Herbert Leuninger ARCHIV ASYL

Presserklärungen 1993

1988 - 1989 - 1990 - 1991 - 1992 - 1993 - 1994 - 1995

30.12 1993
Stellungnahme für "DIE WOCHE"
Bundeswehr an der Grenze?.

29.12 1993
Statistik 1992
ASYLPOLITIK IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
Deutschland kein Weltmeister

27.12.1993
Hilfe für Flüchtlinge
ASYL-BILANZ '93
neue Aufgaben

22.12.1993
Schäuble und Bundeswehr
MILITÄR GEGEN WASSERFLUTEN EINSETZEN!
Flüchtlinge sind keine Bedrohung.

16. 12. 1993
ddp-Interview
ASYL-Bilanz '93

14.12.1993
FLÜCHTLINGE OHNE WEIHNACHTSGELD
Telefonkarten verschenken!

9.12.1993
10. Dezember TAG DER MENSCHENRECHTE
BONN ZU INTIM MIT ANKARA
Menschenrechte für Kurden einfordern.

5.12.1993
Grußwort zur
Benefizveranstaltung von KOMKAR

26.11 1993
Abschiebewelle gegen Kurden befürchtet

22.11.1993
neue Abschiebestopps gefordert
APPELL AN INNENMINISTERKONFERENZ
Schutz für Kurden und Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien

11.11.1993
Flughafenverfahren
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT ENTSCHEIDET
Türkischer Journalist Levent YANLIK darf einreisen.

10.11 1993
Asyleinreise eines Togolesen verhindert
BUNDESGRENZSCHUTZ ALS ABSCHOTTUNGSKRAKE
Aeroflot den Transport aus Moskau untersagt

29.10 1993
Somalische Asylbewerber dürfen einreisen
INTERNIERUNG UND ABSCHIEBEHAFT BEENDET
Bundesamt entscheidet nachlässig über Tod und Leben

29.10.1993
Asylbewerberleistunasgesetz ab 1. November in Kraft
DIE ÄRA EINHEITLICHER SOZIALHILFE ZU ENDE
Flüchtlinge unter der Armutsschwelle

18.10 1993
Iranischer Geheimdienstchef in Bonn
KRITIK AN SCHMIDBAUER
PRO ASYL-Mitglied auf Todesliste.

30.9.1993
drei Monate neues Asylrecht
AMTSSCHIMMEL SCHLÄGT JEDES RENNPFERD
Flüchtlinge fast chancenlos.

30.9 1993
Rechtsgutachten
DRITTSTAATENREGELUNG IM NEUEN ASYLRECHT
Wann ein Durchreiseland wirklich sicher ist

21.9 1993
Erneutes Rütteln am Asylrecht
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT VERFÜGT EINREISE
Anhänger der Baha'i - Religion müssen nicht nach Athen zurück

16.09 1993
Afghanische Familie vor Wiedereinreise
BAYERN LEGT BERUFUNG EIN
keine aufschiebende Wirkung

15.09 1993
Afghanische Familie kann aus Tschechien zurück
GRENZSCHUTZ MUSS EINREISE GESTATTEN
Gericht: Zurückschiebung rechtswidrig

14.09 1993
Bundesverfassungsgericht zugunsten einer Irakerin BUNDESGRENZSCHUTZ MUSS EINREISE GESTATTEN
Griechenland kein sicheres Drittland

12.09 1993
Afghanische Familie nach Tschechien zurückgeschoben
BUNDESAMT MISSACHTET GERICHTSURTEIL
Anwalt betreibt Wiedereinreise

21.08 1993
Auch Asylbewerberin aus dem Irak vor Gericht erfolgreich
RICHTER FALLEN BUNDESGRENZSCHUTZ IN DEN ARM
Griechenland kein sicheres Drittland

20.08 1993
Asylbewerber aus dem Iran vor Gericht erfolgreich BGS DARF NICHT NACH ATHEN ZURÜCKSCHICKEN Griechenland als sicheres Drittland fraglich.

14.08 1993
Ukrainische Asylbewerberin trotz Folter abgelehnt
BUNDESAMT FEINFÜHLIG GEGENÜBER TÄTERN&xnbsp;
hart gegenüber Opfern

10.08 1993
Solidaritätsadresse
Schiffsunterbringung von Asylbewerbern abgelehnt

06.08. 1993
Selbsttötungsversuch eines Asylbewerbers aus Afghanistan ABSCHIEBUNG NUR "ZURÜCKWEISUNG" Der lebensbedrohliche Unterschied

2. August 1993
Rhein-Main Flughafen:
Abschiebung in letzter Minute verhindert

23. Juli 1993
Presseerklärung.

20. Juli 1993
Bundesverfassungsgericht:
Keine Grundsatzentscheidung

16. Juli 1993
Altfallregelung
Scheinlösung zur Beruhigung des schlechten Gewissens&xnbsp;

9. Juli 1993
Hungerstreik von Flüchtlingen auf Rhein-Main
ASYLFALLE AIRPORT
kein faires Asylverfahren möglich.

7. Juli 1993
Roma in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Forderung an Kirchen und Kultusminister:
für Bleiberecht der Roms einsetzen.

30.6.1993
1.Juli: Asylgesetze in Kraft
ASYL IN DEUTSCHLAND: PLZ 0
SPD soll Normenkontrollverfahren anstrengen

16.06 1993
Schengener Übereinkommen
MAUERKRONE DER FESTUNG EUROPA
Internationaler Pakt gegen Flüchtlinge

31.5.1993
Solinger Mord- und Brandanschlag
ASYLBESCHLUSS DES BUNDESTAGES
das falsche Signal

27. Mai 1993 KNA
Pro-Asyl-Chef will das Katholische Büro nicht mehr betreten.

27.5.1993
Artikel 16a Grundgesetz
VERFASSUNGSGERICHT ANRUFEN!
PRO ASYL für Normenkontrollklage.

23.05 1993
Grundrecht auf Asyl
INTERNATIONALER ASYLSCHUTZ IN GEFAHR
Verantwortung der Bundesrepublik.

23. März 1993
Öffentliche Anhörung des Bundestages am 24.3.1993
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes vom 2.3.1993
zur NEUREGELUNG DER LEISTUNGEN AN ASYLBEWERBER.

19. März 1993
Heute morgen ab 7.00 Uhr:
Demonstration vor dem Werkstor der Waffenfirma Heckler & Koch, Oberndorf a. Neckar
Gegen Waffenexport
-Asyl für Deserteure&xnbsp;

19. März 1993
Antirassismustag 21. März
Gegen Blut- und Bodenmentalität
FUR UNVERÄUSSERLICHE MENSCHENRECHTE.

1. März 1993
Asylrecht DGB und PRO ASYL an Bundestag:
NEIN ZU ASYLGESETZEN&xnbsp;&xnbsp;

25. Februar 1993
SAARLÄNDISCHER RUNDFUNK
PRESSEMELDUNG
Untersuchung von Ausländerfeindlichkeit

18.2.1993
Anhörung zum; Asylrecht
IM STILLEN KÄMMERLEIN?
Gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen.

16. Februar 1993
Budapester Migrationskonferenz.
KSZE-KONTRAST-KONFERENZ
Asylrecht in Müllcontainer

9.2.1993
Kommentar für den Saarländischen Rundfunk
"Sicheres Drittland"
KEIN EHRENVOLLER STATUS FÜR POLEN.

27. 1. 1993
Karl Lamers und die Rüstungsharmonisierung
Rüstungsexporte sind Fluchtursache

20.1.1993
Artikel 16a ein Krebsgeschwulst
Anhörung gefordert

15.1.1993
Bonner Asylkompromiß
PROMINENTE SAGEN:
NEIN! Aufruf an die politische Öffentlichkeit

8.1.1993
Aids-
Zwangstest für Asylbewerbe
Rassistische Vorstellungen Spranger

3. Januar1993
Infrarot-Elektronik an der Grenze
MILITARISIERUNG AN DER OSTGRENZE
Feindbild "Flüchtling" befürchtet


 

30.12 1993

Stellungnahme für "DIE WOCHE"
Bundeswehr an der Grenze?

Die Bundeswehr hat mit dem Zusammenbruch des Kommunismus ihr Feindbild verloren. Die Politik bietet ihr ein neues an: Den "Asylanten im Osten". Bedrohte er bisher die innere Sicherheit, so jetzt auch die äußere! Staatsrechtler und Verteidigungsminister a.D. Rupert Scholz (CDU) begrüßt den Einsatz der Armee an Oder und Neiße. Er spricht von einer "gewaltsamen Masseneinwanderung".

Damit werden erneut soziale Ängste auf Menschen abgelenkt, die das Gegenbild militärischer Gewalt abgeben. Das ist Munition für potentielle Gewalttäter. Tragen sie Uniform, werden sie irgendwann auf Kommando schießen, in Bomberjacken tun sie es auch ohne Befehl. Damit es nicht soweit kommt, müssen Schäuble und Scholz schleunigst befriedet werden. Die Idee militärisch gestützter Grenzsicherung stammt übrigens vom früheren BMI-Chef Rudolf Seiters. Genau vor einem Jahr, am 3. Januar 1993 hat PRO ASYL vor einer Militarisierung an der Ostgrenze gewarnt.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


29.12 1993

Statistik 1992
ASYLPOLITIK IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
Deutschland kein Weltmeister

"Deutschland ist vor der Einschränkung seines Asylrechts, die zum 1.Juli in Kraft trat, beileibe kein Weltmeister in der Asylpolitik gewesen!". Das erklärte die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL zu den jetzt bekannt gewordenen Zahlen des US-amerikanischen Ffüchtlingskomittees (USCR) für das Jahr 1992. Danach hatte die Bundesrepublik im weltweiten Vergleich weder das liberalste Asylrecht, noch bekleckerte sie sich mit Ruhm bei der Finanzierung der internationalen Flüchtlingshilfe.

Den amerikanischen Quellen zufolge haben Kanada und Schweden zwischen 1975 und 1991 auf den Kopf der Bevölkerung bezogen sechs- bzw. siebenmal mehr Flüchtlingen Asylschutz gewährt als die (vereinigte) Bundesrepublik. Auch die Schweiz und Österreich waren in der Asylgewährung großzügiger. Frankreich weist für diesen Zeitraum und je Bürger fast doppelt so viele Anerkennungen auf, noch übertroffen von Dänemark und Norwegen. Selbst, wenn die Statistik nur auf die alte Bundesrepublik bezogen wird, liegt Westdeutschland mit 1 asylberechtigten Flüchtling auf 371 Einwohner hinter allen genannten Ländern zurück.

Für die Finanzierung der internationalen Flüchtlingshilfe hat die Bundesregierung nach der amerikanischen Übersicht dem Steuerzahler 1992 mit Mühe einen halben Dollar, d.h. etwa 80 Pfennige, aus der Tasche geklaubt. Dies steht in keinem Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Norwegen und Schweden zweigten mit 14 Dollar pro Steuerkopf das 28fache ab. Der Schweizer war statistisch gesehen zehnmal großzügiger als der Deutsche. Selbst Großbritannien übertraf die Bundesrepublik um mehr als das Doppelte, wenn es um die Unterstützung der internationalen Flüchtlingshilfeorganisationen ging.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


27.12.1993

Hilfe für Flüchtlinge
ASYL-BILANZ '93
neue Aufgaben

•Schock

"Der Schock bei den Flüchtlingsinitiativen über die am 1. Juli eingetretene Änderung des Asylrechts zur Jahresmitte sitzt tief". Dies erklärte PRO ASYL zum Jahresende in Frankfurt. Dennoch verzeichnet die bundesweite Arbeitsgemeinschaft keinen Rückgang der Aktivitäten, sondern einen erhöhten Bedarf an Informationen und Handreichungen. Ein Leitfaden für die Praxis trägt diesem Bedürfnis Rechnung. Er soll juristischen Laien als Wegweiser durch den neuen Paragraphendschungel dienen. Danach hat jeder Flüchtling das Recht, sich bei seinem Verfahren von einem Bevollmächtigten begleiten oder vertreten zu lassen. Dieser muß kein Rechtsanwalt sein. Ohnehin registriert PRO ASYL Klagen darüber, daß Asylbewerber durch die kurzen Fristen für ihre Anhörung und die Anrufung der Gerichte nur noch in seltenen Fällen einen Anwalt erreichten. So wären Asylbewerber, die zu Tausenden heimlich die deutsche Grenze überschritten hätten, oft schneller wieder draußen, als sie hereingekommen seien.

• Kirchenasyl

Stark angestiegen sind auch die Abschiebungen von Ausländern, darunter vor allem die von abgelehnten Asylbewerbern. Waren es im ganzen Vorjahr ca. 20000, so in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits 21000. Bisher hat es immer wieder Versuche gegeben, Abschiebungen von Menschen, die bei ihrer Rückkehr an Leib und Leben bedroht sind, für die aber kein Rechtsschutz mehr besteht, durch das Kirchenasyl zu verhindern. Nach dem Vorbild der USA, der Schweiz und der Niederlande ist es im September zu einer Vernetzung entsprechender Initiativen in Nordrhein-Westfalen gekommen. Ein bundesweiter Zusammenschluß soll im Februar des kommenden Jahres erfolgen.

• Bundesverfassungsgericht

PRO ASYL geht davon aus, daß die Einstufung aller Anrainerstaaten Deutschlands als sogenannte sichere Drittstaaten verfassungsrechtlich nicht durchzuhalten ist. Einzelne bis vor das Bundesverfassungsgericht vorgetragene Fluchtschicksale haben gezeigt, daß die sicheren Drittstaaten nicht unbedingt sicher sind und eine Abschiebung von dort in das Verfolgerland nicht auszuschließen ist. Mit Spannung wird daher das ausstehende Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe erwartet. Dieses hatte in Eilentscheidungen zugunsten zweier Bahä`i -Anhänger aus dem Iran erklärt, es müßten die Fragen beantwortet werden, ob der Absatz 2 des neuen Artikels 16a bei fehlender Sicherheit eines Drittstaates einschränkend ausgelegt werden könne. Auch werde der Frage nachzugehen sein, ob nicht andere Verfassungsbestimmungen wie z.B. Artikel 1 (Würde des Menschen) und Artikel 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) die Abschiebung eines Flüchtlings in sein Heimatland verbieten, wenn ihm dort eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Die kurzen Fristen, zu denen das Gericht Experten zu Stellungnahmen aufgefordert hat, läßt auf eine Entscheidung am Anfang des kommenden Jahres schließen.

• Europa

Eine wichtige Aufgabe sieht PRO ASYL im kommenden Jahr darin, die europäische Zusammenarbeit von Flüchtlingsorganisationen zu unterstützen. Durch eine großräumige Abschottung von Gibraltar bis zum Ural, vom Peloponnes bis zum Nordkap werde Flucht aus den Krisenregionen der Welt nach Westeuropa immer schwieriger. So habe Polen nach bundesdeutschem Vorbild mit allen seinen östlichen Nachbarstaaten Verträge zur Rücknahme von Flüchtlingen abgeschlossen. Auch habe der russische Präsident Boris Jelzin nach den Wahlen Maßnahmen getroffen, um die Kontrolle der Ein- und Weiterreise von Flüchtlingen an den Grenzen Rußlands und auf den Flughäfen erheblich zu verschärfen.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


22.12 1993

Schäuble und Bundeswehr
MILITÄR GEGEN WASSERFLUTEN EINSETZEN!
Flüchtlinge sind keine Bedrohung

Als brandgefährlich und friedensfern betrachtet PRO ASYL Schäubles Weihnachtsbotschaft an die CDU.

In diesem Jahr wurde das Grundrecht auf Asyl bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und die Versorgung von Asylbewerbern unter die Armutsschwelle gedrückt. Jetzt schürt Schäuble mit seinem Vorschlag Militär an der Grenze gegen Flüchtlinge einzusetzen, erneut die Ängste in der Bevölkerung. Sie könnten sich bis zur Feindseligkeit steigern.

Wirkliche Bedrohungen für unsere Gesellschaft sind aber nicht Flüchtlinge, sondern wirtschaftliche und Umwelt-Katastrophen. Die Überflutung durch Wasser ist real, die durch Flüchtlinge ein Hirngespinst. So wäre es allemal besser, die Bundeswehr gegen Hochwasser einzusetzen.

