Gespräch des Bischofs mit der Jugend:

Bischof Kempf

 

 

Viele Er- wachsene haben mit Angst reagiert

Vor der (missglückten) Sprechmotettej
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(Auszug aus dem verhinderten Buch "Das Hofheimer Mess-Festival")

Viele Erwachsene haben mit Unverständnis und Angst reagiert

Junger Mann

Wenn sich die Leute so stark aufgeregt haben wegen des Rauchens, der Art des Sitzens und des sonstigen Verhaltens, so sehen Jugendliche das anders. Für sie ist das völlig gleichgültig. Denn ich drücke meine Teilnahme durch meine innere Einstellung und nicht durch äußere Formen aus.

Joachim R. (22):

Ich habe am Mess-Festival teilgenommen und habe den Eindruck, daß von den anwesenden Erwachsenen damals kein großes Protestgeschrei erhoben wurde. Ich bin der Meinung, daß die erbitterten Reaktionen durch falsche Informationen ausgelöst wurden, bei denen, die nicht dabei waren.

Wolfram (?):

Ich glaube, daß es zwei Gründe gibt, warum die Reaktionen so heftig waren: Erstens weil die Besucher von den normalen Gottesdiensten so frustriert sind, es sich aber nicht eingestehen wollen und dann auf andere Gottesdienste, die besser sind, aggressiv reagieren. Zweitens weil die Berichte in den Zeitungen, besonders in der Bild-Zeitung, völlig verfehlt waren.

Thomas Z. (19):

Derjenige, der die meiste Schuld daran hat, daß die Erwachsenen so reagiert haben, ist die Kirche selber, d. h. die repräsentativen Personen der Kirche, die Geistlichen in den einzelnen Pfarrgemeinden. Es wird hier immer dem normalen Durchschnittsbürger ein Gott vorgespielt, der eigentlich in einem sehr kleinen Rahmen gezeichnet.. wird. Das Wort "Gotteslästerer" ist deswegen verwendet worden, weil eigentlich ein relativ kleiner und primitiver Gott vorgespielt wird, der halt wie jeder x-beliebige Mensch auf eine Äußerung sauer reagieren kann.

Thomas U. (21):

Meine Vermutung ist es, daß das "Bürgertum der Kirche", wenn ich diesen Begriff aus der Zeit der Studentenkrawalle übernehmen darf, daß das Bürgertum Angst hat, die Formen, die es jahrelang besessen hat und die durch das Konzil anders wurden, noch einmal verändert zu sehen. Ich meine, daß die Jugendlichen jetzt auch innerhalb der Kirche aufstehen und protestieren, wie es vor zwei, drei Jahren innerhalb der Gesellschaft geschehen ist.

Norbert H. (22):

Mir scheint ein wesentlicher Gesichtspunkt vergessen worden zu sein und zwar folgender: die Motivation, die zu diesem Mess-Festival geführt hat. Dieser Motivation gingen doch etliche Gesprächskreise in den einzelnen Pfarreien voraus, die zum Teil bis spät in den. Abend dauerten, wo man sich intensiv Gedanken gemacht hat um ein Verständnis von Fest und Festival, vor allem auch um ein neues Mess-Verständnis. Ich glaube, wenn diese Gedanken in der Diskussion - auch in der Presse - zugrunde gelegt worden wären, dann hätte man es sich wohl überlegt, ob man diese negative Kritik nicht hätte unterlassen sollen.

Maria H. (17):

Ich meine, es lag daran, daß die Erwachsenen unsere Intentionen überhaupt nicht erkannt haben, sondern nur auf die Äußerlichkeiten eingegangen sind, die sie im Fernsehen gesehen haben.

Junge Dame (?):

Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Zeitung ein solches Geschehen wie das Mess-Festival überhaupt richtig wiedergeben kann. Es ist sehr wesentlich, daß eine Zeitung diese Stimmung nicht wiedergeben kann, das ganze Verhalten der Jugendlichen, etwa auch, daß die jugendlichen in der Kirche getanzt haben. Das ganze Tanzen war ja ein Ausdruck einer inneren Einstellung. So etwas rein Gefühlsmäßiges ist in einem Zeitungsbericht überhaupt nicht wiederzugeben.

Manfred E. (18):

Ich möchte noch einmal etwas zur Reaktion der Leute sagen. Ich bin auch der Meinung, daß viel von den Zeitungen her gekommen ist, aber ich gebe nicht die ganze Schuld den Zeitungen. Ich gebe ein Großteil der Schuld einigen Geistlichen, die durch emotionale Gefühle in Predigten und Briefen, die vorgelesen und nach der Messe verteilt wurden, zum Ausdruck brachten, daß keine sachliche Diskussion und sachliche Argumente vorhanden waren, sondern daß alles emotional geladen war, und vielleicht sogar - das ist meine Meinung - persönliche Gründe mitgespielt haben.

