Gespräch des Bischofs mit der Jugend:

Bischof Kempf

 

 

Wir vermissen im Gottesdienst die Gemeinschaft

 

Bierflaschen im Gottesdiesnt. Stein des Anstoßes
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(Auszug aus dem verhinderten Buch "Das Hofheimer Mess-Festival")

Das Gespräch des Bischofs mit der Jugend

Vorbemerkung:

Am 2. 7. 1971 fand in Hofheim ein Gespräch des Bischofs mit etwa 200 Jugendlichen und jungen Erwachsenen statt. Der Bischof wollte sich über ihre Motive, Vorstellungen und Ansichten im Zusammenhang mit dem Hofheimer Gottesdienst informieren.

Im folgenden sind bis auf stilistische Änderungen und unwesentliche Kürzungen die Wortmeldungen der jugendlichen Gesprächsteilnehmer wiedergegeben. Bis auf zwei Umstellungen entspricht auch die Reihenfolge der Beiträge dem Verlauf der Diskussion. Die Ausführungen, die der Bischof an dem Abend gemacht hat, sind hier ausgelassen. Sie decken sich im Wesentlichen mit den Gedanken, die er in der Predigt am 20. Juni in Hofheim vorgetragen hat.

Wir vermissen im Gottesdienst die Gemeinschaft

Michael W. (18). Vorbereitungsteam:

Es ging beim Meß-Festival vor allem darum, von dieser Sterilität wegzukommen zu einer Kommunikation zw1schen allen Mitgliedern in der Gemeinschaft, die sich gebildet hat. Man muß vielleicht dazu ergänzen, daß wir uns tatsächlich viel von einer Gemeinschaft im Gottesdienst versprechen und uns auch in bezug auf das Meß-Festival versprochen haben. Ich glaube, daß unsere Erwartungen größtenteils erfüllt worden sind. Das war, mit ein Ausgangspunkt: eine Gemeinschaft zu bilden, die tatsächlich miteinander sprechen kann, die nicht nur nebeneinander sitzt und sich irgend etwas bieten läßt, sondern die den Gottesdienst durch ihre Wortmeldungen oder durch das Gespräch miteinander gestaltet.

Brigitte H. (20), Vorbereitungsteam:

Wir haben in Kelkheim-Münster einen Jugendchor und haben bisher versucht, Gottesdienste rein vom Musikalischen her zu gestalten. Dabei ist uns immer aufgefallen, daß die jugendlichen eine Gemeinschaft, die bei Festen da sein sollte, im Gottesdienst selbst nicht sehen. Es ist uns weiter aufgefallen, daß der Gottesdienst für sie relativ steril war. Die Jugendlichen fordern, daß es bei der Mahlfeier - bei der Eucharistiefeier - zu Kontakten untereinander kommt, daß man Gemeinschaft fühlen muß, und daß sich die Gemeinschaft ausdrücken muß. Wir haben besonders gemerkt, daß das Gespräch zur Gemeinschaft hinführen kann, und daß gerade jugendliche für viele religiöse Fragen sehr offen sind und ein Gespräch führen müssen. Dann besteht auch das Bedürfnis, zusammen Eucharistie zu feiern. Wir haben deswegen versucht, diese Eucharistiefeier, die wir "Meß-Festival" genannt haben, unter dem Aspekt des Festes so auszurichten, daß zuerst durch Gespräch und Diskussion eine Gemeinschaft aufgebaut wird.

Michael Sch. (22):

Ich glaube, daß die konventionelle Form des Gottesdienstes durch den Begriff "steril" sehr gut charakterisiert wird; man könnte vielleicht auch sagen "tot"; denn wie schon mehrfach in diesem Gespräch zum Ausdruck kam, fehlt in' diesem Gottesdienst jedes Zusammengehörigkeitsgefühl, jegliches Gerneinschaftserlebnis der sogenannten Gemeinde. Der Gottesdienst besteht im Wesentlichen - also in meinen Augen - darin, daß da eben zwei-, drei- oder fünfhundert Leute zusammenkommen, ihr Pensum innerhalb einer Stunde absolvieren und dann wieder nach Hause gehen. Das ist im Wesentlichen alles, und ich glaube, daß diese Form für die Jugend einfach indiskutabel geworden ist, was man schon daran sieht, daß nur noch ein geringer Teil der Jugend überhaupt an diesen Gottesdiensten teilnimmt. Deshalb war der Versuch, der vor zweieinhalb Wochen gemacht wurde, sehr wesentlich, gerade auch für die offizielle Kirche. Hier wurde erstmals versucht, in größerem Rahmen Jugend heranzuziehen und aktiv in Formen christlichen Gemeinschaftslebens zu beteiligen.

Armin Kl. (20):

Ich wollte nur an diesem Beispiel erläutern, was gerade gesagt wurde. In N. wurde vor einem Monat vom Pfarrer das Evangelium, vorgelesen. Er wollte anschließend mit den Leuten über dieses Evangelium, das er vor fünf Minuten vorgelesen hatte«, diskutieren. Da stellte sich heraus, daß eine Diskussion vollkommen unmöglich war. Keiner hatte zugehört und auf den Sinn des Evangeliums geachtet. Er mußte also praktisch alleine reden.

Eberhard W. (16):

Ich möchte die normale Messe so vergleichen: das ist wie ein Schauspiel, bei dem vorne ein Schauspieler ist, vielleicht noch die Ministranten. Die anderen sind lediglich Zuschauer, sie sind nicht sehr aktiv und können gar nicht so mitmachen, weil die Lieder zum größten Teil überholt sind. Wir können sie überhaupt nicht mehr verstehen. In der Predigt bekommen wir außerdem etwas an den Kopf geworfen, mit dem wir überhaupt nicht mehr übereinstimmen, und wir können nicht sofort unsere Meinung dazu äußern.

Thomas Z. (19):

Ich habe öfters in N. erlebt, daß während der Predigt, die ich meistens sehr inhaltslos fand, die Leute überhaupt kein Interesse an den Worten zeigten. Die einen machten die Fingernägel sauber; die anderen hatten damit zu tun, auf ihre Kinder aufzupassen; der nächste hat im Gesangbuch seine Bildchen gezählt. Es war auch kein Interesse an der Messe vorhanden. Man konnte lediglich nach einer Stunde sagen: "ich habe meine Pflicht getan", und dann ging man nach Hause.

Jürgen Sch. (16):

Ich meine auch, daß viele Leute in die Kirche gehen ohne einen Vorsatz zu einer Gemeinschaft. - "Ich muß das tun, es gibt das Gebot, sonntäglich in die Messe zu gehen" - und dann tun es viele: ja, ich muß Gott den Gefallen tun, in die Messe zu gehen"; dann gehen sie dorthin, ohne ein Bedürfnis irgend etwas zu tun und ohne Gemeinschaft zu bilden. Jeder lebt da in der Kirche einf ach vor sich hin, und wenn es vorbei ist, gehen sie frohgemut wieder nach Hause, ohne einen guten Vorsatz.