Es bleibt eine der großen Friedensaufgaben Deutschlands Flucht durch wirksame wirtschaftliche und politische Maßnahmen zu verhindern. Da diese aber nur langfristig Erfolge haben könnten, müßten Flüchtlinge als Opfer nationalistischer Verteilungskämpfe und Unterdrückung nach wie vor aufgenommen und geschützt werden.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


16. 12. 1993

ddp-Interview
ASYL-Bilanz '93

zu Frage 1. (nicht aufgeführt)

A:Menschen, die nur auf dem Landweg nach Deutschland kommen können, haben grundsätzlich keine Chance mehr auf ein Asylverfahren.

Unser Land ist von einem Kranz sogenannter sicherer Drittstaaten umgeben. Der neue Artikel 16a geht einfachhin davon aus, daß solche Flüchtlinge unterwegs einen Asylantrag stellen könnten .

Asylbewerber, die an der Grenze ankommen, werden vom BGS sofort zurückgeschickt. Gelangen sie heimlich über die Grenze und werden gefaßt, blüht ihnen das gleiche Schicksal. Sind sie mit dem Flugzeug eingereist, werden sie in die nächste Maschine gebracht und zu dem Flughafen zurückgeflogen, auf dem sie zwischengelandet waren.

B: Flüchtlinge, die aus einem der sogenannten sicheren Herkunftsländer in die Bundesrepublik kommen.

Das sind Staaten, von denen der Bundestag vermutet, daß es dort praktisch keine politische Verfolgung gibt.Hierzu zählen Gambia, Ghana und Senegal,in Osteuropa u.a. Bulgarien und Rumänien.

Mit ai vertritt PRO ASYL die Auffassung, daß es auch in Ländern, die als verfolgungsfrei gelten, durchaus Verfolgung gibt.

In Rumänien und Bulgarien gibt es ethnische Minderheiten, vor allem das Volk der Roma, die immer stärker unter einem wachsenden Haß der Bevölkerung leiden. Gegen Roma gibt es in Rumänien regelrechte Pogrome, bei denen der Staat seinen Schutz versagt.

Der Asylantrag von Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsstaaten wird normalerweise als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Sie sollen dann innerhalb einer Woche ausreisen oder Klage erheben.

Vielen Flüchtlingen, die weder in der Bundesrepublik oder in einem Nachbarland Schutz finden, droht das, was in der Fachsprache eine Kettenabschiebung genannt wird. Sie endet im Staat der Unterdrückung, Folter und Verfolgung.

Osteuropäische Länder wie z.B. Polen haben ihrerseits mit ihren benachbarten Ländern Verträge abgeschlossen, um bei ihnen eingereiste Flüchtlinge, dorthin zurückzuschicken. PRO ASYL sieht die Gefahr, daß durch diese kontinentale Abwehr, der internationale Schutz für Flüchtlinge zusammenbricht.

zu Frage 2

Es gibt einige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten zur Drittstaaten-Regelung. Diese selbst sind sehr unterschiedlich.

Von großer Bedeutung sind einige vorläufige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, die eine Zurückschiebung erst einmal verhindert haben. In einem Fall ging es um eine Christin aus dem Irak, die dort als Spionin gegen Ausländer eingesetzt werden sollte. Sie war über den Flughafen Athen nach Frankfurt gekommen und sollte wieder dorthin verbracht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies gestoppt, weil Griechenland in

diesem konkreten Fall nicht als sicher eingestuft werden konnte. Ähnlich entschieden die Karlsruher Verfassungsrichter zugunsten von zwei Asylbewerbern aus dem Iran. Sie gehörten der dort blutig verfolgten Religionsgemeinschaft der Bahai an und wären vermutlich von Griechenland zurückgeschickt worden.

Jetzt steht die mit Spannung erwartete Grundsatzentscheidung des höchsten Gerichtes darüber an, ob die Drittstaatenregelung, wie PRO ASYL es vertritt, nicht doch verfassungswidrig ist. Für Stellungnahmen, die das Gericht von Experten einholt, sind so erstaunlich kurze Fristen gesetzt, das mit einer Entscheidung am Anfang des kommenden Jahres gerechnet werden kann.

zu Frage 3.

Bürgerinnen und Bürger dürfen Flüchtlinge nur dann bei sich aufnehmen, wenn diese als asylberechtigt anerkannt sind.

Darüberhinaus können sie Bürgerkriegsflüchtlinge gerade aus Bosnien-Herzegowina zu sich nach Deutschland einladen.

Dabei müssen sie sich allerdings verpflichten, für alle Kosten der Versorgung und Unterbringung aufzukommen; in manchen Bundesländern bezieht sich das auch auf die Übernahme der Krankenkosten. Dies betrachtet PRO ASYL allerdings als eine absolute Überforderung, die dahin führt, daß Familien, die zur zeitweisen Aufnahme bedrohter Menschen bereit wären, hiervor verständlicherweise zurückschrecken.

Mittlerweile gibt es aber auch schon Fälle, daß Flüchtlinge, die keinen Rechtsschutz mehr haben und abgeschoben werden sollen, von Familien oder Einzelpersonen aufgenommen und nötigenfalls versteckt werden.

PRO ASYL geht davon aus, daß diese Form des persönlichen Engagements zur Sicherung von Leib und Leben eines Menschen, zahlenmäßig zunehmen wird, da der politische Druck auf die Durchsetzung von Abschiebungen erheblich zugenommen hat. Die Zahlen zwangsweiser Abschiebungen sind 1993 erheblich gestiegen.

zu Frage 4.

Es zeigt sich, daß die Umstellung der Sozialhilfe für Flüchtlinge von Geld- auf Sachleistungen nicht überall durchgeführt wird. Die Kommunen wissen, daß diese Umsetzung teurer ist als eine Auszahlung und damit nicht in das Umfeld notwendiger Sparmaßnahmen paßt.

Sachleistungen in Form von Lebensmittelpaketen oder Fertiggerichten schränken die Rechte der Persönlichkeit, über sich und sein Leben im Kernbereich der Ernährung selbst zu bestimmen, in unzumutbarer Weise ein. Es ist auch zu befürchten, daß die mangelnde Beachtung kulturell geprägter Kochgewohnheiten zu gesundheitlichen Störungen führt.

Gutscheine sind nach früheren Erfahrungen eine Form der Diskriminierung. Wenn Asylbewerber sie in Geschäften einlösen, sind sie an der Kasse für Kassiererinnen, Kunden und die Geschäftsführung als Menschen erkennbar, die von der "Stütze" leben. Da sich manche Geschäfte gegen die Annahme von Gutscheinen wehren, sind Flüchtlinge in der Auswahl günstiger Angebote sehr beschränkt.

Noch grundsätzlicher ist unsere Kritik allerdings an der Tatsache, daß das Asylbewerberleistungsgesetz die Flüchtlinge zu Menschen zweiter Klasse macht. Dies geschieht dadurch, daß sie mit einem Sondergesetz aus dem Kreis der Sozialhilfeempfänger ausgegrenzt und mit einem Sozialhilfesatz, der unter der Armutsgrenze liegt, versorgt werden.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


14.12.1993

FLÜCHTLINGE OHNE WEIHNACHTSGELD
Telefonkarten verschenken!

Asylbewerber, die 1993 in die Bundesrepublik gekommen sind, erhalten erstmals kein Weihnachtsgeld. Darauf machte jetzt die Menschenrechtsorganisation PRO ASYL aufmerksam. Diese Regelung gehört zu dem Abschreckungspaket, das Flüchtlingen auf den Gabentisch gelegt wird.

PRO ASYL fordert "alle Menschen guten Willens" auf,

  • die zuständigen Sozialbehörden mit der Bitte anzuschreiben, die Weihnachtsbeihilfe als freiwillige Leistung für alle Flüchtlinge zu zahlen.
  • Sollten die Behörden hierzu nicht willens sein, empfiehlt PRO ASYL Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbänden Spenden zu überweisen, die als gewisser Ausgleich an die betroffenen Flüchtlinge weiterzugeben wären.
  • Konkret schlägt PRO ASYL vor Flüchtlingen, die nur über eine drastisch gekürzte Sozialhilfe oder ein bescheidenes Taschengeld verfügen, eine Telefonkarte zu schenken. Damit könnten die Asylbewerber an Weihnachten oder Neujahr mit ihren Familien in der Heimat Kontakt aufnehmen.

Bisher hatten alle Flüchtlinge, auch nichtchristliche einen Anspruch auf Weihnachtsbeihilfe. Sie sollten sich ebenso wie alle anderen Empfänger von Sozialhilfe an den Festtagen mit ihren außergewöhnlichen Konsum- und Schenkgewohnheiten nicht ausgeschlossen fühlen. Außerdem gilt Weihnachten als das Fest, das zur Überwindung jeglicher Armut verpflichtet.

Seit dem 1.November werden Flüchtlinge mit einem verminderten Sozialhilfesatz versorgt. In vielen Fällen erhalten sie nur Sachleistungen in Form von Lebensmittelpaketen oder vorgefertigter Nahrung. Erwachsene erhalten darüberhinaus ein Taschengeld von monatlich 80,- DM, bei Kindern beläuft es sich auf 40,- DM.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


9.12.1993

10. Dezember TAG DER MENSCHENRECHTE
BONN ZU INTIM MIT ANKARA
Menschenrechte für Kurden einfordern

Zum Tag der Menschenrechte fordert PRO ASYL die Bundesregierung auf, der türkischen Auffassung entgegenzutreten, Bonn unterstütze durch das Verbot der PKK die Unterdrückung der Kurden. Die Umstände, die zu diesem Verbot geführt hätten, ließen leider auf ein allzu intimes Verhältnis zwischen Bonn und Ankara schließen, so PRO ASYL.

PRO ASYL erwartet von der Bundesregierung, ihre neuerliche Leisetreterei gegenüber Staaten mit schweren Menschenrechtsverletzungen aufzugeben. Gegenüber der Türkei bedeute dies,

  • Waffenembargo,
  • ein klares Vorgehen gegen die Menschenrechtsverletzungen und
  • seitens der Bundesrepublik einen Abschiebestopp für kurdische Flüchtlinge.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


5. 12. 1993

Sporthalle Köln
Benefizveranstaltung
von KOMKAR, Verband der Vereine aus Kurdistan e.V.
"Schweigen tötet - Frieden jetzt!"


Schirmherr
Jürgen Trittin, Niedersächsischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten

Grußwort
Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL

PRO ASYL unterstützt das kurdische Volk in seinem legitimen Bestreben nach Frieden, Freiheit, Demokratie und Gleichheit.

PRO ASYL unterstützt KOMKAR bei der friedlichen Durchsetzung dieser Ziele.

Wir fordern

  • ein sofortiges Waffenembargo gegen die Türkei,
  • eine diplomatische Offensive der Bundesregierung, um die Türkei zur Einhaltung der Menschenrechte zu bewegen,
  • einen bundesweiten Abschiebestopp für kurdische Flüchtlinge.

PRO ASYL befürchtet im Zuge des PKK-Verbotes eine Kriminalisierung aller kurdischen Gruppen in Deutschland; das Verhalten der Bundesregierung muß von der türkischen Regierung als Rechtfertigung der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung angesehen werden.

Wir wollen Frieden und Gleichberechtigung für alle hier und in der Türkei!

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


26.11 1993

Abschiebewelle gegen Kurden befürchtet

Im Zuge des Verbots PKK- naher Gruppen befürchtet PRO ASYL eine Abschiebewelle gegen kurdische Flüchtlinge. Es bestehe die Gefahr, daß eine Hetze gegen und eine Kriminalisierung von kurdischen Gruppen einsetze, und mit dem Verbot unterschiedslos kurdische Gruppen getroffen würden. Die Dringlichkeit eines bundesweiten Abschiebestopps für Kurden gerate aus dem Blick.

PRO ASYL fordert die Innenminister auf, einen bundesweiten Abschiebestop zu erlassen. Aufgrund des Terrors der türkischen Armee und des Gegenterrors der PKK hätten kurdische Flüchtlinge in der Türkei keine Lebensperspektive. In den kurdischen Siedlungsgebieten zerstöre die türkische Armee die Lebensgrundlage der Menschen, im Westen der Türkei drohe eine kurdenfeindliche Stimmung in pogromartige Ausschreitungen umzuschlagen. Es gibt keine inländische Fluchtalternative!

PRO ASYL fordert:

  • einen bundesweiten Abschiebestop,
  • ein sofortiges Waffenembargo gegen die Türkei,
  • eine diplomatische Offensive der Bundesregierung, um die Türkei zur
  • Einhaltung der Menschenrechte zu bewegen

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


22.11.1993

neue Abschiebestopps gefordert
APPELL AN INNENMINISTERKONFERENZ
Schutz für Kurden und Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien

Von der am Donnerstag beginnenden Innenministerkonferenz fordern PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte in Schreiben an die einzelnen Innenminister und -senatoren weitere Abschiebestopps für Kurden aus der Türkei und für bestimmte Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien. Bei kurdischen Flüchtlingen besteht ein solcher Schutz nicht mehr, für Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien soll er in Kürze auslaufen bzw. gar nicht beschlossen werden.

PRO ASYL hält es für ausgeschlossen, daß angesichts der kriegsähnlichen Eskalation der Gewalt in den traditionellen Wohngebieten der Kurden und der systematischen Mißachtung der Menschenrechte durch die türkischen Sicherheitskräfte Abschiebungen kurdischer Asylbewerber in ihre Heimatregion vorgenommen werden. Unzulässig sei aber auch eine Abschiebung abgelehnter kurdischer Asylbewerber in andere Teile der Türkei. Dort wachse eine Pogromstimmung unter der türkischen Mehrheitsbevölkerung; außerdem drohten ihnen Menschenrechtsverletzungen durch die türkische Polizei. Somit gäbe es keine sogenannte inländische Fluchtalternative.

Einen besonderen Abschiebestopp bzw. seine Verlängerung fordern die Flüchtlingsorganisationen vor allem für

Albanische Flüchtlinge aus dem Kosovo, weil ihnen im Falle ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in Form der Gruppenverfolgung droht.

  • Kroatische Flüchtlinge, die ihre Heimat in besetzten, kriegsnahen, kriegsgefährdeten und nicht vollständig befriedeten Gebieten haben, denen kein ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht oder deren Versorgung nicht gewährleistet ist und die zwar einen kroatischen Paß haben, aber aus Bosnien-Herzegowina stammen.
  • Angehörige ethnischer Minderheiten wie Ungarn und Kroaten aus der Vojvodina und Muslime aus dem Sandschak. Diese Menschen sind einem ganz erheblichen menschenrechtswidrigen Vertreibungsdruck ausgesetzt oder werden von serbischer Seite in unerträglicher Form terrorisiert.
  • Roma -Flüchtlinge aus dem gesamten Gebiet des ehemaligen Jugoslawien . Als immer schon diskriminierte Minderheit sind sie dem ethnischen Vertreibungsdruck von allen Seiten ausgesetzt.
  • Deserteure und Kriegsdienstverweigerer. Die Gefahr schweren Strafen, von Folter und erzwungenem Kriegsdienst machen auch für diesen Personenkreis einen Abschiebeschutz notwendig.
  • Flüchtlinge aus Makedonien. ln Makedonien besteht die Gefahr, Serbien könnte auf dem Weg zu einem Großserbischen Reich dieses Land kriegerisch unterwerfen, sobald es hierfür den Rücken frei hat. Für Angehörige ethnischer Minderheiten wie Türken und Albanern ist eine Einzelfallprüfung angezeigt.

Volker Maria Hügel, 2. Sprecher von PRO ASYL


11.11.1993

Flughafenverfahren
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT ENTSCHEIDET
Türkischer Journalist Levent YANLIK darf einreisen

Ein weiteres Mal korrigiert das Bundesverfassungsgericht ein Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts. Dieses hatte dem türkischen Journalisten Levent YANLIK Identitätstäuschung vorgeworfen und den geforderten Rechtsschutz gegenüber einer Zurückweisung durch den Bundesgrenzschutz versagt. Nun darf Levent YANLIK für ein normales Asylverfahren einreisen. (AZ: 2 BVR 2451/93)

PRO ASYL sieht in der Tatsache, daß sowohl das Verwaltungsgericht in Frankfurt wie auch das oberste deutsche Gericht zweimal mit der gleichen Angelegenheit befaßt werden mußten, die Kritik am sogenannten Flughafenverfahren bestätigt. Der für alle Beteiligten unzumutbare Termindruck läßt offensichtlich keine rechtsstaatlich einwandfreie Prozedur zu. So ist es für PRO ASYL absolut unerfindlich, wie das Gericht aus gewissen unterschiedlichen Aussagen des Asylbewerbers eine Täuschung über die wahre Identität herauslesen konnte, und wieso eidesstattliche Versicherungen von zwei Zeugen nicht ausreichten, seine Identität zu untermauern. Letzteres hat auch das Verfassungsgericht zu seinem für den Asylbewerber wahrscheinlich lebensrettenden Urteil bewogen.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


10.11 1993

Asyleinreise eines Togolesen verhindert
BUNDESGRENZSCHUTZ ALS ABSCHOTTUNGSKRAKE
Aeroflot den Transport aus Moskau untersagt

Mit der Drohung gegenüber der russischen Fluglinie Aeroflot, sie müsse für die Transportkosten aufkommen, hat der Bundesgrenzschutz in München die Flucht eines Togolesen über Moskau in die Bundesrepublik verhindert. "Wir haben es hier mit einer krakenhaften Ausweitung der Abschottung durch den BGS zu tun", erklärte PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger zu dem jetzt bekannt gewordenen Vorfall.