Gerhard C. (17):

Ich glaube, daß die schärfste Kritik doch von denen kam, die nicht oder nur gegen Ende des Festivals anwesend waren. Zu erklären ist diese Kritik dadurch, daß einfach vor allem die Erwachsenen, die schon längere Jahre zur Kirche gehen, den Gottesdienst ganz anders gewohnt sind. Sie sind einfach gewohnt, daß man sich in den Gottesraum begibt, sich dort still hinsetzt und wartet, bis der Priester kommt, daß man nicht mit dem Nachbarn redet, nur nach vorne guckt. Und jetzt hat man im Fernsehen gesehen, daß die Jugendlichen z. B. vorn am Altar gesessen haben, daß sie zu der Band hingegangen sind. Das ist einfach nicht üblich, das sind sie von ihrer Erziehung her nicht gewohnt, von ihrem Denken, von ihrem Gefühl. Das ist ihnen anerzogen worden, und sie können es deshalb nicht verstehen. Insofern müssen wir auch vorsichtig sein mit Kritik gegenüber diesen Leuten, weil es nicht aus Bosheit heraus geschieht, sondern weil sie ganz anders groß geworden sind.

Uta W. (16):

Die Reaktion, wie Gerhard es eben gesagt hat, habe ich selbst zuhause erlebt: Meine Mutter ist neunundfünfzig, und die Reaktion zuhause war erschreckend. Sie konnte am Anfang überhaupt nicht verstehen, wie wir uns in der Kirche so verhalten konnten. Ich glaube auch, daß die älteren Menschen - z. B. ab fünfzig - in ihren Ansichten über die Jugend nicht mehr wandlungsfähig sind, daß sie nicht verstehen können, was wir wollen.

Hartmut B. (17):

Ich hatte im Betrieb folgendes Gespräch mit einem älteren Mitarbeiter. Er hat gesagt, daß die älteren Leute folgendermaßen geurteilt haben: "Wenn die das in der Kirche tun, was werden sie erst mit uns tun?" Wahrscheinlich ist es bei den Leuten so, daß sie die Kirche als eine Art Heiligtum, als unberührbares Heiligtum betrachten, wo die Form auf keinen Fall geändert werden darf. Deshalb haben sie die Angst, wenn diese Form geändert wird: Was passiert nachher?

Thomas Sch. (17):

Ich glaube, daß die teilweise unqualifizierte Kritik von Erwachsenen größtenteils auf die schlechte Information durch Zeitung und Fernsehen 'zurückzuführen ist. Aber ich glaube, ein wichtiger Faktor ist auch der, daß die Erwachsenen sich in gewisser Hinsicht Vorwürfe machen. Sie fragen sich: "Was ist denn mit unserer Erziehung los? Wir haben doch unsere Kinder mit in die Kirche genommen und ihnen gezeigt, was heilig ist usw." Sie sind einfach geschockt. Sie zweifeln an ihrer Erziehungskunst oder Überzeugungskraft und sagen: "Mein Gott, was rottet sich da zusammen?" Manche Erwachsene haben so gar Angst, daß sich da irgendeine Sekte bilden könnte. Ich bin der Ansicht, daß es unsere erste Aufgabe sein muß, die Erwachsenen sachlich zu informieren - durch Diskussionen beispielsweise, und daß es unsere Aufgabe ist, uns mit einzelnen Erwachsenen zu unterhalten. Dann nämlich kommt bei den meisten Erwachsenen, mit denen man sich unterhält, die Reaktion: "Ach, so war das, ja das haben wir ja falsch verstanden."

Thomas A. (24):

Die Tatsache, daß dieses Festival in weiten Kreisen eine so enorm scharfe Kritik erregte, ist, wie ich meine, außerhalb der Dinge, die in der Organisation unklar und zu kritisieren waren, psychologisch recht schwierig zu beurteilen. Ich möchte aber einmal versuchen, wenigstens einen Aspekt, so wie er mir vom Verständnis der heutigen Katholiken her angebracht zu sein scheint, in die Diskussion einzubringen. Man könnte meinen, daß diese Kritik zum großen Teil aus dem Verständnis heraus entstanden ist, hier solle dem Großteil der gläubigen Katholiken ein Rang streitig gemacht werden; und zwar möchte ich diesen Rang einmal bezeichnen als den "Rang der unverschuldeten Unmündigkeit".

Man fühlte sich, oder man fühlt sich heute in der katholischen Kirche relativ sicher, auch nach dem Konzil. Gerade weil das Konzil jetzt die Dinge an den Fronten geklärt zu haben scheint, wie das christliche Leben zu verifizieren sei, und wie man seinen Glauben glaubwürdig leben könne. Der Versuch des Mess-Festivals hat bei einigen doch wohl zum Teil im Unterbewußtsein den Gedanken provoziert, daß hier die Glaubwürdigkeit ihres eigenen Glaubens in Frage gestellt wird, und daß ihnen etwas vorexerziert wird, was sie eigentlich hätten selbst irgendwann einmal in Angriff nehmen sollen, oder was sie zumindest in der Zukunft in Angriff nehmen sollten. Das scheint mir ein wesentlicher, wenn auch vielleicht ein mutmaßlicher und etwas gewagter Aspekt zu sein. Aber gerade das ist die Tatsache, daß an dieser Unmündigkeit, an dieser mangelnden Verifizierung des christlichen Glaubens, die wohl jeder irgendwie spürt, daß daran gerüttelt worden ist. Deshalb widersetzt man sich, weil man es ja eigentlich viel bequemer hat in der etablierten Kirche, und weil man es sich nicht unbequemer machen will durch solche Versuche.

