat die Ausländer auch aus Drittländern geholt. Dieses an die Abstammung gekoppelte Einbürgerungsrecht ist eine völlig veralterte Geschichte. Weder in England noch in Frankreich und erst recht nicht in der Vereinigten Staaten kennt man vergleichbares.

Rosi-Wolf-Almanasreh:

Mein Eindruck ist, dass jemand, der sich gegen Nationalismus ausspricht und der für das Konzept der multikulturellen Gesellschaft eintritt, zunächst einmal out ist. Auch Sie haben erst einmal verloren – auch persönlich. Das wirft für mich die Frage auf: Sind wir alle Einzelkämpfer in der guten Sache, oder Spinner, wenn wir mit multikultureller Gesellschaft nicht nur Folklore meinen?

Heiner Geißler:

Ganz sicher hat die Konzeption „Multikulturelle Gesellschaft" meine Freunde nicht vermehrt. Dennoch glaube ich, kann man sich mit dem, was wir im Prinzip gemeinsam für richtig halten, in der Bundesrepublik auf eine klare Mehrheit stützen. Alle gesellschaftlich relevanten Organisationen und Kräfte sind multikulturell ausgerichtet, nehmen sie doch nur einmal die Gewerkschaften, die Kirchen und den Deutschen Sportbund als Beispiel. Der Kernpunkt ist die Aufklärung, die Information. Wir müssen reden. Auch in der CDU ist der Boden für diese Gedanken da. Auf dem Bundesparteitag habe ich Marx zitiert, der in seiner Schrift zur Judenfrage geschrieben hat: „Der Mensch, wie er geht und steht, ist nicht der eigentliche Mensch, sondern er muss das richtige gesellschaftliche Bewusstsein haben und der richtigen Klasse angehören." Die Nazis haben dann gesagt, er muss der richtigen Rasse angehören. Ich habe der CDU gesagt: Aber wir sagen, der Mensch wie er geht und steht, unabhängig davon ob er Schwarzer oder Weißer, Deutscher oder Ausländer ist. Dafür gab es lang anhaltenden Beifall in der CDU. Ich will nichts verharmlosen, ich sage nur, dass wir Hoffnung haben können, dass sich die Sache zu besseren verändert.

Herbert Leuninger:

Wir müssen aber doch befürchten, dass durch das Ausländergesetz, das trotz aller Kritik der Öffentlichkeit als Fortschritt verkauft wurde, eine nationalistische Mentalität gedeckt wird. Da sehe ich die große Gefahr im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Die DDR hat eine Art Nationalbewusstsein gepflegt, sehr viel stärker als wir in der Bundesrepublik. Wir haben es jetzt mit einem Bevölkerungsteil zu tun, der aus meiner Sicht vieles von der ehemaligen SED-Staatsphilosophie nicht akzeptiert hat, doch das Thema Nationalbewusstsein scheint ziemlich eingängig gewesen zu sein. Das trifft hier auf eine Bewegung, die ich nicht für beendet halte, auch wenn die Wahlergebnisse keine direkt extremistischen Parteien mehr ausweisen. Wie können wir dagegenhalten?

Heiner Geißler:

Ich glaube, dass in den letzten zwei oder drei Jahren eine soziale Problematik verschärfend hinzugekommen ist. Wohnungsnot, Schulprobleme, Kindergartenprobleme…

Herbert Leuninger:

Arbeitslosigkeit!

Heiner Geißler:

….und dann kamen noch die Aus- und Übersiedler hinzu. Dadurch ist eine Art „soziale Platzangst" entstanden. Diese Angst hat vor allem diejenigen gepackt die sozial ohnehin in einer schwierigen Situation waren. Diese Menschen empfanden eine zunehmende Konkurrenz durch Ausländer. Die haben sich gesagt, gut, die sind vielleicht alle besser als ich, aber eines sind sie nicht: Sie sind keine Deutschen. Das war der Nährboden für die Republikaner. Aber wie gesagt, das sind vielleicht 8 Prozent oder 10 Prozent, vielleicht sogar 15 Prozent.

Rosi Wolf-Almanasreh:

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit!

Heiner Geißler:

Das ist nur ein Teil.