PRO ASYL verfügt über die Informationen, daß der Münchener Rechtsanwalt Hubert Heinhold vorsorglich das Verwaltungsgericht einschaltete, um die Einreise des Flüchtlings zu erreichen. Das Gericht, das in der Sache selbst nicht entschied, hatte vom BGS die Zusicherung erhalten, eine Entscheidung über die Einreise des aus Cotonou/Benin über Moskau anreisenden Oppositionellen könne erst bei seiner Ankunft erfolgen. Dennoch hatte der BGS in Reaktion auf den anwaltlichen Antrag vor Gericht den Aeroflot-Manager in München angewiesen, den Flüchtling nicht nach München mitfliegen zu lassen. Daraufhin informierte dieser die russischen Grenzbehörden in Moskau. Diese nahmen Herrn C.M. bei seiner Ankunft am 5. November auf dem Moskauer Flughafen fest und schickten ihn am vergangenen Montag nach Cotonou zurück.

Bei dem Flüchtling handelt es sich um einen Togolesen, der bereits im Juli von Lome über Brüssel nach München gekommen war, um dort einen Asylantrag zu stellen. Wegen der für alle EG-Länder geltenden Drittstaatenregelung war er wenige Stunden später wieder nach Brüssel zurückgewiesen worden. Dort wurde sein Asylantrag abgelehnt und seine Rückführung nach Lome verfügt. Mit wechselnden Aufenthaltsorten versuchte Herr M. einer Verhaftung durch die Militärpolizei zu entgehen. Diese durchsuchte bei der Fahndung nach ihm zweimal das Haus seiner Familie und mißhandelte beim zweiten Mal seinen Bruder und die Eltern auf brutale Weise.

Herbert Leuninger kritisierte die Handlungsweise des BGS. Er verwies darauf, daß ein ähnliches Verhalten in einem Zivilverfahren wahrscheinlich als Prozessbetrug gewertet würde.


29.10 1993

Somalische Asylbewerber dürfen einreisen
INTERNIERUNG UND ABSCHIEBEHAFT BEENDET
Bundesamt entscheidet nachlässig über Tod und Leben

Durch Gerichtsurteil ( Verwaltungsgericht Frankfurt, AZ 15 G 20203/93) bzw. durch eine Entscheidung des Bundesinnenministeriums ist die quälende Internierung von zwei somalischen Asylbewerbern auf dem Frankfurter Flughafen und die Abschiebehaft eines weiteren seit heute beendet. Sowohl ein über den Sudan eingereistes Ehepaar, wie der zwischen dem Jemen und der Bundesrepublik hin- und hergeschobene Somalier dürfen nach langem juristischem Tauziehen endlich in die Bundesrepublik "einreisen". Damit kann die endgültige Entscheidung über den Abschiebungsschutz unter etwas besseren Bedingungen abgewartet werden.

Grundlage für die veränderte Lage sind die Weigerung der Drittstaaten, die Flüchtlinge zurückzunehmen und zusätzliche Informationen. Sie wurden von Frankfurter Rechtsanwälten in mühsamer Kleinarbeit über nationale und internationale Quellen beschafft und in die Verfahren eingeführt. Danach betrachtet der Jemen somalische Flüchtlinge nur als Transitreisende, die unter unmenschlichen Bedingungen in Lagern festgehalten werden. Der arabische Staat lehnt es ab, diese Flüchtlinge auf Dauer aufzunehmen oder ihnen ein reguläres Asylverfahren zu ermöglichen. Flüchtlinge, die nicht dahinvegetieren wollen, sind gezwungen, sich ein anderes Fluchtland zu suchen. Im speziellen Fall war es durch jeweilige Zurückschiebung wieder zu einem Ping-Pong- Spiel zwischen Deutschland und dem Jemen gekommen. Bislang hatte sich der Jemen trotz hochrangiger diplomatischer Bemühung der Bundesrepublik geweigert, den Flüchtling zurückzunehmen.

In der Öffentlichkeit Aufsehen erregt hatte die schwangere Somalierin, die mit ihrem Mann nach längerem Aufenthalt im Sudan auf Rhein-Main gelandet war und dort festgehalten wurde. Selbst als sie wegen einer Fehlgeburt im Krankenhaus weilte und einen Suizid-Versuch unternommen hatte, wurde sie in zwei verschiedenen Kliniken vom Bundesgrenzschutz bewacht. Gerade in diesem Fall wurde die Unmenschlichkeit des Flughafenverfahrens in krasser Weise deutlich. Auch hier führte erst die Einschaltung einer Rechtsanwältin dazu, daß neue Informationen über die für Flüchtlinge unhaltbare Situation im Sudan beigebracht werden konnten. Auch dort ist bei einer erzwungenen Rückkehr eine zumutbare Existenz nicht mehr möglich. Diese Informationen und der öffentliche Druck bis hin zu einer Anfrage im Deutschen Bundestag veranlaßten wohl den Bundesinnenminister die Internierung auf Rhein-Main für das Ehepaar zu beenden. Die Frau hatte inzwischen einen zweiten Selbsttötungsversuch unternommen.

PRO ASYL sieht in diesen Vorgängen den Beweis dafür, daß sich die Bundesrepublik mit den neuen Asylgesetzen in menschlich und rechtlich unhaltbare Positionen hineinmanövriert hat. Das bezieht sich auch auf die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Die Unzulänglichkeit des Asylverfahrens führt offenkundig dazu, daß unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Zeitdruck kaum sachgerechte Entscheidungen getroffen werden. Dem Bundesamt, das Online mit der zentralen Datenbank in Zirndorf verbunden ist und über die umfassendsten Länderinformationen verfügt, sind in diesem Fall Vorwürfe kaum zu ersparen. Es hat einseitig zu Lasten der Flüchtlinge und zu Lasten des Rechtsschutzes entschieden. Damit handelte es nachlässig hinsichtlich seiner Amtsermittlungsverpflichtung.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


29.10.1993

Asylbewerberleistungsgesetz ab 1. November in Kraft
DIE ÄRA EINHEITLICHER SOZIALHILFE ZU ENDE
Flüchtlinge unter der Armutsschwelle

Mit dem neuen Asylbewerberleistungsgesetz, das am 1.November in Kraft tritt, geht eine bedeutsame Ära des Sozialhilferechts zu Endel Dies erklärte die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL. Zum ersten Mai wird eine Gruppe von Menschen aufgrund einer Eigenschaft (nämlich Flüchtlinge zu sein) aus dem System der Sozialhilfegewährung ausgeschlossen und einem Sondergesetz unterworfen. Ausdrückliches Ziel ist es, Asylbewerber gegenüber anderen Leistungsempfängern schlechter zu stellen. Damit sind Tür und Tor für die Ausgliederung weiterer Personengruppen aus dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geöffnet. Das neue Gesetz orientiert sich nicht mehr am Verfassungsauftrag die Würde jedes Menschen zu wahren. Es schafft zwei Klassen von Menschen. Flüchtlinge werden künftig unterhalb der Armutsschwelle leben müssen, die der Gesetzgeber selbst definiert hat.

PRO ASYL kritisiert u.a., daß bei Asylbewerbern , die sich im Verfahren befinden oder abgelehnt wurden,

  • die Sozialhilfe drastisch gekürzt wird;

  • der Lebensunterhalt prinzipiell durch Sachleistungen gedeckt wird (Für den persönlichen Bedarf erhalten sie ein bescheidenes Taschengeld);

  • mitgebrachte Geldmittel erst restlos aufgebraucht sein müssen, bevor die Sozialhilfe einsetzt;

  • die freie Arztwahl abgeschafft und die Versorgung im Krankheitsfall gesundheitsgefährdend eingeschränkt wird;

  • eine Verpflichtung zum Arbeitsdienst eingeführt wird.

PRO ASYL empfiehlt in einem besonderen Faltblatt Gruppen und Einzelpersonen,

  • die den Flüchtlingen angebotene Verpflegung

    • auf Qualität, Nährwert und Frischkostanteil hin zu überprüfen, notfalls sollten mit Politikern und Medien zusammen T e s t e s s e n veranstaltet werden ,

    • auf die Überschreitung von Haltbarkeitsdaten zu achten,

    • das ausreichende Angebot von Diät- und Kindernahrung anzumahnen und

    • auf die Möglichkeit zu drängen, daß jederzeit Säuglingsnahrung zubereitet werden kann.

  • den Flüchtlingen dabei behilflich zu sein, daß sie alle notwendigen Dinge, die das Gesetz nicht vorsieht, erhalten. Dazu zählen u.a.
    • Babyausstattung,

    • Schulbedarf für Kinder,

    • Sonderbedarf für Kranke und Schwangere,

    • Fahrtkosten zu Ärzten und Behörden,

    • Kosten für die Beschaffung und Übersetzung von Dokumenten, die für das Asylverfahren benötigt werden, schließlich auch

    • ein berechtigter Bedarf an Kleidung und Schuhen, soweit er nicht durch Sachleistungen abgedeckt wird;

  • die Flüchtlinge zu ermutigen, notfalls den Klageweg zu beschreiten und dafür Rechtshilfefonds einzurichten;

  • Ärzte zu bitten, ihren Sachverstand gegen die Versagung notwendiger Behandlungen einzusetzen und wenn nötig, auch eine kostenlose Behandlung anzubieten.

PRO ASYL geht davon aus, daß der behördliche Mehraufwand für die Fremdversorgung der Flüchtlinge nicht zur Kostensenkung sondern zur Erhöhung der öffentlichen Ausgaben führt. Außerdem wird sich keine Mark, die Flüchtlingen vorenthalten wird, in den Taschen anderer Bedürftiger wiederfinden.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


18.10 1993

Iranischer Geheimdienstchef in Bonn
KRITIK AN SCHMIDBAUER
PRO ASYL-Mitglied auf Todesliste

In einem Schreiben an den Staatsminister im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer hat PRO ASYL dessen Gespräch mit dem für den iranischen Staatsterror verantwortlichen Minister aus Teheran, Ali Fallahani scharf kritisiert. Gleichzeitig fordert PRO ASYL Schmidbauer dringend auf, die Öffentlichkeit über den Inhalt der Gespräche mit der iranischen Seite aufzuklären, künftige wirtschaftliche Kontakte mit dem Iran von dessen effektivem Abrücken von seiner Terror-Strategie abhängig zu machen, iranische Oppositionelle besser schützen zu lassen und jeglichen Datenaustausch zwischen den Geheimdiensten, der sich auf Flüchtlinge und Mitglieder der iranischen Opposition bezieht, zu unterbinden.

Für PRO ASYL scheinen sich nach dem, was Fallahani vor der Presse über eine Zusammenarbeit des iranischen mit den deutschen Geheimdiensten gesagt hat, die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. "Wir schließen schon seit längerem nicht mehr aus, daß es einen ungesetzlichen Datenaustausch über iranische Flüchtlinge und Oppositionelle zwischen den Diensten gibt, der eine hochgradige Gefährdung für diese, ihre Angehörigen sowie ihre politischen Freunde in der Heimat darstellt."

Die Besorgnis von PRO ASYL habe, so heißt es in dem Schreiben weiter, einen ganz konkreten Hintergrund. Ein Mitglied von PRO ASYL, der Iraner B.A., stehe in ausdrücklicher Opposition zum Regime in seiner Heimat. Er sei im Sommer nach anonymen Morddrohungen gegenüber einer Zeitung von einem Beamten des rheinlandpfälzischen Landeskriminalamtes aufgrund seiner politischen Aktivitäten gewarnt worden. Außer einigen Verhaltensempfehlungen habe ihm der Beamte keinerlei weiteren Schutz zusagen können. "Dieser Schutz wäre jetzt sicher nötiger denn je".

PRO ASYL verweist in dem vom PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger unterzeichneten Brief darauf, "daß dies kein Einzelfall ist und die deutschen Behörden über die Listen der Todeskandidaten verfügen, die iranische Mordkommandos im Auftrag der iranischen Regierung exekutieren oder doch wenigstens durch einen gezielten Einschüchterungsterror als Opposition ausschalten sollen."


30.9.1993

drei Monate neues Asylrecht
AMTSSCHIMMEL SCHLÄGT JEDES RENNPFERD
Flüchtlinge fast chancenlos

Termindruck

Der durch die neuen Asylgesetze unter Termindruck geratene Amtsschimmel schlägt derzeit jedes Rennpferd um Längen. Auf der Strecke bleiben Humanität und Rechtsstaatlichkeit. Unter der Oberfläche hektischen Funktionierens stehen entscheidende verfassungsrechtliche Fragen an. Dabei ist u.a. zu klären: Ist der einem Schnellverfahren unterworfene, desinformierte und abgeschirmte Flüchtling noch das Rechtssubjekt, das in unserem Staat voll zu respektieren ist?

Tipps und Tricks

Wo ungewöhnliche Schnelligkeit noch nicht ausreicht, werden Tricks angewendet und Tipps gegeben, wie ein Schreiben des Thüringer Innenministeriums vom 20.9 1993 belegt. Damit ein Flüchtling, der in einen sicheren Drittstaat abgeschoben werden soll, vor seiner Abschiebung nichts davon erfährt, wird ihm die Zustellung des ablehnenden Bescheids und der Abschiebungsandrohung vorenthalten. Ausländerbehörde und Zentrale Abschiebestelle werden vorher informiert. Der Flüchtling erfährt von seiner Ablehnung in dem Moment, wo er abgeschoben wird.

Einen Beschleunigungstipp gibt der Präsident des Verwaltungsgerichtes Weimar, Herr Dr. Schwan. Er regt an, daß bei der Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung eine Beschleunigung eingebaut wird. Die Zustellung eines Urteils ergehe grundsätzlich an die Parteien, also an den Asylbewerber bzw. seinen Rechtsanwalt und die jeweilige Außenstelle des Bundesamtes. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung solle die Außenstelle die Zentrale Abschiebestelle unverzüglich per Fax informieren, damit bereits vorbereitende Maßnahmen für die Abschiebung getroffen werden könnten. Das nennt man dann strikte Gewaltenteilung!

Beratung

Bei der programmierten Schnelligkeit der Verfahren erweist sich eine sofortige rechtliche Beratung als unverzichtbar. Es bleibt mehr oder weniger dem Zufall überlassen, ob eine solche Beratung erfolgen kann. Die meisten Flüchtlinge sind ohne jede Orientierung und Sprachkenntnisse auf sich selbst gestellt. Bei Flüchtlingen, die heimlich über ein sicheres Drittland eingereist sind und bei Beratungsstellen ankommen, tritt eine prekäre Situation ein. Entweder müßte der Flüchtling den Rat erhalten, seinen Reiseweg zu verschweigen oder aber er hätte praktisch keine Chance auf ein Asylverfahren. Ein Abschiebungsschutz wegen Gefahr für Leib und Leben wird von den Ausländerbehörden nicht mehr geprüft. Dafür ist im Rahmen des Asylverfahrens das Bundesamt zuständig.

PRO ASYL begrüßt die Initiative der Rheinischen Kirche und ihres Diakonischen Werkes, die in Trier, Saarbrücken, Wetzlar, Köln, Düren, Krefeld und Duisburg eine Verfahrensberatung eingerichtet und hierfür 17 Stellen geschaffen haben. PRO ASYL fordert eine solche Verfahrensberatung flächendeckend.