Junge Dame

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Musik. Die Erwachsenen sehen in der Jugend eine wilde Meute, die einfach nur darauf bedacht ist, irgendwelche Gags aufzubringen und die Erwachsenen zu provozieren. Die Musik, die wir in der Kirche gespielt haben, ist den Erwachsenen überhaupt nicht verständlich, vor allem was wir dabei fühlen, was wir uns unter dieser Musik vorstellen.

Michael W. (18):

Ich möchte damit anfangen, daß ich einen Satz aus der Predigt des Herrn Bischofs in Hofheim wiederhole, und zwar lautet er "Liturgie ist nichts weiter als gestaltgewordene Ehrfurcht." Ich glaube, daß es bei der Kritik der Erwachsenen, wie bei jeder Kritik, die wir im Moment zu spüren bekommen, zum größten Teil um das Verständnis

des Ehrfurchtsbegriffes und um das Verständnis des sakralen Raumes geht. Sie sind es allein vom Bau der heutigen Kirchen her nicht gewöhnt, daß da herumgelaufen wird, daß man in der Kirche eben nicht nur auf den Sitzbänken sitzt, und daß in der Kirche auch geraucht wird. Von daher kommen die Aversionen der Erwachsenen gegen eine Messe in dieser Art. Diese Aversionen sind recht verständlich, denn der Erwachsene war ja die ganze Zeit in einem Raum, der gewissermaßen heilig war. Er war in keiner Weise das Haus der Gemeinde, wie es eigentlich sein sollte, und wie es die neuen Bauvorschriften der Diözese bestätigen. Ich glaube, wir sollten versuchen festzustellen, warum unser Verständnis des sakralen Raumes und unser Ehrfurchtsbegriff die Erwachsenen so vor den Kopf stoßen mußte. Das sollte der Hauptansatzpunkt für die Diskussion sein.

Gerhard C. (17):

Ich möchte noch einen Begriff hier geklärt sehen; nämlich den Begriff der Kritik. Wir müssen doch hier unbedingt zwei Arten von Kritik unterscheiden. Einmal eine sehr emotionale Kritik, die natürlich am meisten ins Auge sticht. Aber ich glaube, es gibt auch sehr viele Leute, die zu einer sachlichen Kritik fähig und bereit sind. Ich stelle immer wieder fest: Diese kommen und regen sich nicht über Äußerlichkeiten wie Rauchen, Herumlaufen usw. auf, sondern kommen auch zu anderen Fragen. Sie sind bereit, mit uns darüber zu diskutieren, was wir unter dem Begriff der Gemeinschaft verstehen, was wir für ein Eucharistieverständnis haben. Dafür wollen sie sachlich mit uns sprechen. Wir müssen auch selbst in puncto Mess-Festival Kritik üben; denn ich glaube, daß eine ganze Reihe Mängel da war, die wir, wenn wir ein zweites, ähnliches Mess-Festival machen wollten, berücksichtigen müssen. Wir müssen alle Kritiker, die zu einer sachlichen Kritik bereit sind, einladen, bei diesem Mess-Festival mitzuwirken, um ihre Kritik und ihre Anregungen mit einzubringen in die Organisation.

Manfred E. (18):

Ich möchte noch einmal etwas zur Gemeinschaft sagen. Wir dürften nicht nur die Gemeinschaft für uns suchen und finden, sondern wir müssen auch die Gemeinschaft suchen und finden mit den Erwachsenen; denn in dem Moment, da wir die Gemeinschaft mit den Erwachsenen nicht finden und die Gemeinschaft ablehnen, haben die Erwachsenen ein Recht, uns zu kritisieren und zu fragen, ob unsere Gemeinschaft glaubwürdig ist.

Karin D. (?):

Ich glaube, viele dieser falschen Kritiken kommen durch Dorftratsch zustande. Der eine informiert den anderen, und jeder macht sich eine andere Meinung. Dabei kommt nichts Rechtes heraus. Die meisten waren nicht dabei und haben nur aus Zeitungen ihre Meinung gebildet.

Junger Mann (?):

Es hat schon einer gesagt, daß die Erwachsenen Angst haben, daß, wenn sich der Gottesdienst ändert, sich auch noch mehr ändern würde. Ich glaube, wenn der Gottesdienst verändert würde, würde sich vielleicht auch die Gesellschaft ändern bzw. verbessern, weil die Kirche einer der Hauptfaktoren ist, die der Veränderung bzw. Verbesserung der Gesellschaft im Wege stehen.