Herbert Leuninger:

Es gibt Leute, die sind schon seit Jahrzehnten unsere politischen Gegner: Die Frankfurter Allgemeine, Pankraz von der Zeitung Die Welt, Prof. Eibel-Eibelsfeld. Ich halte in dieser geistes- und ideengeschichtlichen Perspektive Eibelsfeld und seinesgleichen mit ihrem Sozialbiologismus für die gefährlichsten Menschen, die gegen das Konzept von der multikulturellen Gesellschaft stehen. Es ist eben nicht nur die Schicht der sozial Bedrohten, die gegen die multikulturelle Gesellschaft steht. Dabei spielen auch Identitätsfragen oder das Gefühl der deutschen nationalstaatlich-ethnischen Überlegenheit eine Rolle.

Heiner Geißler:

Die Schuld der Rechtsextremen besteht darin, nicht richtig zu informieren, obschon sie es könnten. Es steht einwandfrei fest, dass die Ausländer uns weder Arbeitsplätze noch Wohnungen wegnehmen, sondern sie sind Lückenbüßer und Restverwerter. Deswegen sind diese Stammtischängste obsolet. Das hätte man den Menschen sagen müssen. Man hätte ihnen auch sagen müssen, dass unsere Wirtschaft zusammenbrechen würde, wären diese Ausländer nicht bei uns. Der entscheidende Gesichtspunkt, der meiner Meinung nach weiter diskutiert werden muss, ist, dass man nicht auf Dauer in einer rechtsstaatlichen, freiheitlichen und sozialen Demokratie leben kann, in der es mehrere Klassen von Menschen gibt. Man muss sich das doch einmal klar machen, dass der Streit in Berg-Karabach und der Mord und Totschlag in Nordirland sowie im Baskenland nicht zustande kommt, weil dort nach multikulturellen Grundsätzen gelebt wird, sondern im Gegenteil. Dort wird diskriminiert und genau dies praktizieren wir zur Zeit hier. Wir haben mehrere Klassen von Menschen, „ein modernes Sparta" wie die Stuttgarter CDU-Oberbürgermeister Rommel gesagt hat. Auf die Dauer bekommen wir auf diese Art und Weise rassistische Auseinandersetzungen. In Kreuzberg hat es schon angefangen.

Rosi Wolf-Almanasreh:

Ich hätte noch ein Paar Fragen, die mir bei der Lektüre ihres Buches aufgefallen sind.

Einmal die Frage: Müssten wir nicht bei diesem deutschen Neuanfang einen Schlussstrich machen mit dem Abstammungsprinzip und eine Definition des Staatsbürgers schaffen, die wirklich republikanisch ist? Müssen wir nicht endlich Bürgerrechte schaffen anstelle von Deutschenrechten?

Ansonsten ist mir aufgefallen, dass es in ihrem Buch einen Bruch bei der Asylfrage gibt. Das Thema ist für uns alle heiß, weil man Asylsuchende weder quotieren, noch regeln kann. Wenn heute die Pogrome gegenüber jüdischen Bürgern in der Sowjetunion ansteigen, dann kann es sein, dass wir ganz schnell 100.000 von ihnen unterbringen müssen. Wäre es da nicht wichtig, noch viel weiter zu denken und zu überlegen, wer diese Krisen eigentlich produziert und was wir noch viel deutlicher sagen müssen, um die Krisen zu verhindern?

Heiner Geißler:

Ich glaube auch, dass man den Versuch unternehmen sollte, in unserer Verfassung alle Bürgerrechte umzuwandeln in Menschenrechte. Aber ich sehe die kommende Entwicklung folgendermaßen: Die nächsten Monate werden uns mit den Auswirkungen der Deutschen Einheit beschäftigen. Aber in einigen Monaten, wird nach der Währungsumstellung in der DDR eine Befreiung losgehen. Wir werden dann folgendes erleben: Da bei uns die Löhne höher sind und auf Dauer höher sein werden, werden viele Deutsche aus der DDR zu uns herüberkommen. Und zwar ganz normal, nicht mehr als Übersiedler, sondern genau wie man als Arbeitskraft von Frankfurt nach Stuttgart oder Hamburg zieht. Dann werden wir auf dem Gebiet der DDR einen Arbeitskräftemangel bekommen. Dieser Arbeitskräftemangel zu niedrigeren Löhnen wird ausgefüllt werden. Fragt sich nur von wem? Wahrscheinlich nicht von Spaniern oder Italienern, sondern dann werden die Polen oder die Tschechen kommen. Das wird eine kleine Völkerwanderung geben. Aber das hilft nun wieder, denn wir haben gesagt, die Anerkennung der Westgrenze Polens markiert nicht nur einen Grenzverlauf, sondern wir müssen uns auch über den Charakter dieser Grenze unterhalten.