Abschiebung

Für die vielen Asylinitiativen ist der Einsatz für Flüchtlinge wesentlich schwieriger geworden. Neue Kontakte sind bei der zentralisierten Unterbringung und der beschleunigten Abwicklung der Verfahren inklusive der Abschiebung nur schwer zu knüpfen. Derzeit konzentriert sich der Einsatz darauf, möglichst schnell Verbindungen zu Rechtsanwälten zu schaffen und Flüchtlinge, die bereits länger in der Bundesrepublik sind, vor einer Abschiebung in ihr krisen- oder kriegsgeschütteltes Heimatland zu bewahren. Hier sind die rechtlichen Schutzmöglichkeiten so stark eingeschränkt, daß ein Verstecken oder das Kirchenasyl als letzter Ausweg erscheinen. PRO ASYL stellt trotz dieser fast aussichtslosen Lage fest, daß die Zahl der für Flüchtlinge engagierten Menschen nicht ab-, sondern zunimmt.

Rückgang der Zahlen

Im starken Rückgang der Asylbewerberzahlen sieht PRO ASYL vor allem die Auswirkung der Drittstaatenregelung und der intensiveren Grenzüberwachung gerade auch mit elektronischen Geräten. Dazu kommt eine großräumige Abschottung der Bundesrepublik mit Hilfe der Nachbarländer. Die Rücknahmeabkommen, die z.B. Polen mit Rumänien, Bulgarien, der slowakischen, der tschechischen Republik, Österreich und der Ukraine geschlossen hat, verhindern offensichtlich, daß Flüchtlinge auf dem Landweg ein sicheres Zufluchtsland finden können. Mittelfristig rechnen wir damit, daß die offiziellen Zahlen noch weiter zurückgehen und dafür die Zahl der Menschen, die dennoch in die Bundesrepublik flüchten, aber keinen legalen Status erhalten, wächst.


30.9 1993

Rechtsgutachten
DRITTSTAATENREGELUNG IM NEUEN ASYLRECHT
Wann ein Durchreiseland wirklich sicher ist

Das Bundesverfassungsgericht sieht sich bei den noch anstehenden Verfassungsbeschwerden zur Drittstaatenregelung schwierigen, verfassungsrechtlichen Fragen gegenüber. So sei, wie es in den vorläufigen Entscheidungen zugunsten zweier Bahä´i Anhänger aus dem Iran erklärte, die Frage zu beantworten, ob der Absatz 2 des neuen Artikels 16a bei fehlender Sicherheit eines Drittstaates einschränkend ausgelegt werden könne. Auch werde der Frage nachzugehen sein, ob nicht andere Verfassungsbestimmungen wie z.B. Artikel 1 (Würde des Menschen) und Artikel 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) die Abschiebung eines Flüchtlings in sein Heimatland verbieten, wenn ihm dort eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Flüchtlinge, die über einen sogenannten sicheren Drittstaat einreisen, haben nach dem neuen Asylrecht keinen Anspruch auf ein Asylverfahren.

Zu den vom BVG aufgeworfenen Fragen nimmt das 100-Seiten-Gutachten von Reinhard Marx, das PRO ASYL in Auftrag gegeben hat, und das in ähnlicher Form den Verfassungsrichtern in Karlsruhe vorliegt, Stellung.

Einige der Thesen:

  • Das immer noch bestehende Grundrecht auf Asyl gewährt politisch Verfolgten einen wirksamen Schutz gegen Zugriffsmöglichkeiten des Verfolgerstaates.

  • Hieraus ergibt sich in Verbindung mit dem geltenden Völkerrecht als Kernbestand des Asylrechts das Verbot einer Kettenabschiebung.
  • Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet Flüchtlinge an der Grenze in den Verfolgerstaat zurückzuweisen (Refoulementverbot). Das läßt die Verweisung des Flüchtlings an einen Drittstaat nur zu, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

    • Der Drittstaat muß sich (vertraglich oder auf andere Weise) bereit erklärt haben, den Flüchtling zu übernehmen.
    • Er muß dem Flüchtling das Recht auf ein Asylverfahren gewähren, das völkerrechtlich anerkannten Mindeststandards entspricht. Diese Standards müssen innerstaatlich verbindlich sein und vertraglich festgelegt werden.

      Diese Mindeststandards sind:

      • Die Grenz- und Polizeibehörden erhalten klare Anweisungen zur Beachtung des Refoulementverbotes.
      • Die Asylbegehren werden nach Möglichkeit von einer zentralen Behörde und durch qualifizierte Beamte geprüft und entschieden.
      • Abgelehnte Anträge werden durch eine höhere Verwaltungsbehörde oder ein unabhängiges Gericht überprüft.
      • Für das Beschwerdeverfahren wird ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gewährt.
  • Behauptet ein Flüchtling, daß er im Drittstaat keinen Zugang zum Asylverfahren hat und ihm dort und im Herkunftsstaat Menschenrechtsverletzungen drohen, ist dem von Amts wegen nachzugehen. Das Grundrecht auf Asyl legt der Bundesrepublik die Pflicht auf, sich aller Maßnahmen zu enthalten, die auf irgendeine Weise dazu beitragen könnten, einen Flüchtling dem Zugriff seines Verfolgerstaates auszusetzen.
  • Nur dann, wenn die Schutzbedürftigkeit entfällt, kann sich der Flüchtling nicht auf das Asylrecht berufen. Dies ist dann der Fall, wenn ihm im Drittland ein hinreichender Verfolgungsschutz gewährt wird.
  • Bei elementaren Grundrechten gilt die Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 uneingeschränkt. Da beim Asylrecht der Schutz von Leben, körperlicher Unversehrtheit sowie persönlicher Freiheit im Vordergrund stehen, darf der verfassungsändernde Gesetzgeber den hier gebotenen Rechtsschutz nicht entziehen.

  • Somit ist der ausnahmslose Ausschluß eines einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes durch § 34 a II Asylverfahrensgesetz verfassungswidrig und diese Norm als nichtig anzusehen.

Herbert Leuninger, Sprecher


21.9 1993

Erneutes Rütteln am Asylrecht
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT VERFÜGT EINREISE
Anhänger der Baha'i - Religion müssen nicht nach Athen zurück

Zwei Asylbewerber aus dem Iran, die länger als einen Monat im Transit des Frankfurter Flughafens festgehalten werden, dürfen nicht nach Athen zurückgeschoben werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht, wie gestern bekannt wurde, mit einer einstweiligen Anordnung verfügt. Die beiden Flüchtlinge, die sich zu der im Iran verfolgten Bahä'i-Religion bekennen, dürfen jetzt in die Bundesrepublik einreisen und erhalten ein reguläres Asylverfahren. Ausschlaggebend für die Karlsruher Entscheidung war ähnlich wie im Falle einer christlichen Asylbewerberin aus dem Irak, daß das EG-Mitglied Griechenland auch für Bahä'i-Anhänger nicht als sicheres Drittland angesehen werden kann (AZ; 2 BvR 1953 und 1954/93).

Die beiden Asylbewerber waren vor mehr als vier Wochen nach einer Flucht über die Türkei und Griechenland auf dem Frankfurter Flughafen gelandet, sollten aber bei nächster Gelegenheit nach Athen zurückgeschoben werden. Dies konnte ein Frankfurter Anwalt durch eine gerichtliche Eilentscheidung verhindern. Er verwies darauf, daß Bahä'i-Mitglieder in Griechenland bisher noch nie als Flüchtlinge anerkannt worden seien. Auch erhielten abgelehnte Flüchtlinge keine Aufenthaltsgenehmigung und würden aufgefordert das Land zu verlassen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte gleichwohl die Asylantrage ab und stellte fest, daß den Antragstellern aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe. Der Bundesgrenzschutz verweigerte daraufhin zum zweiten Mal die Einreise. Das Frankfurter Verwaltungsgerecht hatte sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Daraufhin legte der Anwalt Victor Pfaff Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Sein Kollege Reinhard Marx hatte dessen Begründung mit einer mehr als 50seitigen Expertise ergänzt.

Das Bundesverfassungsgericht betonte bei seiner Begründung, daß die noch ausstehende Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden schwierige, nur im Hauptverfahren zu klärende verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe. So sei die Frage zu beantworten, ob der Absatz 2 des neuen Artikels 16a bei fehlender Sicherheit eines Drittstaates einschränkend ausgelegt werden könne. Auch werde der Frage nachzugehen sein, ob nicht andere Verfassungsbestimmungen wie z.B. Artikel 1 (Würde des Menschen) und Artikel 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) die Abschiebung eines Flüchtlings in sein Heimatland verbieten, wenn ihm dort eine menschenrechtswidrige Behandlung droht.

PRO ASYL bewertet die neue BVG-Entscheidung als Ausdruck dafür, daß das letzte Wort über die Verfassungsgemäßheit des neuen Asylrechts noch lange nicht gesprochen ist und sich möglicherweise gravierende Folgen für die Verfahrensvorschriften ergeben. Aktuell jedenfalls lasse sich die maßgeblich vom Bundesinnenministerium vertretene Rechtsauffassung nicht halten, sichere Drittländer seien prinzipiell sicher und Gerichte könnten nicht über deren etwaige Unsicherheit in ganz konkreten Fällen befinden.

Herbert Leuninger, Sprecher


16.09.93

Afghanische Familie vor Wiedereinreise
BAYERN LEGT BERUFUNG EIN
keine aufschiebende Wirkung

Eine Stunde, nachdem das Verwaltungsgericht Regensburg die bayerischen Behörden verpflichtet hat, die kürzlich in die Tschechische Republik zurückgeschobene afghanische Familie wieder einreisen zu lassen, hat die Landesanwaltschaft als Vertreter des Freistaats Bayern beim Verwaltungsgerichtshof Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Da diese Berufung keine aufschiebende Wirkung hat, geht der Anwalt der Familie davon aus, daß seine Mandantin mit ihren drei Kindern heute Vormittag ohne Schwierigkeiten die Grenze zur Bundesrepublik passieren kann. Das Präsidium der Bayerischen Grenzpolizei hat dem Anwalt gegenüber erklärt, daß die Wiedereinreise möglich ist.

Die geflüchtete Familie wird nach dem Grenzübertritt zur Durchführung eines Asylverfahrens zur Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber nach Deggendorf gebracht. Von dort war sie vor einigen Tagen trotz eines Urteils auf vorläufigen Verbleib nach Tschechien zurückgeschoben worden. Die Begründung lautete, die Einreise sei aus einem sicheren Drittstaat erfolgt, somit bestehe kein Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland.

PRO ASYL sieht in der Möglichkeit der Wiedereinreise angesichts der rigiden Philosophie der Abschottung ein Nadelöhr verbliebener Rechtsstaatlichkeit.

Herbert Leuninger, Sprecher


15.09 1993

Afghanische Familie kann aus Tschechien zurück
GRENZSCHUTZ MUSS EINREISE GESTATTEN
Gericht: Zurückschiebung rechtswidrig

In einem weiteren Urteil zugunsten einer afghanischen Familie hat heute das Verwaltungsgericht Regensburg entschieden, daß die in die Tschechische Republik zurückgeschobenen Flüchtlinge wieder in die Bundesrepublik einreisen dürfen. Hier müsse ihnen die Möglichkeit zu einem regulären Asylverfahren gegeben werden (AZ: RN 7E 93.31767). Die Bayerische Grenzpolizei hat dem Anwalt gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß sie die Familie einreisen läßt.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte trotz eines gegenteiligen Gerichtsurteils entschieden, daß den Flüchtlingen aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht und die sofort vollziehbare Abschiebung in die Tschechische Republik angeordnet. Die Familie, die einige Tage zuvor heimlich nach Bayern eingereist war, wurde daraufhin wieder nach Tschechien zurückgeschoben. Daß sich das Bundesamt einfach hin über den Gerichtsbeschluß hinweggesetzt hat, lag - so ein Zwischenurteil des Verwaltungsgerichts - "außerhalb des Erwartungshorizonts des Gerichts" (AZ: RN 7 E 93 31781 vom 8.9.1993). In seiner Bewertung war das Gericht zu der Auffassung gelangt, daß die Tschechische Republik für diese Flüchtlinge kein sicherer Drittstaat im Sinne des Grundgesetzes sei.

PRO ASYL sieht in diesen Urteilen und der einstweiligen Verfügung des Bundesverfassungsgerichtes vom Montag eine rechtspolitische Schlappe für das Bundesinnenministerium. Dieses vertrat bisher die Rechtsauffassung, daß Urteile über die fehlende Sicherheit von Drittstaaten rechtswidrig seien. Die Karlsruher Verfassungsschützer hatten den Bundesgrenzschutz in dem Fall einer irakischen Asylbewerberin verpflichtet, von einer Zurückschiebung in den für diese Frau nicht "sicheren Drittstaat" Griechenland abzusehen. "Jetzt steht die Drittstaatenregelung mit ihrer Annahme von Sicherheit auf dem Prüfstand der Verfassung", erklärte PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger.

  • Die afghanische Frau war am 29. August d.J. zusammen mit ihren drei minderjährigen Söhnen bei Philippsreut heimlich über die Grenze gelangt und vom Grenzschutz festgenommen worden. Als man der Frau eröffnete, sie würde wieder zurückgeschoben, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und wurde auf Veranlassung des Notarztes in das Kreiskrankenhaus Freyung eingeliefert. Ihre drei Kinder wurden in einem Kinderheim untergebracht.
  • Daraufhin war der Münchener Anwalt der Familie vor Gericht gegangen, um die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland zu erreichen. Die Familie sei auf dem Luftweg von Pakistan in die Tschechische Republik eingereist. Da sie dort nicht wie erforderlich innerhalb von 48 Stunden einen Asylantrag gestellt hätte, könne dies nicht mehr nach geholt werden.

14.09 1993

Bundesverfassungsgericht zugunsten einer Irakerin
BUNDESGRENZSCHUTZ MUSS EINREISE GESTATTEN
Griechenland kein sicheres Drittland

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am 13.9 1993 dem Grenzschutzamt am Flughafen Frankfurt untersagt seine vom 24.8. datierte Einreiseverweigerung gegenüber einer asylbegehrenden Irakerin zu vollziehen. Damit ist der Antragstellerin die Einreise zu gestatten. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand sei nicht auszuschließen, daß der Frau im Falle der Rückkehr politische bzw. menschenrechtswidrige Behandlung drohen würde. Das höchste Gericht schließt auch nicht aus, daß die Irakerin im Falle einer Zurückweisung nach Griechenland von dort aus in den Irak weitergeschoben würde(AZ: 2 BvR 1938/93).

Der Bundesgrenzschutz hatte ihr die Einreise verweigert und die Zurückweisung nach Athen verfügt. Grundlage dieser Entscheidung ist das neue Asylverfahrensgesetz. Danach können Asylbewerber, die über ein sogenanntes sicheres Drittland eingereist sind, sofort zurückgewiesen werden. Diese Zurückweisung darf nach Meinung der Bundesregierung vom Gericht nicht ausgesetzt werden. Ein Asylantrag wurde nicht entgegengenommen.

Der Frankfurter Rechtsanwalt Roman Fränkel, der die Asylbewerberin vor dem Verwaltungsgericht vertrat und die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt hatte, verwies auf zuverlässige Informationen aus der griechischen Einwanderungsbehörde. Danach würde die Irakerin nach Ankunft auf dem Athener Flughafen sofort in die Türkei weitergeschoben. Ihr wäre in dem EG-Land keine Möglichkeit für ein Asylverfahren eingeräumt worden. Dies entspräche mehrfacher Praxis gegenüber irakischen Staatsangehörigen.

Für PRO ASYL hat das Urteil weitreichende Bedeutung. So gerät die Regelung, die die Einreise über Drittstaaten betrifft, gehörig ins Wanken. Es muß demnach künftig bei der Einreise geprüft werden, ob der sogenannte sichere Drittstaat für den betreffenden Asylbewerber wirklich ein solcher ist: vor allem muß der Asylbewerber Zugang zu anwaltlicher Beratung und auch zu Gerichten erhalten.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


12.09 1993

Afghanische Familie nach Tschechien zurückgeschoben
BUNDESAMT MISSACHTET GERICHTSURTEIL
Anwalt betreibt Wiedereinreise

Die eklatante Missachtung eines Gerichtsurteils sieht die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL in der Zurückschiebung einer afghanischen Mutter mit drei Kindern in die Tschechische Republik. Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte das Grenzschutzamt Schwandorf verpflichtet, die heimlich über die Grenze gelangte Familie in das Aufnahmelager Deggendorf weiterzuleiten und von einer Zurückschiebung bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Asylanträge abzusehen ( AZ: RN 7 E 93 31704 vom 2.9.1993). In seiner Bewertung war das Gericht zu der Auffassung gelangt, daß die Tschechische Republik für diese Flüchtlinge kein sicherer Drittstaat im Sinne des Grundgesetzes sei.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte trotz des Gerichtsurteils entschieden, daß den Flüchtlingen aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht und die sofort vollziehbare Abschiebung in die Tschechische Republik angeordnet. Die Familie wurde daraufhin noch am gleichen Tag um 19.00 am Grenzübergang Philippsreut nach Tschechien zurückgeschoben. Daß sich das Bundesamt einfach hin über den Gerichtsbeschluss hinweggesetzt hat, lag - so ein neueres Urteil des Verwaltungsgerichts - "außerhalb des Erwartungshorizonts des Gerichts" (AZ: RN 7 E 93 31781 vom 8.9.1993).

