Die Brüder danken
in Stereo
Unser
Dank
HERBERT
Wir wurden im Dual geehrt, so möchten wir uns in Stereo bedanken für
dir große Ehre. D.h. wir werden nun nicht gleichzeitig sprechen, sondern
einen Dialog führen. Das haben wir bei anderer Gelegenheit auch schon
getan, vor allem in der Form der Dialogpredigt.
Dabei fiel mir immer der existentielle Ansatz zu, während mein Bruder
eher für die Theoriebildung und Exegese zuständig war.
ERNST
Ich bin natürlich sehr stolz darauf, mit meinem älteren Bruder zusammen
geehrt zu werden. Obwohl er nur 13 Monate vor mir geboren wurde, hat er immer
großen Wert auf den biografischen Vorrang gelegt, fast wie im Alten
Testament.
HERBERT
Im letzten Jahr ist ein Buch erschienen "Der Rebell der Familie, Geschwisterrivalität".
Darin wird die Geburtenfolge als der zuverlässigste Indikator für
revolutionäres Engagement herausgestellt. Im Vergleich zu Erstgeborenen
identifizierten sich Spätergeborene eher mit sozial Benachteiligten und
seien in höherem Maße bereit, die herrschende Ordnung in Frage
zu stellen. Erstgeborene neigten hingegen dazu, den Status quo zu verteidigen.
Nun sind wir ja beide Spätergeborene. Die Erstgeborene ist unsere Schwester
Johanna.
ERNST
-
Jetzt außer der Reihe; das steht nicht im Manuskript: Meine Schwester
und ich hatten etwas gemeinsam. Wir haben unheimlich gerne Kirmes gefeiert.
Das war für mich auf dem Weg zum Priestertum das größte Hindernis:
Meine Feierfreudigkeit. Während mein Bruder eigentlich, würde ich
sagen, schon mit dem Birett auf die Welt gekommen ist.-
Wir haben es hier mit dem typischen Fall der Falsifizierung von Theorien zu
tun. Denn wenn unsere Schwester etwas von uns unterscheidet, dann ist es ihre
feministische Einstellung. Hier haben wir beide sehr viel von ihr gelernt,
zugestandenermaßen recht spät. Sie hat uns nämlich mit einen
erheblichen Schub in Sachen Feminismus versehen. Ich habe das z.B. umgesetzt
in meinem Einsatz für eine Frauenbeauftragte. Meine langjährige(über
26 Jahre) Mitarbeiterin Frau Rompel, der ich sehr viel verdanke, wurde dann
die erste Beauftragte für Frauenförderung in einem deutschen Bistum.
HERBERT
Als mir Pfr. Nieten mitteilte, daß wir den Walter-Dirks-Preis erhalten
würden, habe ich dies als hommage an unsere Familie, oder genauer gesagt
an unsere Westerwälder Großfamilien und zwar väterlicher-
und mütterlicherseits betrachtet. Die Familie unseres Vaters, das waren
9 Geschwister. Von dieser Seite haben wir sicher - wie bereits erwähnt
- den sozial-politischen Drive erhalten. Wir müssen aber auch die Familie
unserer Mutter nennen.
ERNST
Unsere Mutter hatte noch sechs Geschwister. Die große Familie lebte
auf engstem Raum (Wir haben nach unserer Flucht aus Köln dort zusammen
mit dem 90jährigen Großvater gewohnt). Zu ihren eigenen Kindern
haben die Großeltern noch drei Verwandte aufgenommen, die verwaist waren,
zwei aus Straßburg und einen Neffen aus Hamburg. Je länger ich
darüber nachdenke, um so größer wird mein Respekt vor dieser
menschlichen Haltung.
HERBERT
Wir haben von dieser Seite vielleicht auch das besondere Verständnis
für Migration. So war der Großvater Gastarbeiter in der Schweiz
und Butler eines spleenigen Engländers in Italien. Meine Mutter und zwei
ihrer Schwestern arbeiteten als Gastarbeiterinnen in holländischen Haushalten.