Aus – wenn ich das so sagen darf – deutscher Sicht und aus der Sicht der Vertriebenen, muss die Grenze ihren trennenden Charakter verlieren und muss wieder durchlässig werden. Das bedeutet wir brauchen Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit – auch Polen und Osteuropa gegenüber denn da kann keine einseitige Sache sein. Wenn ich sage, dass die Schlesier wieder nach Schlesien können sollten und die Pommern wieder die Möglichkeit haben sollten in Pommern zu wohnen, mit den Polen zusammen, dann muss das selbstverständlich auch andersherum möglich sein. So wie wir das im Verhältnis Pfalz/Elsaß oder Saarland/Lothringen praktizieren. In dem Moment, in dem sich zu Polen eine zu Frankreich vergleichbare Entwicklung vollzieht, wird man das alte Ausländerrecht nicht mehr aufrechterhalten können, vor allem das Staatsbürgerrecht nicht. Es wird durch die europäische Entwicklung den Zwang verstärken, von diesem nationalistischen Staatsbürgerrecht wegzukommen. Das wird nur nicht in den nächsten Monaten passieren. Aber es wird in der nächsten Legislaturperiode zu einem wichtigen Thema werden.

Herbert Leuninger:

Ich habe als Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL die Bitte, dass Sie sich in absehbarer Zeit das Thema Asyl mit dem background, mit der Weite und der Perspektive als Thema setzen, wie sie das mit der multikulturellen Gesellschaft getan haben.

Heiner Geißler:

Durch die jetzige Asylpraxis bekommen wir politischen Druck auf das Ausländerrecht. Das ist der Punkt. Auch ich selber sehe in meinem Buch an dieser Stelle einen Bruch und auf der anderen Seite weiß ich damit auch nicht weiter. Wir können nicht das gesamte soziale Elend der Welt auf dem Sozialamt in Frankfurt lösen. Das ist vollkommen klar. Deshalb kann man das Asylrecht auch nur in Zusammenhang mit einer völlig veränderten Entwicklungshilfepolitik diskutieren. Wir müssen diese Völkerwanderung dort stoppen, wo sie entstanden ist.

Rosi Wolf-Almanasreh:

Ich wollte sie zum Abschluss noch auf ein Problem aufmerksam machen, an das niemand – auch die GRÜNEN nicht – herangeht. Ich werde im Augenblick ständig gefragt: „Was machen wir mit den vielen Illegalen, die hier leben?" Durch die Öffnung der EG werden uns noch mehr Illegale zuwachsen. Illegalen werden in bestimmten Bereichen als Lohndrücker geduldet. Mit ihrer Hilfe wird verhindert, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie sind in miesen Verhältnissen untergebracht: Vor kurzem ist uns ein Mensch in einem Kellerraum bekannt geworden, der sich auf der Arbeit einen Arm gebrochen hatte. Man konnte ihn nicht zum Arzt bringen, denn er existierte offiziell gar nicht. Er wurde dann wochenlang notdürftig versorgt, und als wir davon hörten, war er halbtot. Frankreich macht derweil eine Amnestie, Italien ebenso. In Deutschland läuft die Diskussion dann in die Richtung, dass es heißt, damit belohnen wir die illegale Einwanderung auch noch. Frage ist nur, ob man moralisch mit solchen Dingen überhaupt noch umgehen kann.

Ich möchte einmal von ihnen wissen, was sie in dieser Hinsicht für Vorstellungen haben, denn an dieses Thema müssen wir ja ran !
(Antwort fehlt im Manuskript)