PRO ASYL betrachtet es als rechtspolitisch einmalig, daß das Bundesamt die Gerichtsentscheidung übergangen hat. PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger verfügt über Informationen, wonach das Bundesinnenministerium dem Vorgehen weisungsungebundener Entscheider Rückendeckung gibt. Und zwar vertrete das BMI die Rechtsauffassung, daß Urteile über die fehlende Sicherheit von Drittstaaten rechtswidrig seien. "Offensichtlich herrscht im BMI die panische Angst, daß das Kernstück des neuen Asylrechts, die Festlegung sogenannter sicherer Drittstaaten, in Frage gestellt wird", erklärte Leuninger .

Die afghanische Frau war zusammen mit ihren drei minderjährigen Söhnen bei Philippsreut über die Grenze gelangt und vom Grenzschutz festgenommen worden. Als man der Frau eröffnete, sie würde wieder zurückgeschoben, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und wurde auf Veranlassung des Notarztes in das Kreiskrankenhaus Freyung eingeliefert. Ihre drei Kinder wurden in einem Kinderheim untergebracht. Daraufhin war der Münchener Anwalt der Familie vor Gericht gegangen, um die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland zu erreichen. Die Familie sei auf dem Luftweg von Pakistan in die Tschechische Republik eingereist. Da sie dort nicht wie erforderlich innerhalb von 48 Stunden einen Asylantrag gestellt hätte, könne dies nicht mehr nach geholt werden. Aufgrund der gerichtlichen Auflage war die Familie in die Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber nach Deggendorf gebracht worden.

Jetzt betreibt der Rechtsbeistand die Wiedereinreise der Familie. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts hierzu steht unmittelbar bevor.


21.08 1993

Auch Asylbewerberin aus dem Irak vor Gericht erfolgreich
RICHTER FALLEN BUNDESGRENZSCHUTZ IN DEN ARM
Griechenland kein sicheres Drittland

Wie zwei iranische Staatsangehörige hat auch eine Asylbewerberin aus dem Irak erfolgreich gegen die Zurückweisung durch den Bundesgrenzschutz auf dem Rhein-Main-Flughafen geklagt. Der Bundesgrenzschutz hatte ihr die Einreise verweigert und die Zurückweisung nach Athen verfügt. Grundlage dieser Entscheidung ist das neue Asylverfahrensgesetz. Danach können Asylbewerber, die über ein sogenanntes sicheres Drittland eingereist sind, sofort zurückgewiesen werden. Diese Zurückweisung darf nach Meinung der Bundesregierung vom Gericht nicht ausgesetzt werden. Ein Asylantrag wurde nicht entgegengenommen.

Die christliche Irakerin, die gezwungen werden sollte, Ausländer aus europäischen Ländern zu bespitzeln, war in den Norden des Landes und von dort auf dem Landweg in die Türkei und weiter nach Griechenland geflüchtet. Sie landete am Freitag auf Rhein-Main.

Am späten Freitagnachmittag hat die 2.Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt auch in diesem Fall der Bundesregierung aufgegeben, den Antragstellerin unverzüglich Gelegenheit zur Stellung eines Asylantrages und zur Durchführung des Asylverfahrens bei der Außenstelle des Bundesamtes Frankfurt-Flughafen zu geben und bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung von einer Zurückschiebung abzusehen ( Gesch. Nr. 2 G 12334/93.A).

Der Frankfurter Rechtsanwalt Roman Fränkel, der die Asylbewerberin vor dem Verwaltungsgericht vertrat, verwies auf zuverlässige Informationen aus der griechischen Einwanderungsbehörde. Danach würde die Irakerin nach Ankunft auf dem Athener Flughafen sofort in die Türkei weitergeschoben. Ihr wäre in dem EG-Land keine Möglichkeit für ein Asylverfahren eingeräumt worden. Dies entspräche mehrfacher Praxis gegenüber irakischen Staatsangehörigen. Damit ist Griechenland kein sicheres Drittland und zwar weder für Flüchtlinge aus dem Iran noch aus dem Irak.

PRO ASYL bewertet die Urteile als wichtiges Signal dafür, daß die Asylgesetze in wesentlichen Punkten nicht mit der Verfassung übereinstimmen. Das dürfte vor allem für die sogenannte Drittstaatenregelung gelten.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


20.08 1993

Asylbewerber aus dem Iran vor Gericht erfolgreich
BGS DARF NICHT NACH ATHEN ZURÜCKSCHICKEN
Griechenland als sicheres Drittland fraglich

Zwei iranische Staatsangehörige haben heute über ihren Rechtsanwalt erfolgreich gegen die Zurückweisung durch den Bundesgrenzschutz auf dem Rhein-Main-Flughafen geklagt. Der Bundesgrenzschutz hatte ihnen die Einreise verweigert und die Zurückweisung nach Athen für 19.00 Uhr verfügt. Grundlage dieser Entscheidung ist das neue Asylverfahrensgesetz. Danach können Asylbewerber, die über ein sicheres Drittland eingereist sind, sofort zurückgewiesen werden. Diese Zurückweisung darf nach Meinung der Bundesregierung vom Gericht nicht ausgesetzt werden.

Am späten Nachmittag hat die 2.Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt die Bundesregierung verpflichtet, den Antragstellern unverzüglich Gelegenheit zur Stellung eines Asylantrages und zur Durchführung des Asylverfahrens bei der Außenstelle des Bundesamtes Frankfurt-Flughafen zu geben und bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung von einer Zurückschiebung abzusehen.

Beide Asylbewerber sind infolge ihrer politischen Verfolgung als Mitglieder der Bahä'i Religion illegal aus dem Iran und über die Türkei und Griechenland heute in die Bundesrepublik gekommen.

Nach von Rechtsanwalt Victor Pfaff getroffenen Feststellungen ist Griechenland kein sicheres Drittland. Nach telefonischer Auskunft des Nationalen Geistigen Rates der Bahä'i in Griechenland sind Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft in Griechenland bis heute noch nie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Bahä 'i Religion als Flüchtlinge anerkannt worden. Abgelehnte Flüchtlinge erhalten keine Aufenthaltsgenehmigung und werden aufgefordert, Griechenland zu verlassen. Bisher hat sich der Nationale Geistige Rat der Bahä ' i vergeblich um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft bemüht.

Pfaff hält mit gewichtigen Rechtsexperten den Ausschluß des vorläufigen Rechtsschutzes u.a. deswegen für verfassungswidrig, weil seinen Mandanten in Griechenland eine Weiterabschiebung droht.

Für PRO ASYL hat das Urteil weitreichende Bedeutung. Es bringt einen Teil des neuen Asylrechts zu Fall. So müsse nach Auffassung des Gerichts trotz der Drittstaatsklausel im neuen Artikel 16a Grundgesetz in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der Asylbewerber, der aus einem für sicher erklärten Drittstaat einreist, dort wirklich sicher vor Verfolgung oder vor mittelbarer Rückschickung in den Verfolgerstaat ist.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


14.08 1993

Ukrainische Asylbewerberin trotz Folter abgelehnt
BUNDESAMT FEINFÜHLIG GEGENÜBER TÄTERN
hart gegenüber Opfern

Besondere Härte bei der Ablehnung eines Asylantrages und unverständliche Feinfühligkeit gegenüber gewalttätiger Miliz kennzeichnen einen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Der Antrag einer ukrainischen Asylbewerberin, die im Mai in die Bundesrepublik geflüchtet war und der bei einem der Verhöre in der Heimat von der Miliz ein Arm gebrochen wurde, wurde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erfolgte im Rahmen des seit dem 1.Juli geltenden Asylverfahrensgesetzes.

In der Begründung der Außenstelle des Bundesamtes in Bielefeld heißt es wörtlich: "Soweit die Antragstellerin ausführt, ihr sei durch einen Milizangehörigen der Arm gebrochen worden, ist hierin keine gewollte gravierende körperliche Mißhandlung zu sehen. Dies ergibt sich schon aus der Aussage der Antragstellerin, der Milizangehörige habe sofort losgelassen, als sie aufgeschrieen habe. Offensichtlich wurde ihr die Verletzung ungewollt zugefügt." (Gesch.-Z. G 1714194-166)

Bei einer politischen Verfolgung müßten - so der Bescheid - dem Einzelnen gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen.

Nachdem das Bundesamt mit weiteren Textbausteinen die politische Verfolgung im strengen Sinn verneint hat, hält es auch die Ausweisung der Frau in ihre Heimat für rechtens. Ein Ausländer dürfe gemäß §53 nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm u.a. Folter oder menschenrechtswidrige Behandlung drohe. Da die Antragstellerin aber ein entsprechendes Abschiebungshindernis nicht glaubhaft gemacht habe, stehe das Ausländergesetz einer Abschiebung nicht entgegen.

PRO ASYL sieht in dem Bescheid einen weiteren Beweis dafür, daß Deutschlands Abschottung nach außen einer ebenso rigorosen nach innen entspricht. "Die geringe Anerkennungsquote ist in erster Linie Ausdruck einer geschwundenen Anerkennungsbereitschaft".

Der Detmolder Rechtsbeistand der abgewiesenen Asylbewerberin, die innerhalb einer Woche bei Androhung der Ausweisung ausreisen sollte, hat gegen diesen Bescheid Rechtsmittel eingelegt.


10.08 1993

Solidaritätsadresse
Schiffsunterbringung von Asylbewerbern abgelehnt

PRO ASYL unterstützt die Forderung der Bewohner der Flüchtlingsunterkunft Peenemünder Straße in Bremen, nicht auf ein Wohnschiff verlegt zu werden.

Es ist eine unzumutbare Härte, wenn Flüchtlingen nach zum Teil bereits längerem Aufenthalt in Bremen zugemutet wird, Möbel und anderes Eigentum zurückzulassen und auf die Möglichkeit der Selbstverpflegung zu verzichten. Außerdem sind die neuen Wohnbedingungen und die geplanten Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen abzulehnen. Letztere dürften kaum durch Recht und Gesetz gedeckt sein.

PRO ASYL wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen den Trend, die Unterbringung von Asylbewerbern haftähnlichen Bedingungen anzunähern.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


06.08. 1993

Selbsttötungsversuch eines Asylbewerbers aus Afghanistan
ABSCHIEBUNG NUR "ZURÜCKWEISUNG"
Der lebensbedrohliche Unterschied

Weil ein afghanischer Asylbewerber auf dem Frankfurter Flughafen abgelehnt wurde und nicht als eingereist gilt, droht ihm die zwangsweise Rückführung. Eine juristische Haarspalterei macht den Frankfurter Flughafen einmal mehr zu einer Asylfalle für Flüchtlinge, erklärte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL. Mit bürokratischem

Zynismus vertritt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge auf dem Flughafen Frankfurt die Auffassung, es brauche bei einem Asylantrag, der von einem auf dem Flughafen internierten Asylbewerber gestellt wurde, nicht zu prüfen, ob allgemeine Abschiebehindernisse wie etwa Bürgerkrieg vorliegen.

Normalerweise muß in jedem Asylverfahren nicht nur geprüft werden, ob politische Verfolgung vorliegt, sondern auch, ob Abschiebehindernisse bestehen. Letzteres gelte - so das Bundesamt - aber nur für Flüchtlinge, die tatsächlich eingereist sind. Dem afghanischen Flüchtling, der inzwischen einen Selbsttötungsversuch unternommen hatte, wurde aber vom Bundesgrenzschutz die Einreise verweigert; er wurde im angeblich exterritorialen Bereich untergebracht. Daher könne er nach Afghanistan zurückgebracht werden, obwohl ihm wie jedem anderen abgelehnten afghanischen Flüchtling in dem dortigen Bürgerkrieg Gefahr für Leib und Leben droht.

Nach Auffassung von PRO ASYL ist dieser Fall nicht nur ein Beweis für die menschenunwürdige Prozedur im Niemandsland des Rhein-Main-Flughafens, sondern auch für die Verfassungswidrigkeit des neuen Asylpakets. PRO ASYL fordert die nachträgliche Prüfung etwa bestehender Abschiebehindernisse bei allen auf den Flughäfen festgehaltenen Asylbewerbern und die Anwendung des Abschiebeschutzes auf diese. Außerdem müsse die Flughafenregelung insgesamt aufgehoben werden.


2. August 1993

Rhein-Main Flughafen:
Abschiebung in letzter Minute verhindert

Erst in letzter Minute konnte am 30. Juli 1993 um 13.00 Uhr auf dem Rollfeld des Rhein – Main - Flughafens die rechtswidrige Abschiebung einer armenischen Familie verhindert werden. Auf Grund von Behördenfehlern saß sie bereits hilflos im startbereiten Flugzeug nach Moskau. Zuvor hatte der BGS das gesamte Bargeld der Familie beschlagnahmt, so daß die Familie in Moskau mittel- und obdachlos festgesessen hätte.

Landsleute hatten gegen 11.30 Uhr in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gelnhausen beobachtet, wie die Betroffenen in Fahrzeuge verfrachtet wurden und offensichtlich zum Flughafen gefahren werden sollten. Die verzweifelten Armenier riefen ihnen zu, sie hätten noch überhaupt keinen Asylbescheid erhalten.

Das weitere Protokoll der Ereignisse:

- 12.10 Uhr: Eingeschaltete deutsche Unterstützer erreichen eine Rechtsanwältin.

- 12.25 Uhr: Die Rechtsanwältin faxt den Eilantrag und die zugehörige Klage an das Verwaltungsgericht und versucht trotz Mittagspause, einen Richter zu erreichen.

- 12.30 Uhr: Ein Verwaltungsrichter wird erreicht. Während er die Unterlagen einsieht, ruft die Rechtsanwältin die Ausländerbehörde des Main – Kinzig -Kreises (zuständig für Gelnhausen) an und erhält die Bestätigung, daß der Asylbescheid nicht korrekt zugestellt worden war, sondern auf Grund eines Behördenfehlers wahrscheinlich als "unbekannt verzogen" zurückgekommen war. Die Rechtsanwältin bittet die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde, sofort beim Bundesgrenzschutz anzurufen, um die Abschiebung zu stoppen, und erhält von ihr die Antwort, sie habe hierfür keine Befugnis und Vorgesetzte seien nicht zu erreichen. Die Rechtsanwältin ruft den Verwaltungsrichter an und teilt mit, daß die Behörde festgestellt habe, der Bescheid sei fehlerhaft zugestellt worden. Der Richter sagt zu, die Abschiebung vorläufig zu stoppen, wenn die Ausländerbehörde dies so bestätige.

- 12.55 Uhr: Der Richter ruft den BGS an und bestätigt anschließend der Rechtsanwältin, daß der BGS die Auskunft gegeben habe, es seien lediglich noch drei Minuten bis zum Start der Maschine. Trotzdem werde versucht, die Abschiebung noch zu stoppen.

- 13.00 Uhr: Der BGS erreicht die startbereite Maschine und holt die armenische Familie heraus. Allein die Tatsache, daß die Maschine gegenüber ihrer regulären Abflugzeit (13.00 Uhr) einige Minuten Verspätung hatte, machte diese Intervention noch möglich.

Nach Feststellungen von PRO ASYL häufen sich in letzter Zeit fehlerhafte Mitteilungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an die Ausländerbehörden über angeblich bereits abgeschlossene Asylverfahren, verbunden mit der Aufforderung abzuschieben, wobei die Betroffenen nicht die Möglichkeit erhalten, den Sachverhalt aufzuklären.

Angesichts des geschilderten Beispiels weist PRO ASYL darauf hin, daß die deutschen Behörden vor dem Hintergrund der asylrechtlichen Neuregelungen zunehmend "chaotisch und unkoordiniert" handeln. Rückfragen, die eine Korrektur von Fehlern ermöglichen, sind kaum noch üblich.

Rainer M. Hofmann,
Stellvertretender Sprecher von PRO ASYL


23. Juli 1993

Presseerklärung

Als Reaktion auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts fordert PRO ASYL die Aussetzung des Flughafenverfahrens. Zumindest müsse eine dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechende Verfahrensberatung sichergestellt werden. Dies sei derzeit nicht der Fall.

