Foto. Horst Leder


Der Frankfurter Bürgermeister
Joachim Vandreike

Grußwort
B
ei allen Notwendigkeiten für Reformen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend zeichnet sich jede Gesellschaft durch das Maß an Engagement und Nächstenliebe seiner Mitglieder aus. Mit Herbert und Ernst Leuninger ehren wir heute ein Brüder-Paar, deren Leben ganz im Zeichen von Engagement für die Menschen steht.

 

 

Sie sind immer, so wie es in der Ausschreibung des Walter Dirks-Preises steht, für den Brückenschlag zwischen Konfessionen, gesellschaftlichen Kräften und Parteien eingetreten: Herbert Leuninger mit seinem Arbeitsschwerpunkt Migration und Ernst Leuninger in der Erwachsenenbildung und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
an Ernst und Herbert Leuninger

Grußwort
Bürgermeister Joachim Vandreike

IIch möchte Sie anläßlich der vierten Verleihung des Walter Dirks-Preises an die Brüder Herbert und Ernst Leuninger in der St. Galluskirche auch im Namen der Stadt Frankfurt sehr herzlich begrüßen.

Der Herr Ministerpräsident hat schon einiges über den Namensgeber des Preises und auch über die heutigen Preisträger gesagt; das möchte ich nicht wiederholen. Lassen Sie mich deshalb einen Brückenschlag versuchen zwischen dem Lebenswerk von Walter Dirks, der Arbeit der heutigen Preisträger und der Stadt Frankfurt am Main.

Die St. Galluskirche steht an der "Mainzer" wie wir Frankfurter sagen. Die acht Kilometer lange Straße zeigt - wie keine andere in Frankfurt - die Gegensätze in unserer Stadt und damit auch in unserer Gesellschaft auf. Angefangen mit der Rankenmeile, über das Bahnhofsviertel und dem Gallusviertel bis hin zum Arbeitervorort Nied, endet die "Mainzer" in Sichtweite des Industriestandortes Höchst.

Kräftige gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungen in den letzten Jahren, die auch nicht vor den Toren der Stadt haltgemacht haben, haben zu großen Veränderungen entlang der Mainzer geführt. Während das Bankenviertel boomt und Großunternehmen von Gewinnrekord zu Gewinnrekord eilen, steigt Jahr für Jahr die Zahl der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger.

Industrieunternehmen wie Hoechst stellen sich den Anforderungen der Globalisierung und Technisierung und reduzieren gleichzeitig ihre Belegschaft in großen Schritten. In Stadtteilen wie dem Gallusviertel und Nied werden die Brüche sichtbarer als anderswo. Mit der Zunahme der Arbeitslosigkeit und mit fehlenden Ausbildungsplätzen für Jugendliche verschärfen sich die Probleme.

Nun bin ich keiner, der alten sozialistischen Vorstellungen von Staatswirtschaft nachhängt. Die Wirtschaft muß sich dem weltweiten Wettbewerb stellen können. Das Ergebnis kann aber nicht sein, daß die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Und die, denen es immer besser geht, überlassen es zunehmend dem Staat, sich um die zu kümmern, denen es immer schlechter geht. Das geht so nicht weiter. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für unsere Gesellschaft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau das macht die Vision Walter Dirks, der nach Wegen zwischen dem sozialistischen und kapitalistischen Gesellschaftssystem suchte, heute so aktuell wie zu seiner Lebenszeit. Er stand dem christlichen Humanismus wie der Arbeiterbewegung nahe und suchte nach einem "dritten Weg". Dirks prägte die geistige Auseinandersetzung der Nachkriegszeit wie nur wenige. Eine Auseinandersetzung, die wir heute nötiger denn je haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann sicherlich nicht darum gehen, daß wir die Wirtschaft an das Gängelband des Staates legen. Genau so wenig können wir aber auch den Neoliberalen das Feld überlassen nach dem Motto: "Der Markt wird es schon richten."

Die Politik muß wieder die Rahmenbedingungen abstecken mit dem Anspruch, nicht eine gleiche, aber doch eine faire Gesellschaft zu erreichen. Das war der Traum von Walter Dirks, und das muß auch heute noch unser Ziel sein.

Mit der Einführung des Euro, dessen Heimat sozusagen Frankfurt sein wird, haben wir eine einmalige Chance, gemeinsam ein soziales Europa zu bauen. Mit der Währungsunion wird das größte zusammenhängende Wirtschaftsgebiet entstehen. Das allein reicht aber nicht. Abseits von festgefahrenen ideologischen Denkweisen, abseits von links oder rechts, müssen wir uns überlegen, wie wir das soziale Europa schaffen. Weder kann es dabei darum gehen, einzelne vom Wohlstand unserer Gesellschaft auszuschließen, noch jedem die gesamte Verantwortung für die Gestaltung seines Lebens abzunehmen. Wir müssen diskutieren über Existenzsicherung, über Alterssicherung, über Einwanderung und über Bildungschancen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Mit einem "Weiter so wie bisher" werden wir ins Verderben rennen. Wir brauchen Veränderungen und Umstrukturierungen. Aber sie dürfen nicht mehr zu Ungleichheiten in dem Ausmaß führen, wie das in den letzten Jahren der Fall gewesen ist.

Bei allen Notwendigkeiten für Reformen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend zeichnet sich jede Gesellschaft durch das Maß an Engagement und Nächstenliebe seiner Mitglieder aus. Mit Herbert und Ernst Leuninger ehren wir heute ein Brüder-Paar, deren Leben ganz im Zeichen von Engagement für die Menschen steht.

Sie sind immer, so wie es in der Ausschreibung des Walter Dirks-Preises steht, für den Brückenschlag zwischen Konfessionen, gesellschaftlichen Kräften und Parteien eingetreten: Herbert Leuninger mit seinem Arbeitsschwerpunkt Migration und Ernst Leuninger in der Erwachsenenbildung und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Herbert und Ernst Leuninger, Ihr Einsatz für die sozial Schwächeren und Benachteiligten war zeitlebens vorbildlich. Unsere Gesellschaft kann noch mehr Leuningers gut gebrauchen. Lassen Sie mich an dieser Stelle, den Dank der Stadt Frankfurt für Ihr Engagement aussprechen. Persönlich hoffe ich, daß Sie uns sehr lange mit Ihren kritischen Positionen begleiten werden. Zur Preisverleihung: herzliche Glückwünsche.