Sie haben von dort Gulden heimgeschickt, die härter waren als es der
Euro je werden kann. Die jüngste Schwester meiner Mutter ist mit ihrem
Mann in die USA emigriert, ebenso zwei der in die Familie aufgenommenen Kinder.
Eine Migrantenfamilie also, wie sie nicht im Buch steht.
Erst jetzt denken wir darüber nach, was das für uns bedeutet haben
könnte. Ich freue mich, daß ich das hier und bei dieser Gelegenheit
aussprechen darf.
ERNST
Walter Dirks mußte uns also sehr nahe liegen! Ich habe mich mit seiner
Person im Zusammenhang mit der Entstehung von kath. Erwachsenenbildung in
Frankfurt nach dem Krieg auseinandergesetzt. "Gottes Reich im armen Volk
der Deutschen", das war einer seiner Gedanken damals 1945. Hier wird
sein Thema deutlich, das auch uns nicht losläßt: Die Herausforderung,
die die soziale Ungerechtigkeit im Angesichte Gottes für uns bedeutet.
HERBERT
Die Frankfurter Hefte haben mich nachhaltig beeinflußt. Ihr Ende stürzte
mich in große Trauer, ich glaube, ich habe bei Erhalt der letzten Nummer
geweint. Meine Mitarbeiterin wußte sich mit ihrem phänomenalen Gedächtnis
noch daran zu erinnern, daß ich bereit gewesen sei, mich finanziell
an einer möglichen Weiterführung zu beteiligen. Frau Leder, die
ich mir ihrem Mann herzlich begrüße, arbeitet übrigens im
25. Jahr mit mir zusammen. Sie hat alle Höhen und Tiefen miterlebt. Das
war manchmal gefährlich, briefbomben-gefährlich. Sie sollte sich
heute in besonderer Weise mitgeehrt fühlen! (starker
Beifall)
ERNST
Nun unser Dank an die Preisgeber.
Hier sei vor allem Herrn
Pfarrer Nieten für seinen unermüdlichen Einsatz eigens genannt.
Wer schon mal irgendetwas organisiert hat und sieht, wie das hier organisiert
ist, der weiß, daß das bis über die Grenzen der Kräfte
gegangen ist. Franzwalter, Du hast sicher einige Tage Urlaub verdient, um
mit den Füßen wieder auf den Boden zu kommen. Herzlichen Dank,
und dieser Dank geht auch an das Kuratorium.
daß es uns die große Ehre hat zuteil werden lassen. Wir werden
uns bemühen, auch künftig die damit gemachte Aussage zu bestätigen.
Ich danke weiterhin
dem Laudator, Roderich Reifenrath. Im Gegensatz zu meinem Bruder habe ich
etwas näher an die Lahn gebaut. Es hat mir schon die Tränen in die
Augen getrieben; ich finde es faszinierend, wenn man das Leben einmal so gespiegelt
bekommt. Jene Szene im Lager von Eschborn-Schwalbach steht mir heute noch
vor Augen, wie ich mit all meiner Klugheit versucht habe, meinen Bruder aus
dem Lager herauszuholen, und totalen Schiffbruch erlitten habe.
Herrliche Dinge, die wir miteinander erlebt haben, dazu gehören auch
unsere gemeinsamen Diskussionen über all diese Fragen..
Ich danke für die eindrucksvolle Gottesdienstgestaltung. Eigentlich hat
sie uns beide zurück versetzt in die Zeit kurz nach dem Konzil, als wir
hier in Frankfurt Jugendkapläne waren. Es sind Jugendleiterinnen aus
der Pfarrei hier, in der ich damals tätig war, eine faszinierende Zeit,
diese Frankfurter Zeit, die uns in vieler Hinsicht geprägt hat. Als wir
die Musik hörten, war es, als seien über 30 Jahre gar nicht vergangen.