Das Land Hessen wolle nicht die politische Verantwortung für die skandalösen Zustände am Frankfurter Flughafen übernehmen. Deshalb zögere es, ausreichende Finanzmittel für die Erstaufnahme und die Verfahrensberatung am Flughafen bereitzustellen. Die Kirchen seien nicht in der Lage, kurzfristig die nötigen Mittel für die Verfahrensberatung am Flughafen entscheidend zu erhöhen. PRO ASYL bittet deshalb die Öffentlichkeit um Unterstützung und hat eine Spendenkampagne hierfür gestartet.

Rechtsanwalt Rainer Hofmann (stellvertretender Sprecher)


20. Juli 1993

Bundesverfassungsgericht: Keine Grundsatzentscheidung

Als "Beginn einer längeren juristischen Auseinandersetzung" bewertet PRO ASYL den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. PRO ASYL verweist ausdrücklich auf die Vorläufigkeit der Entscheidung. Es gebe keinen Anlaß, das neue Asylrecht nach dem Ghana-Beschluß insgesamt als verfassungskonform zu bejubeln. Das Verfassungsgericht habe in einem Einzelfall entschieden, die Grundsatzfragen seien jedoch nicht geklärt worden. Nach wie vor sei offen, ob die Konzeption der sicheren Herkunftsländer verfassungskonform ist. Die Mehrheit der Flüchtlinge werde jedoch nicht aufgrund dieser Vorschrift, sondern wegen der Einreise über ein angebliches sicheres Drittland zurückgewiesen. Hiergegen seien die Klagen noch in Vorbereitung und noch nicht in Karlsruhe anhängig.

Im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 1993 heißt es: "Bundesamt und Verwaltungsgericht wären mithin im Fall des Antragstellers auch dann zu keinem anderen Ergebnis bei der Beurteilung des Asylantrags gekommen, wenn Ghana nicht in der Liste" der sicheren Herkunftsländer "aufgenommen worden wäre". Das Gericht führt weiter aus, daß sich im Hinblick auf diese Vorschriften "die Verfassungsbeschwerde nicht als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist". Der Antragsteller habe hierzu eine Reihe verfassungsrechtlicher Fragen aufgeworfen, "die sich im Eilverfahren nicht eindeutig beantworten lassen".

Als "weltfremd" kritisiert PRO ASYL allerdings die Auffassung, daß der abgelehnte Flüchtling von seinem Heimatland aus klagen solle. Ein faires und rechtstaatliches Verfahren sei so nicht möglich. PRO ASYL verweist auf die Forderung des UNHCR, daß ordentliche und sorgfältige Überprüfungsverfahren im Aufnahmeland gewährleistet sein müssen.

PRO ASYL fordert das Internierungslager am Flughafen aufzuheben. Die haftähnliche Situation ist verfassungswidrig. Menschen, die vor Gefahren für Leib und Leben fliehen, haben Anspruch auf ein faires und rechtstaatlich einwandfreies Verfahren. Dies ist bei der "Hau-Ruck"-Praxis am Frankfurter Flughafen nicht gewährleistet.

PRO ASYL fordert das Bundesverfassungsgericht auf, die Situation am Frankfurter Flughafen nicht vom Schreibtisch aus zu beurteilen, sondern sich bei einem Ortstermin von den skandalösen und rechtstaatswidrigen Zuständen zu überzeugen.

Günter Burkhardt Geschäftsführer von PRO ASYL


16. Juli 1993

Altfallregelung
Scheinlösung zur Beruhigung des schlechten Gewissens

Als "Scheinlösung zur Beruhigung des schlechten Gewissens nach der faktischen Abschaffung des Asylgrundrechts" bezeichnet die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL die sogenannte Altfallregelung.

Ausgeschlossen würden Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten, wie zum Beispiel Kurden aus der Türkei oder Tamilen aus Sri Lanka. Vielen von ihnen drohe in den nächsten Monaten die Abschiebung. PRO ASYL kritisiert die unzureichende Regelung und fordert den Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder auf, einen generellen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten zu erlassen.

Die Altfallregelung, nach der Asylbewerber aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von mehr als 30% und einer Aufenthaltsdauer von mehr als 2,5 Jahren eine zweijährige Aufenthaltsbefugnis erhalten können, greife zu kurz. Obwohl etwa jeder vierte tamilische und jeder zehnte türkische Asylantragsteller bereits beim Bundesamt anerkannt werde, blieben diese Länder bei der Altfallregelung unberücksichtigt.

Beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gebe es zur Zeit mehr als eine halbe Million unbearbeitete Asylanträge. Maximal 10% der Asylantragsteller könnten theoretisch von der Altfallregelung begünstigt sein. Die Altfallregelung werde aber so restriktiv gehandhabt, daß nicht einmal die potentiell Berechtigten die Chance der Altfallregelung wahrnehmen könnten. Die Frist für die Antragstellung läuft vom 1. Juni bis 31. August 1993. Diese Frist sei extrem kurz, zumal die Erlasse erst jetzt, lange nach Fristbeginn, bekannt würden. Bereits am 13. oder 14. Mai 1993 müsse die Innenministerkonferenz die Altfallregelung beschlossen haben. Offensichtlich sei versäumt worden, die Beschlüsse zur Altfallregelung rechtzeitig zu veröffentlichen.

Vor diesem Hintergrund sei es nicht zu vertreten, daß einige Bundesländer, darunter Bayern, die Inanspruchnahme der Altfallregelung auch noch davon abhängig machen, daß zum Fristablauf am 31. August 1993 ein Rechtskraftbescheid des Bundesamtes vorliegen müsse. Die notwendigen bürokratischen Schritte seien in der Hauptferienzeit für Rechtsanwälte und das Bundesamt kaum zu schaffen.

Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL


9. Juli 1993

Hungerstreik von Flüchtlingen auf Rhein-Main
ASYLFALLE AIRPORT
kein faires Asylverfahren möglich

Der Flughafen Frankfurt ist für Flüchtlinge zu einer "Asylfalle" geworden. Dies erklärte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL nach einem Besuch der 36 Flüchtlinge, die im Gebäude C 183 in einen Hungerstreik getreten sind.

Diese Menschen lebten in einem unvorstellbaren Psychostreß mit der ständigen Angst, in ihr Verfolgerland abgeschoben zu werden. Die hermetische Abriegelung des Gebäudes durch den Bundesgrenzschutz, die Begleitung von Rechtsanwälten und ihren Mandanten durch BGS-Beamte, der ganze Wagenpark gepanzerter und sonstiger Mannschaftswagen vor dem Gebäude die Hektik des Verfahrens und die mehr als unfreundliche Behandlung belasteten die Flüchtlinge in unerträglicher Weise. 'Wegen der subjektiven Bedrohungslage ist ein rechtsstaatlich faires Verfahren auf dem Flughafen nicht mehr gewährleistet', erklärte Herbert Leuninger. Panische Ängste und eine damit verbundene Desorientierung machten eine normale Befragung im Rahmen der Anhörung unmöglich. PRO ASYL fordert daher eine sofortige Unterbringung der Flüchtlinge außerhalb des Flughafenbereiches.

Es folgt der Wortlaut der 2.Solidaritätsadresse, die PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger an die Flüchtlinge auf dem Flughafen gerichtet hat:

"Sie haben mit Ihrem Hungerstreik bereits ein wichtiges Ziel erreicht. Die deutsche Öffentlichkeit ist auf Ihr Schicksal aufmerksam geworden. Viele Menschen sind mit Ihnen solidarisch und wünschen lhnen den notwendigen Erfolg: nämlich ein Asylverfahren ohne Internierung, in dem Sie die Möglichkeit haben, sich in Ruhe mit einem Rechtsanwalt auf Ihr Interview vorzubereiten. Beim Interview sollten Sie Ihre Gründe ausführlich darlegen können, warum Sie geflüchtet sind. Auch sollten Sie erklären können, weiche Gefahr für Leib und Leben droht, wenn Sie in Ihr Heimatland zurückgeschickt werden sollten."

Ein Hungerstreik ist das letzte politische Mittel, das Ihnen zur Verfügung steht. Sie sollten es so einsetzen, daß nicht Ihr Tod, sondern Ihre Rettung am Ende steht. Daher bitten wir Sie als Freunde darum, unbedingt Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Auch sollten Sie sich täglich ärztlich gründlich untersuchen lassen. Treffen Sie überdies keine Entscheidung über Ihr Asylverfahren, ohne sich vorher beraten zu lassen! Die Gerichte brauchen Zeit und wir alle brauchen Geduld und Hoffnung!"


7. Juli 1993

Roma in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Forderung an Kirchen und Kultusminister:
für Bleiberecht der Roms einsetzen

In einem Schreiben hat sich PRO ASYL an die Bayerischen Kirchen und das Kultusministerium in München gewandt. Sie sollten ihre gemeinsame Forderung an die in die KZ-Gedenkstätte Dachau geflüchteten Roma, ihren Zufluchtsort zu verlassen, zurückziehen und sich beim Bayerischen Innenminister und beim Bundesinnenministerium für ein Bleiberecht für Roma aus Südosteuropa einsetzen.

Das Schreiben, das an Kardinal Friedrich Wetter, den Evangelischen Landeskirchenrat und an Kultusminister Hans Zehetmair gerichtet ist, verweist auf die derzeitige und noch absehbare Lage auf dem krisen- und kriegsgeschüttelten Balkan. Es sei nicht zu verantworten, Angehörige der in diesen Ländern besonders diskriminierten Minderheit durch Ausweisung einem existenzbedrohenden Schicksal zu überantworten, "Das barbarische Konzept der sogenannten ethnischen Säuberung bringt das Volk der Roma nach Hitler wieder vor den Abgrund. Dem müssen wir uns mit allen Kräften, vor allem auch durch eine Schutzgewährung widersetzen", heißt es in dem von PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger unterzeichneten Brief.

Der sicher als Hilfe gedachte Vorschlag der Kirchen, jeden Fall einzeln überprüfen zu lassen, könne nicht als eine Lösung angesehen werden. Es gehe vielmehr um eine politische und humanitäre Gruppenentscheidung.


30.6.1993

1.Juli: Asylgesetze in Kraft
ASYL IN DEUTSCHLAND: PLZ &xnbsp;0
SPD soll Normenkontrollverfahren anstrengen

"Asyl in Deutschland: Postleitzahl 0". Mit diesem bitteren Slogan verweist die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL auf die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, die mit dem 1. Juli in Kraft tritt. Die Bürgerrechtsbewegung für Flüchtlinge sieht sich nach der jetzt geltenden Rechtslage vor neue und schwere Aufgaben gestellt. "Wir müssen uns künftig dafür einsetzen, daß der durch die Verfassung, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Internationalen Menschenrechtskonventionen verbliebene Schutz für Flüchtlinge auf juristisch bisher ungewohnte Weise ausgeschöpft wird", erklärte PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger.

  • So will PRO ASYL in Kürze ein Rechtsgutachten vorlegen, das feststellt, inwieweit das Grundgesetz in Artikel 1 (Schutz der Menschenwürde) und Artikel 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) auch ohne den bisherigen Artikel 16 eine Basis für den Schutz von Flüchtlingen ist.

  • In einem Schreiben an den Fraktionsvorsitzenden der SPD Hans-Ulrich Klose fordert PRO ASYL die sozialdemokratische Bundestagsfraktion auf, beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Normenkontrollverfahren gegen Paragraph 34a des neuen Asylverfahrensgesetzes anhängig zu machen. Dieses Vorgehen ergäbe sich zwingend aus dem Abstimmungsverhalten der Fraktion, die mehrheitlich das Begleitgesetz wegen seiner Verfassungswidrigkeit abgelehnt habe. Dies sei vor allem auf die rechtliche Einschätzung von Hans-Jochen Vogel zurückzuführen, der die Beschränkung des Rechtsweges für Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Drittstaaten als Eingriff in die Rechtswegegarantie des Grundgesetzes bewertet habe.

  • Eine besondere Aufgabe sieht PRO ASYL darin, "Initiativen zu ermutigen, die rechtlos gestellte Flüchtlinge, die bei einer Ausweisung Gefahr für Leib und Leben oder schwere Menschenrechtsverletzungen befürchten müssen, durch das Kirchenasyl oder andere Formen persönlicher Asylgewährung doch noch zu ihrem Recht zu verhelfen suchen". Dies beziehe sich u.a. auf Kurden aus der Türkei und auf Roma, die als Minderheit in Südosteuropa durch wachsenden Nationalismus und Rassismus bedroht seien. Ihnen müsse auf nationaler Ebene ein Bleiberecht eingeräumt werden. In Europa seien für das Volk der Roma auf der Grundlage internationaler Abkommen spezifische Minderheitenrechte, u.a.das Recht auf Freizügigkeit durchzusetzen. Die Bundesrepublik habe durch die Ausrottungspolitik Hitlers gegenüber Sinti und Roma eine unaufgebbare Verpflichtung gegenüber dieser Minderheit, heißt es in der Erklärung von PRO ASYL.


16.06 1993

Schengener Übereinkommen
MAUERKRONE DER FESTUNG EUROPA
Internationaler Pakt gegen Flüchtlinge

Gegen eine Ratifizierung des Schengener Abkommens durch den Bundestag sprach sich die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL aus. "Schengen ist die Mauerkrone der Festung Europa und der erste bedeutende Pakt der Nachkriegszeit, der nicht zum Schutz von sondern vor Flüchtlingen abgeschlossen wurde", erklärte PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger.

Wesentlicher Kritikpunkte sind:

  • die Einführung des Visazwangs für über hundert Länder, darunter gerade auch solche Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen, Folter und Unterdrückung an der Tagesordnung sind. Visa würden künftig nur noch erteilt, wenn dadurch die "nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung" nicht gestört würden.

  • Die Bestrafung von Fluggesellschaften und Transportunternehmen, die Flüchtlinge ohne ausreichende Reise-Dokumente befördern. Dabei sei es für Flüchtlinge so gut wie unmöglich, die erforderlichen Pässe oder Visa zu erhalten.

  • Künftig solle auch nur ein Staat, und zwar normalerweise derjenige der Einreise für das Asylverfahren zuständig sein. Bei den unterschiedlichen Anerkennungsquoten und Verfahrensregeln in den einzelnen Ländern führe dies zu einem lebensgefährlichen Risiko für Asylbewerber. So hätten zum Beispiel Flüchtlinge aus Bulgarien, Nigeria, Zaire, aber auch aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und Afghanistan in Frankreich eine deutlich größere Chance auf eine Anerkennung als in der Bundesrepublik.


31.5.1993

Solinger Mord- und Brandanschlag
ASYLBESCHLUSS DES BUNDESTAGES
das falsche Signal

"Die Flammen von Solingen beleuchten gespenstisch eine gescheiterte Ausländer- und Asylpolitik!" Dies erklärten Heiko Kauffmann, Inlandsreferent des Kinderhilfswerks terre des hommes und PRO ASYL - Sprecher Herbert Leuninger in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Solinger Mord- und Brandanschlag. „ Es war zu befürchten, daß der jüngste Asylbeschluß des Bundestages in der rechten Szene als Signal für eine 'ethnische Säuberung' Deutschlands verstanden wurde", heißt es weiter.

terre des hommes und PRO ASYL fordern eine radikale Umkehr in der Ausländer- und Asylpolitik. "Keine Buhlen um rechts! Das führt in die Katastrophe!" Erforderlich sei eine größere Sicherheit für alle Menschen anderer nationaler Herkunft. Mehr Sicherheit bedeute in erster Linie mehr Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit für alle Ausländer, die in der Bundesrepublik ansässig geworden sind und den vollen Rechtsschutz für Flüchtlinge.

Die Barbarei des Rassismus ließe sich nur stoppen durch ein aktives und unzweideutiges Engagement für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gegen jede Form eines völkischen Nationalismus, betonten Kauffmann und Leuninger.


27. Mai 1993 KNA

»Pro-Asyl-Chef will das Katholische Büro nicht mehr betreten

Bonn. 27.5 1993 (KNA) Aus Protest gegen die Haltung der katholischen Kirche zum Asylrecht will der Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl , Pfarrer Herbert Leuninger, nicht mehr das Kommissariat der deutschen Bischöfe In Bonn betreten. Die Kirche habe Mitschuld am Beschluß des Bundestags vom Mittwoch, durch den das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft worden sei; jetzt drohe ein Zusammenbruch des internationalen Rechtsschutzes für Flüchtlinge, sagte Leuninger am Donnerstag in Bonn. Eine ursprünglich im Katholischen Büro geplante Sitzung von "Pro Asyl" wurde in Bundestagsräumen der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen abgehalten.

Der Leiter das Kommissariates, Prälat Paul Bocklet, äußerte sein Bedauern über den Schritt Leuningers, nannte dessen Vorwürfe zugleich aber auch "nicht berechtigt". Bocklet unterstrich, das Katholische Büro habe immer die Linie vertreten, die in der gemeinsamen Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche zum Thema Asyl vorgegeben worden sei.

Bocklet: Leuninger widerspricht der Wirklichkeit Leuninger kritisierte einen Brief Bocklets und des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Hartmut Löwe, an den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU--Bundestagsfraktion, Jürgen Rüttgers, von vergangenen Freitag. Die beiden Prälaten hatten in ihrem Schreiben unter anderem Kritik von kirchlichen Gegnern an der Asylrechtsänderung als "unseriös und agitatorisch" bezeichnet.

Damit hätten die Kirchen aufgehört, Anwalt der Flüchtlinge zu sein, so Leuninger. Das Katholische Büro, in denn er 2O Jahre lang an Konferenzen zu Ausländer- und Flüchtlingsfragen teilgenommen habe, sei eher "ein Vorhof der Macht als eine Stätte des Asyls“. Bocklet sagte dazu, diese Aussage widerspreche der Wirklichkeit. Das Katholische Büro werde sich nach wie vor für Aussiedler. Ausländer und Asylbewerber einsetzen. Dar Prälat nannte auch die Äußerung Leuningers unseriös, daß am Mittwoch im Bundestag das Asylrecht abgeschafft worden sei. Zugleich würdigte Bocklet den Einsatz Leuningers für Asylbewerber und äußerte die Hoffnung, daß der Pro-Asyl-Sprecher seinen Schritt überdenken werde, das Katholische Büro nicht mehr zu betreten.


27.5.1993

Artikel 16a Grundgesetz
VERFASSUNGSGERICHT ANRUFEN!
PRO ASYL für Normenkontrollklage

"Reichen Sie gemeinsam eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht ein!". Diese Bitte ist in einem Schreiben der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL enthalten, das an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gerichtet ist, die mit ihrem Nein gegen Artikel 16a für den Erhalt des Menschenrechts auf Asyl gestimmt haben.

PRO ASYL wertet den neuen Artikel 16a als in weiten Teilen verfassungswidrig. "Der Gesetzgeber hat mit ihm ein verfassungswidriges Verfassungsrecht geschaffen." Flüchtlinge würden an der Grenze zurückgewiesen, ohne daß ihnen die Möglichkeit bliebe, Verwaltungshandeln durch Gerichte überprüfen zu lassen. Für viele von ihnen gehe es um Tod und Leben, wenn der sogenannte sichere Drittstaat sie nicht aufnehme, sondern weiter zurückschicke. Auch würde das Recht der Justiz beschnitten, Verwaltungshandeln zu kontrollieren. Einspruchsfristen würden so verkürzt, daß kein effektiver Rechtsschutz mehr möglich sei.

PRO ASYL dankt den Abgeordneten, die gegen die Mehrheit ihrer Fraktion bzw. Partei votiert hätten. "Es ist ermutigend", so heißt es in dem Schreiben, " daß Sie das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und die Würde der Flüchtlinge so werten und unsere Vergangenheit nicht vergessen haben!"

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


23.05 1993

Grundrecht auf Asyl
INTERNATIONALER ASYLSCHUTZ IN GEFAHR
Verantwortung der Bundesrepublik

"Ein Eingriff in das Grundrecht auf Asyl bringt der Bundesrepublik keine Entlastung in der Flüchtlingsfrage", dies erklärte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL. Es führe nur dazu, daß schutzsuchende Menschen rechtloser gestellt würden. Auch sei zu befürchten, daß der internationale Schutz für Flüchtlinge, wie er in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschrieben sei, zusammenbreche. Länder wie Polen und Tschechien seien bereits dabei, ihrerseits Abkommen mit Anrainerstaaten abzuschließen, um diesen aus Deutschland abgeschobene Flüchtlinge zu überstellen. Eine großräumige Abschottung Europas wäre die Folge. "Die Bundesrepublik würde hierfür die Haupt-Verantwortung tragen!", so Leuninger.

Dabei dürften die Flüchtlingsprobleme künftig in Osteuropa selbst anwachsen. Wenn es in den ehemaligen Staatshandelsländern zu keiner entscheidenden wirtschaftlichen Verbesserung komme, sei bei den anstehenden Verteilungskämpfen mit ethnischen Konflikten wie im ehemaligen Jugoslawien zu rechnen. "Alle Minderheiten sind dann in ihrer Existenz und in ihren Menschenrechten bedroht. Dies gilt vor allem für Millionen Roma in Südosteuropa", sagte PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger.

Daher unterstützt PRO ASYL auch die aktuellen Forderungen der verschiedenen Roma-Verbände, das Volk der Roma als ethnische und kulturelle Minderheit anzuerkennen, Roma-Flüchtlingen entsprechend der Genfer Konvention Flüchtlingspässe auszustellen und die Deportationen von Roma nach Rumänien, dem ehemaligen Jugoslawien und anderen osteuropäischen Ländern einzustellen.


23. März 1993

Öffentliche Anhörung des Bundestages am 24.3.1993
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes vom 2.3.1993
zur NEUREGELUNG DER LEISTUNGEN AN ASYLBEWERBER

Das BUNDESSOZIALHILFEGESETZ von 1961 ist der Versuch den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes zu entsprechen, nach denen

  • die Bundesrepublik ein sozialer Rechtsstaat ist (Art. 20,1, Art. 28,1 GG), in dem
  • die Würde des Menschen unantastbar ist (Art 1,1 GG),
  • jeder ein Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, sowie auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit hat (Art. 2 GG).

Das BUNDESSOZIALHILFEGESETZ ist geschaffen worden, um allen Menschen, die in der Bundesrepublik leben, die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.

Die Dynamik der wohlfahrtsstaatlichen Sicherung, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert in den westeuropäischen und nordamerikanischen Industriegesellschaften durchsetzte, war von der Inklusion gekennzeichnet, d.h. von dem Bemühen, durch Armut bedingte Ausgrenzung zu überwinden und die Gleichheitsrechte aller Menschen materiell abzusichern. Dabei sollte das Individuum als Rechtssubjekt gegenüber einer bloßen Armutsverwaltung gestärkt werden.

Im Nationalsozialismus wurde der gerade auch in der Weimarer Demokratie universalistisch verstandene Sozialbürger durch den Volksgenossen ersetzt. Ihm entsprach eine Umpolung des Leistungssystems vom Bürger zum "Volksgenossen". Diesem stand der "Gemeinschaftsfremde" gegenüber, der aus den sozialen Leistungen ausgegrenzt wurde. Hierbei ging es um die Dehumanisierung im Rahmen von Anstalts- und Lagerunterbringung, Versorgung an der Hungergrenze, minimale medizinische Betreuung und Zwangsarbeit und schließlich die physische Vernichtung. Insgesamt wurden die Individualrechte durch eine stärkere staatliche Zuteilung von Lebenschancen eingeschränkt.

Die Bundesrepublik hat sich mit ihrer Verfassung und Sozialgesetzgebung von diesen Tendenzen eindeutig abgesetzt und an die bedeutsame sozialpolitische Entwicklung vor Hitler angeknüpft.

Das jetzige Asylbewerberleistungsgesetz verläßt diesen Weg, indem es eine Gruppe aus der allgemeinen sozialrechtlichen Versorgung ausgrenzt und zwar zum Zwecke der Abschreckung und der Kostenersparnis:

  • Der Individualisierungsgrundsatz wird zugunsten pauschaler Regelungen aufgegeben.

  • Die Leistungen werden unter die in der Bundesrepublik geltende Armutsgrenze abgesenkt.

  • Die Entfaltung der Persönlichkeit wird durch das Sachleistungsprinzip erheblich beschränkt.

  • Die medizinische Minimalversorgung gefährdet das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

  • Die im bisherigen Asylverfahrensgesetz vorhandenen Regelungen einer restriktiven Lagerunterbringung werden durch Arbeitszwang ergänzt.

Dies ist vom Ansatz her die Dehumanisierung einer Gruppe von Menschen, die sich überwiegend in existentieller Not befindet. Alle Asylbewerber, und zwar unabhängig davon, ob ein begründeter oder unbegründeter Asylantrag gestellt wurde, haben einen Anspruch darauf gemäß ihrer menschlichen Würde behandelt zu werden. Dieses Recht ist unteilbar. Seine Mißachtung hat gravierende Auswirkungen auf Leben und Gesundheit der Asylbewerber und auch auf die weitere Entwicklung unseres sozialen Rechtsstaates.


hier: DIE MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Gegenüber der bisherigen Versorgung der Asylbewerber, generell auf der Grundlage des BUNDESSOZIALHILFEGESETZES (BSHG), tritt mit dem neuen Asylbewerberleistungsgesetz (Paragraph 3) eine deutliche Verschlechterung der Leistungen ein.

Demnach besteht für einen Großteil der Asylbewerber künftig kein Leistungsanspruch mehr auf Diagnostik und Therapie bei allen nicht akuten Erkrankungen, d.h. bei fast allen Erkrankungen, die Flüchtlinge vor ihrem Eintreffen in die Bundesrepublik erlitten haben und die nicht zu Schmerzzuständen führen.

Das wären z.B.

  • noch nicht schmerzhafte Karzinome, Infektionskrankheiten, die nicht dem Bundesseuchengesetz unterliegen.
  • Viele Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen, die Mehrzahl aller Hör- und Sehschäden, Allergien und parasitologische Krankheiten.
  • Chronische Ernährungsschäden - vor allem bei Kindern, Verletzungen am Knochen-,
  • Weichteil- und Bandapparat, z.B. als Folge von Kriegseinwirkungen.
  • Fast alle körperlichen Folterschäden, Schäden durch Giftgas und radioaktive Strahlung.
  • Alle psychischen Erkrankungen als Folge von Flucht, Trennung, Folter, Vergewaltigung, Krieg und der besonderen Lebenssituation in der Bundesrepublik.

Die bei weitem größere Anzahl nicht akuter, jedoch die Lebensqualität stark einschränkender Erkrankungen bleibt damit unversorgt. Dadurch wird es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes und zu einer Erhöhung der Sterblichkeit bei Asylbewerbern kommen.

Ärzte werden per Gesetz in Konflikt gebracht, ihr Wissen und Können selektiv einzusetzen und ihrem Gelöbnis untreu zu werden, bei der Ausübung ihres Berufes keinen Unterschied zu machen, weder nach Religion, Nationalität, Rasse, noch nach Parteizugehörigkeit oder sozialer Stellung.

Dadurch, daß die medizinische Versorgung behördlich gesichert werden soll, wird erstmals außer bei Inhaftierten bei einer bestimmten Personengruppe die freie Arztwahl abgeschafft und damit die freie Berufsausübung eingeschränkt.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


19. März 1993

Heute morgen ab 7.00 Uhr:
Demonstration vor dem Werkstor der Waffenfirma Heckler & Koch, Oberndorf a. Neckar
Gegen Waffenexport -Asyl für Deserteure

Um 7.00 Uhr begann heute morgen vor dem Werkstor der Oberndorfer &xnbsp;Waffenfabrik Heckler & Koch eine Demonstration gegen den Waffenexport nach Jugoslawien und für ein europaweites Asylrecht für Flüchtlinge und Deserteure.

Diese Aktion des Hamburger "Büros für notwendige Einmischungen" wird mitgetragen vom Bundesvorstand der Grünen und der Jusos, von medico international, von PRO ASYL und verschiedenen Friedensorganisationen.

Bei einer Pressekonferenz am Werkstor wird der Deserteur G. über seine Erfahrungen mit dem Krieg in seiner Heimat berichten. Um 12 Uhr soll eine Resolution an Mitglieder des Europäischen Parlamentes übergeben werden. In ihr wird eine Verursacherhaftung für Rüstungsfirmen bei Kriegen und ein sicherer Rechtsstatus für Flüchtlinge und Deserteure gefordert.

Auch wird öffentlich die Bitte an das Nobelpreiskomitee gerichtet, den Friedensnobelpreis 1993 allen Deserteuren aus den Armeen Im ehemaligen Jugosliawien zu verleihen.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


19. März 1993

Antirassismustag 21. März
Gegen Blut- und Bodenmentalität
FUR UNVERÄUSSERLICHE MENSCHENRECHTE

"Rassismus wird nicht nur auf der Straße und in Schulzimmern überwunden, sondern auch durch bessere Gesetze". Das erklärte Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL zum Antirassismustag der Vereinten Nationen.&xnbsp; Überall, wo per Gesetz Menschen wegen ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder Abstammung Menschenrechte vorenthalten würden, herrsche ein struktureller Rassismus.

Leuninger, der seine Erklärung auf einer asylpolitischen Tagung der Katholischen Akademie Wiesbaden abgab, erinnerte daran, daß der verheerendste Rassismus von deutschem Boden ausgegangen sei und keineswegs als überwunden gelten dürfe. lm Gegenteil steige der Rassismus in Deutschland und Europa an.

PRO ASYL befürchtet, daß durch den neuen Artikel 16a &xnbsp;der Rassismus in der Bundesrepublik gefördert wird. Er setze praktisch das Menschenrecht auf Asyl außer Kraft. Damit kassiere der Gesetzgeber ein Recht, das bewußt als Ausdruck eines überwundenen Rassismus in die deutsche Verfassung aufgenommen worden sei. Außerdem werde ein Leistungsgesetz für Asylbewerber beraten, das diesen u.a. einen geringeren kulturellen Bedarf unterstellt. "Hiermit drohen rassistische Gedanken in unsere Gesetzgebung einzudringen", sagte der PRO ASYL-Sprecher vor den 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


1. März 1993

Asylrecht
DGB und PRO ASYL an Bundestag:
NEIN ZU ASYLGESETZEN

"Sagen Sie Nein zu den neuen Asylgesetzen!" mit diesem eindringlichen Appell wenden sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und PRO ASYL an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

In einem von DGB-Bundesvorstandsmitglied Jochen Richert und PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger unterzeichneten Schreiben wird der geplante Artikel 16a Grundgesetz als Versuch bezeichnet, die Bundesrepublik flüchtlingsfrei &xnbsp;zu machen. &xnbsp;Zwar würde das Grundrecht noch gewährt, nur wenige der Schutzsuchenden könnten es jedoch künftig noch in Anspruch nehmen. Auch werde die Rechtsweggarantie von Artikel 19 des Grundgesetzes ausgehebelt. "Wir halten die geplante Grundgesetzänderung in weiten Teilen für verfassungswidrig". Außerdem verstoße sie gegen internationales Flüchtlingsrecht. "Danach darf Asyl nicht allein aus dem Grund verweigert werden, dass der Flüchtling in einem anderen Staat hätte Asyl beantragen können". Doch genau dies sei vorgesehen.

DGB und PRO ASYL wenden sich auch mit aller Entschiedenheit dagegen, dass Flüchtlinge durch ein eigenes Asylbewerberleistungsgesetz aus dem Bundessozialhilfegesetz ausgegliedert und die Leistungen für sie erheblich reduziert werden. Dies bedeute:"Die Würde des Menschen ist teilbar. Ein Flüchtling ist weniger wert". Ein solches Gesetz fördere Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Das Gemeinsame Schreiben warnt die Bundestagsabgeordneten auch vor einer möglichen, imperialen Wende in der Außenpolitik. "Die ärmeren Länder Osteuropas werden vor die Wahl gestellt: Entweder nehmen sie die Flüchtlinge auf, die Deutschland ihnen aufbürdet oder sie bauen einen neuen eisernen Vorhang zur Abwehr von Flüchtlingen auf".

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


25. Februar 1993

SAARLÄNDISCHER RUNDFUNK
PRESSEMELDUNG
Untersuchung von Ausländerfeindlichkeit

PRO ASYL: Internationale Menschenrechts-Organisationen wollen ausländerfeindliche Vorfälle in Deutschland untersuchen. Bundesrepublik soll als „gläserne Republik" auch UNO-Kommissionen alle Untersuchungen ermöglichen.