Herzlichen Dank, auch den beiden Musikern für die ausgezeichnete Aufführung.
Aber auch einen besonderen Dank an alle, die in der Vor- und Nachbereitung, vor und hinter den Kulissen, gearbeitet haben. Sie sollten bei unserem Dank nicht vergessen sein.
HERBERT
Herr Ministerpräsident Hans Eichel, Ihre Anwesenheit und Ihre Worte sind für uns eine sehr große Ehre. Von unserem Namen her waren wir ja vielleicht für Sie immer ziemlich unverdächtige Funktionäre der Kirche. Wir bewerten, wenn wir das dürfen, Ihre Anwesenheit als Ausdruck großer Erwartungen, die Sie in der Politik an den sozialen, den sozialpolitischen Einsatz der Kirche haben.
Herr Bürgermeister Joachim Vandreike, wir danken Ihnen für die anerkennenden Worte. Frankfurt, so haben Sie es auch dargelegt, ist für uns von Anfang an, als wir als junge Priester hierher kamen, die Stadt besonderer sozialer, politischer und auch kirchlicher Auseinandersetzungen gewesen und geblieben. Hier haben wir den Aufbruch der Kirche zu den Menschen erlebt, wovon wir bis heute einfach nicht lassen können.
Und so, lieber Herr Bischof Franz Kamphaus, haben Sie uns ja dann auch immer genommen. Wir durften bei unserem manchmal unkonventionellen sozialpolitischen Engagement letztlich immer auf Ihre Zustimmung und Unterstützung rechnen. Ohne Sie wäre das nicht möglich gewesen.
Meine Damen und Herren, bei der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, Andreas Frick, ist mir über die genannten Persönlichkeiten hinaus geradezu demütigend deutlich geworden, wer alles heute hier ist. Ich bin fast von der Bank gerutscht. Aber es war auch großartig, mit Ihnen allen, und ich denke, das kann ich auch für meinen Bruder sagen, mit Ihnen allen, die Sie hier sind und mit uns zusammen gearbeitet haben, zusammen zu arbeiten.
Und so danken wir Ihnen für Ihre Anwesenheit und sehen darin eine moralische Unterstützung unserer Arbeit.
ERNST
Walter Dirks regt 1945 die Gründung von Lesestuben und Suppenküchen
an, um der geistigen und körperlichen Not zu steuern. Ich unterstütze
in Bosnien eine Suppenküche. Die Not in diesem Land, vor allem auf dem
verwüsteten Land - unserer politischen Besucher sehen ja meist nur die
Städte- ist für uns einfach unvorstellbar. Jetzt wird in Novi Travnik
eine Lesestube aufgebaut, dort möchte ich meinen Anteil des Preisgeldes
einbringen.
HERBERT
Ich wollte meinen Anteil für Suppenküchen verwenden, allerdings
hier. Und zwar für den Fall, daß der Bundestag gemäß
einer Berliner Gesetzesinitiative im Bundesrat ein Gesetz verabschieden sollte,
nach dem Sozialleistungen für bestimmte Gruppen abgelehnter Asylbewerber
gestrichen werden. Es geht darum - wie PRO ASYL es formuliert hat - durch
Aushungern Menschen zur Ausreise zu zwingen. Sollte das Gesetz, dem Hessen
wie andere grün-rot regierte Länder bisher die Zustimmung versagt
haben, in Kraft treten, kommt auf die Kirchen und Wohlfahrtsverbände
sicher die Aufgabe zu Suppenküchen einzurichten.
Ich hoffe allerdings, daß Sie Herr Ministerpräsident sich durch
die Kritik sogar von der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft Hessens
nicht in ihrer ablehnenden Haltung beirren lassen.
Sollte es nicht zu dem Gesetz kommen, dann steht das Geld für die von
Ernst unterstützte Suppenküche in Bosnien zur Verfügung.
ERNST
Wir möchten durch diese Verwendung des Preisgeldes Walter Dirks unsere
Reverenz erweisen.