Saarbrücken.- Die ausländerfeindlichen Vorfälle in der Bundesrepublik werden aller Voraussicht nach nicht nur von der UNO-Menschenrechtskommission, sondern auch von einer Gruppe internationaler Menschenrechtsorganisationen untersucht werden. Das hat der Sprecher der Flüchtlingsorganisation PRO ASYL, Herbert Leuninger, am Donnerstag in einem interview des Saarländischen Rundfunks angekündigt. Eine Konferenz internationaler Menschenrechtler plane die Zusammensstellung einer "Kommission mit hochrangigen Persönlichkeiten um die Vorfälle in der Bundesrepublik auch politisch zu untersuchen". Wenn der Sonderberichterstatter&xnbsp; der UNO-Menschenrechtskommission nach seiner Einsetzung am Freitag eine Untersuchung in der Bundesrepublik durchführen werde, werde dies also "nicht die letzte" sein, meinte Leuninger .

Die Bundesrepublik stehe international zweifellos "am Pranger" und müsse alles tun, um dort wegzukommen, forderte Leuninger. "Das könnte auch bedeuten, dass sie sich als gläserne Republik darbietet und jeder internationalen &xnbsp;Kommission alle Möglichkeiten gewähre, das zu untersuchen, was sie untersuchen möchte." Wenn die Bundesrepublik überall in der Welt auf die Einhaltung der Menschenrechte dränge, muß sie auch bereit sein, das, was &xnbsp;an Gewalttätigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte in diesem Land passiert, untersuchen zu lassen." Deutschland müsse sich dieser Diskussion stellen, um auf Dauer in der Frage der Verfolgung der Menschenrechte glaubwürdig zu bleiben.

Der Türkei warf Leuninger vor, mit ihrem Drängen auf Untersuchung der Vorgänge in der Bundesrepublik durch die UNO von ihren eigenen Menschenrechtsverletzungen ablenken zu wollen. Es sei zwar "völkerrechtlich korrekt", wenn sich die Türkei um das Schicksal ihrer türkischen Landsleute in Deutschland sorge, sagte Leuninger. "Aber illegitim ist es, wenn sie dies vor dem Hintergrund tut, von ihren schweren Menschenrechtsverletzungen &xnbsp;abzulenken. Das darf nicht der Preis dafür sein, daß hier in der Bundesrepublik eine solche Untersuchung stattfinden wird ."

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


18.2.1993

Anhörung zum; Asylrecht
IM STILLEN KÄMMERLEIN?
Gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen

Bei der Anhörung des Deutschen Bundestags zur Änderung des Asylrechts sollten alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen eingeladen werden. Dies fordert Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL.&xnbsp;Ein Hearing in stillen Kämmerlein wird der einschneidenden Bedeutung der geplanten Verfassungsänderung nicht gerecht“.&xnbsp;Leuninger kritisiert, daß der Innen-, Verfassungs- und Rechtsausschuß des Bundestages nur ein kleine, nach dem Parteienpropors ausgesuchte Gruppe von Verfassungsjuristen anhören will.

Wenn weder Gewerkschaften und Kirchen, noch Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen offiziell zu Gehör kämen, würden wesentliche Aspekte der Grundgesetzänderung nicht vorgebracht, sagte Leuninger. Es gäbe aber nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken gegen den geplanten Artikel 16a, sondern ebenso ethische, menschenrechtliche und gesellschaftspolitische. Sie bei der Anhörung außen vor zu lassen, offenbare ein bestürzendes Verfassungs- und Staatsverständnis. Es reduziere Grundfragen unserer Republik auf die Interessen der Parteipolitik. Leuninger wörtlich: "Vermutlich haben die Verfasser von Artikel 16a die Sorge, die fundamentale und durch die Anhörung gebündelte Kritik könnte das Gewissen weiterer Abgeordneter beunruhigen und die notwendige Zweidrittelmehrheit gefährden."

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


16. Februar 1993

Budapester Migrationskonferenz
KSZE-KONTRAST-KONFERENZ
Asylrecht in Müllcontainer

Als KSZE-Kontrast-Konferenz (KKK) bezeichnete Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL die Budapester Tagung der 33 Innen- und Justizminister zur Bekämpfung sogenannter illegaler Wanderungen. "Während die vergleichbaren Folgetreffen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa dem Bemühen gegolten haben, den Korb drei mit Maßnahmen zur Sicherung der Menschenrechte zu füllen, steht in Budapest ein internationaler Müllcontainer bereit, um das Menschenrecht auf Asyl als Makulatur aufzunehmen".

Die von Bundesinnenminister Rudolf Seiters auf totale Abwehr und Ausweisung von Flüchtlingen programmierte Konferenz lasse jeden humanitären Akzent vermissen. Weder spiele eine international notwendige Abstimmung über die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina eine Rolle noch der Schutz und die Rechte der Minderheiten in den Krisen-Ländern Osteuropas.

Für Zuwanderung und Flucht nach Westeuropa seien neben dem Vertreibungsdruck gegenüber Minderheiten auch Teile der deutschen Wirtschaft verantwortlich. Ganze Wirtschaftsbranchen würden lahmgelegt, wenn es keine illegale Beschäftigung und Ausbeutung von Arbeitgeberseite mehr gäbe. So habe jetzt erst die Gewerkschaft Bau-Steine-Erden festgestellt, daß neben 1,4 Millionen regulär Beschäftigten 500.000 Arbeiter ungesetzlich auf Baustellen eingesetzt würden.

PRO ASYL verlangt eine veränderte Optik von Seiters und Kollegen. "Das Menschenrecht auf Asyl muß ebenso gewahrt werden, wie der Schutz der Minderheiten z.B. der Roma", so Leuninger. Wichtiger als der Kampf gegen dubiose Fluchthilfeorganisationen sei die konsequente Bestrafung von Arbeitgebern, die mit ihren illegalen Praktiken die eigentlichen Sklavenhalter Europas seien.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


9.2.1993

Kommentar für den Saarländischen Rundfunk
"Sicheres Drittland"
KEIN EHRENVOLLER STATUS FÜR POLEN

Der Bonner Asylkompromiß hat Polen ungefragt einen neuen Status verliehen: den eines sicheren Drittlandes. Mit einer imperialen Geste weist die Bundesrepublik dem Nachbarstaat damit alle Flüchtlinge zu, die irgendwie polnischen Boden betreten haben, auch wenn sie diesen Staat selbst nur zur Durchreise benutzen wollen.

Die SPD verbindet mit dem Status des sicheren Drittlandes die Vorstellung von rechtsstaatlich korrekten Asylverfahren nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Bundesregierung denkt eher daran, Polen dabei zu helfen, seine eigenen Grenzen für Flüchtlinge unüberwindlich zu machen und Massen-Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber zu organisieren.

Die Überlegungen kreisen längst nicht mehr um die Frage, wie können Flüchtlinge geschützt werden, sondern nur noch darum, wie kann die Bundesrepublik möglichst flüchtlingsfrei bleiben. Dabei wird der Asylbewerber zu einem feindlichen Wesen, das alles daran setzt, Grenzen illegal zu überwinden, ins Hinterland einzusickern, die innere Sicherheit zu bedrohen, vielleicht sogar noch Kriminalität und Seuchen zu importieren.

Bei diesem Feindbild geht es auch nicht mehr um die Wahrung der Menschenwürde oder die Garantie irgendwelcher Schutzrechte. Die Aggressivität, die dem Flüchtlinge unterstellt wird, rechtfertigt seine Rechtlosigkeit. Flucht als solche wird illegal.

Dies alles ist ein Rückfall hinter die Genfer Flüchtlingskonvention und unser Grundgesetz. Eine demokratische, auf den Menschenrechten aufbauende Kultur wird in Frage gestellt. Polen hat den Status eines Satelliten Moskaus als erstes osteuropäisches Land abgeschüttelt, um eine moderne Demokratie zu werden. Nun droht es in Sachen Asyl Satellit einer Großmacht zu werden, die das Menschenrecht auf Asyl zur Farce macht. Ob Polens Führung, ob Polens Intellektuelle, seine Gewerkschaft, die Kirche das nicht merken? Es wäre zu hoffen, daß sich dort ein grundsätzlicher und nicht nur ein taktisch bedingter Widerstand regt. Die Bundesrepublik bräuchte an dieser Stelle die Partnerschaft eines guten Nachbarn.

Um des Menschenrechts auf Asyl willen sollte sich Polen dem Bonner Diktat verweigern.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


27. 1. 1993

Karl Lamers und die Rüstungsharmonisierung
Rüstungsexporte sind Fluchtursache

PRO ASYL unterstützt die Initiativen aus der Frieden- und Solidaritätsbewegung sowie aus den Gewerkschaften , die heute in Bonn an die Öffentlichkeit gehen, um gegen die Erleichterung von Rüstungsexporten zu protestieren .

Rüstungsexporte in Krisengebiete und Flucht von dort stehen in einem inneren Zusammenhang. Wer Fluchtursachen ernsthaft bekämpfen will, darf Kriegstreibern keine Waffen liefern.

Durch einen ungezügelten und unkontrollierten Waffenexport trägt die Bundesrepublik Mitverantwortung für die weltweiten Fluchtbewegungen.

"Es ist ein Ausdruck politischer Perversion, Waffenexporte zu erleichtern und gleichzeitig den Einsatz der Bundeswehr gegen Flüchtlinge innerhalb Deutschlands und an seinen Grenzen vorzusehen," so Herbert Leuninger, PRO ASYL-Sprecher.


20.1.1993

Artikel 16a ein Krebsgeschwulst
Anhörung gefordert

EDIENKONFERENZ
zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein

PRO ASYL fordert eine öffentliche Anhörung des Bundestages zum Artikel 16a und seinen Begleitgesetzen.

Jedes Mitglied des Bundestagstages, das über die Verfassungsänderung abstimmt, soll volle Klarheit über die rechtlichen und politischen Konsequenzen haben. Auch muß die gesamte, vor allem die juristische Fachwelt durch eine Anhörung in die Pflicht genommen werden und zu den geplanten Veränderungen der Rechtskultur eindeutig Position beziehen.

PRO ASYL sieht durch Artikel 16a Grundgesetz das Menschenrecht auf Asyl für Flüchtlinge, die auf dem Landweg einreisen, faktisch abgeschafft. Ein effektiver Rechtsschutz für Asylbewerber ist nicht mehr gewährleistet, vor allem dann nicht, wenn Flüchtlinge ihren Rechtsschutz aus dem Ausland betreiben sollen.

Artikel 16a ist in wesentlichen Punkten nicht mehr mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar. So darf nach dem verbindlichen Beschluß des Exekutivkomitees des UNHCR von 1979 Asyl nicht lediglich aus dem Grund verweigert werden, daß in einem anderen Staat darum ersucht werden könnte. Ein Flüchtling bleibt solange schutzbedürftig, wie er keinen dem Standard der Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz gefunden hat. Solange aber ein Flüchtling schutzbedürftig ist, hat er Anspruch auf Zugang zum Staatsgebiet, zu einem Verfahren und zu einem vorläufigen Bleiberecht im Aufenthaltsstaat. Damit bestehen in der Bundesrepublik alle Individualansprüche auf Rechtsschutz nach Art. 19 IV.

Die Genfer Flüchtlingskonvention kann durch eine Grundgesetzänderung nicht eingeschränkt werden.

Ein besonderer Kritikpunkt von PRO ASYL ist die Festlegung einer Positivliste sogenannter verfolgungsfreier Länder. Sollte es solche heutzutage überhaupt geben, sind es nicht die derzeit vom Bundesinnenminister genannten.

Artikel 16a ist aus der Sicht von PRO ASYL ein Krebsgeschwulst unserer Verfassung, das Metastasen in anderen Kernbereichen des Grundgesetzes und der Genfer Flüchtlingskonvention bildet. Es zerfrißt die nationale und internationale Rechtskultur.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


15.1.1993

Bonner Asylkompromiß
PROMINENTE SAGEN: NEIN!
Aufruf an die politische Öffentlichkeit

Mit einem klaren NEIN zum Bonner Asylkompromiß haben sich prominente Persönlichkeiten an die Öffentlichkeit gewandt. In dem von PRO ASYL herausgegebenen Aufruf warnen die Unterzeichner davor, der Gewalt von rechts Grundwerte der Verfassung zu opfern. "Das Asylrecht ist ein Menschenrecht!".

Die Kritik des Appells, der mit den Initiatoren des "Frankfurter Aufrufs" und des "Berliner Aufrufs« abgestimmt wurde, wendet sich gegen die Absicht, Flüchtlinge, die über ein Nachbarland in die Bundesrepublik einreisen, sofort wieder zurückzuschicken. Nur, wer mit einem Direktflug in der Bundesrepublik lande, habe noch die Chance auf ein Asylverfahren, heißt es weiter.

Unser Land müsse sich auf die weitere Aufnahme von Asylsuchenden, Ausländern und Aussiedlern vorbereiten. Asylverfahren mimten zügig, aber rechtsstaatlich einwandfrei durchgeführt und Bürgerkriegs- und Kriegsflüchtlinge europaweit aufgenommen werden.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Mitglieder des Bundesrates werden in dem, Appell aufgefordert, Artikel 16 des GsunadgesetseB "in vollen Umfang zu erhalten".

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL

Zu den Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichnern gehören u. a.:

Heinrich Albertz, Franz Alt, Bärbel Bohley, Dorothee Sölle, Bernt Engelmann, Ossip Flechtheim, Götz George, Günter Grass, Herbert Grönemeier, Peter Härtling, Lew Kopelew, Dieter Oberndörfer, Klaus Staeck, Klaus Vack, Gerhard Zwerenz und Tilman Zülch. Vom DGB Bundesvorstand Jochen Richert, vom IG-Metall Hauptvorstand Erwin Vitt und Yilmaz Karahasan.


8.1.1993

Aids-Zwangstest für Asylbewerbe
Rassistische Vorstellungen Spranger

Als "rassistisch" bezeichnete Herbert Leuninger, Sprecher Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL den Vorschlag von Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger Asylbewerber aus Ländern Afrikas oder Asiens "mit hohem Durchseuchungsgrad" einem Aids-Zwangstest zu unterwerfen. Die Aids-Gefährdung für die Bevölkerung komme nicht von Flüchtlingen, sondern sei längst ein soziales Problem jeder Gesellschaft, sagte Leuninger. So dürfe auch der Schutz vor Aids nicht zur Abwehr von Flüchtlingen mißbraucht werden.

Würde Sprangers Vorstoß ernstgenommen, &xnbsp;müßte der Zwangstest in einer absurden Konsequenz auf alle Wirtschaftsmanager, Politiker, Kulturschaffenden und Sportler ausgedehnt werden, die aus den verschiedenen Kontinenten in die Bundesrepublik einreisen . Daran sei wohl im Ernst nicht gedacht. "Somit handelt es sich bei dem Vorschlag Sprangers um eine CSU-typische Herabsetzung von Asylbewerbern", erklärte Leuninger. "Die Durchseuchungsvokabel Sprangers liegt auf dem gleichen Niveau wie Stoibers Ausdruck von der durchrassten Gesellschaft". Entwicklungspolitisch mache die Idee Sprangers keinerlei Sinn

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


3. Januar1993

Infrarot-Elektronik an der Grenze
MILITARISIERUNG AN DER OSTGRENZE
Feindbild "Flüchtling" befürchtet

Vor einer Militarisierung an der Ostgrenze warnt die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL. Nach der Ankündigung von Bundesinnenminister Rudolf Seiters, die Bundeswehr zum Abfangen von Flüchtlingen einzusetzen, drohe nun auch die Verwendung militärischer "Wärmebildtechnik" an der deutschen Ostgrenze. Entsprechende Geräte seien für den Kriegsfall entwickelt worden, um die Hitzeentwicklung bei Panzern, 'I'ruppenansammlungen und mobilen Raketenstellungen militärisch zu nutzen. So könnten mit Hilfe solcher Sichtgeräte auch nachts feindliche Ziele sicher ausgemacht werden.

"Wer flüchtende Menschen ins Visier von Infrarot-Geräten nimmt, schafft ein neues Feindbild.", erklärte PRO ASYL-Sprecher Herbert Leuninger. "Es läßt sich am Anfang des Jahres 1993 kein größerer Gegensatz denken als den zwischen millionenfachem Kerzenschein zum Schutz der Fremden und einer Wärmebildüberwachung von Flüchtlingen an Oder und Neiße"

Statt "elektronische Fluchtabwehrkanonen" zu installieren, erwartet PRO ASYL von der Bundesregierung, daß sie bei künftigen Wirtschafts- und Handelsverträgen mit Osteuropa den unbedingten Schutz von Minderheiten einfordert.

Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL


1992

Presseerklärungen

1994